Die DEL geht weiter als die AHLKommentar zur Lex Leggio
Nach der AHL hat nun auch die DEL eine "Lex Leggio". (Foto: dpa/picture alliance)So wie die Entscheidung der Deutschen Eishockey-Liga fällt auch ihre Bewertung aus. Zweigeteilt.
1) Die Regeländerung
Wie schon 2014, als David Leggio ebenfalls in einer Breakaway-Situation als Torhüter der Bridgeport Sound Tigers das Tor umstieß, reagierte die Liga prompt. Seinerzeit änderte die American Hockey League unverzüglich die Regel. Wie im Regelbuch der International Icehockey Federation (IIHF) – Regel 130.3 – sah auch die AHL einen Penalty für den Fall vor, dass „ein Spieler (das schließt den Torhüter ein, d.Red.) absichtlich das Tor verschiebt, wenn ein angreifender Spieler in einer Breakaway-Situation“ ist. Das heißt im Klartext: Zwischen dem angreifenden Spieler und dem gegnerischen Torhüter befindet sich kein weiterer verteidigender Spieler. Die AHL änderte damals die Regel, beließ es bei einem Penalty – doch seither bekommt der Torhüter zusätzlich eine Spieldauer-Disziplinarstrafe. Das heißt, beim folgenden Strafschuss steht bereits ein anderer Goalie zwischen den Pfosten.
Drei Jahre später geht die DEL bei ihrer „Lex Leggio“ deutlich weiter. Statt eines Penaltys und/oder einer Spieldauerstrafe gibt es sofort ein technisches Tor für die sich nicht verfehlende Mannschaft, sollte der Torhüter bei einem Breakaway das Tor verschieben oder seine Maske ausziehen (was ebenfalls zu einer sofortigen Unterbrechung und bisher laut Regel zu einem Penalty führte).
Mit dieser Regeländerung betritt die DEL Neuland. Bisher gab es technische Tore bei Anwesenheit des Torhüters auf dem Eis nur bei einem Verstoß im Zuge der Ausführung eines Penaltys (Verschieben des Tores, Schlägerwurf etc.). Aus dem Spielverlauf gab es zugesprochene Tore nur, wenn der Torhüter nicht auf dem Eis war. Vereinfacht ausgedrückt: Wurde der Torhüter durch einen zusätzlichen Feldspieler ersetzt, führt jedes penalty-würdige Foul zu einem technischen Tor.
Diese Exklusivität ist aber kein ehernes Gesetz und nun einen Schritt weiterzugehen, ist völlig richtig. Die Begründung dafür lieferte David Leggio in seinem Skype-Interview mit dem NHL Network gleich selbst. Dort erklärte er, dass es für einen Torhüter besser ist, sich einer 1:0-Situation bei einem Penalty auszusetzen als einem 2:0-Konter (wie damals in der AHL). Und auch nun vermutete er, erklärte er weiter, dass sich der Konter zu einer 2:0-Situation entwickelt. Das heißt, die Regel hat bislang für solche Situationen die sich nicht verfehlende Mannschaft benachteiligt. Nun muss ein Torhüter versuchen, den 2:0-Breakaway zu parieren (wie von Danny aus den Birken zwei Tage später bemerkenswert vorgeführt), weil dann die Chance auf eine Torverhinderung besteht. Verschiebt ein Goalie nun das Tor, gibt es in jedem Fall einen Treffer für den Gegner.
Also, DEL, hier habt ihr alles richtig gemacht.
2) Die Geldstrafe gegen David Leggio
Hier lehnt sich die DEL weit aus dem Fenster. Für die Aktion am zurückliegenden Freitag bekam David Leggio von der DEL eine Geldstrafe aufgebrummt. So sehr seine Aktion die Gemüter auch erregt, muss man an dieser Stelle auch mal Partei für den Torhüter ergreifen. Er hat nicht im Sinne, wohl aber nach den Buchstaben der Regeln gehandelt. Die Situation ist in Regel 130.3 der IIHF explizit genannt, die dafür vorgesehene Strafe ist ein Penalty. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr.
Die DEL begründet die Geldstrafe allerdings nicht mit der Aktion als solcher, sondern mit „grob unsportlichem Verhalten“. Und auch hier muss man klar sagen: Das Verschieben des Tores war grob unsportlich. Denn so, wie Leggio seine Aktion gegenüber dem NHL Network erklärt, war es ja kein Versehen in einer Spielsituation, kein Affekt – sondern wohl überlegt. Offenbar geht die DEL davon aus, dass er zwar nach den Buchstaben der Regeln mit dem Penalty bestraft wurde, dass der Torhüter gegen den tiefer liegenden Sinn aller Regeln – ein faires, sportliches Miteinander zu gewährleisten – verstoßen hat. Denn zum allgemeinen Empfinden, was Sportlichkeit ist, gehört es, sich auch schwierigen Situationen zu stellen, ohne etwaige Regellücken auszunutzen. Aus Respekt dem Gegner und dem Sport gegenüber.
Das Problem ist nur: Sportlichkeit – oder Unsportlichkeit – sind vergleichsweise subjektive Begriffe, müssten regeltechnisch klar definiert sein. Sollte sich Leggio gegen die Geldstrafe wehren, könnte er Chancen haben, drum herum zu kommen.
Ist dieser Punkt von den DEL-Verantwortlichen gut durchdacht? Es drängen sich Zweifel auf. Aber möglicherweise wollte die DEL auch einfach ein Zeichen setzen – mit der Möglichkeit, dass es nicht zur Geldstrafe kommt, sollte sich der Spieler dagegen wehren. Vielleicht aber akzeptiert Leggio diese Strafe –als Zeichen der Sportlichkeit.
Eine öffentliche und offizielle Aussage von ihm oder von seinem Club, wäre allerdings schön gewesen. Denn mal ehrlich, lieber EHC Red Bull München. Hätte eine Aussage dieser Art wehgetan: „Wir stehen hinter unserem Torhüter David Leggio. Er hat sich allerdings am Freitag unsportlich verhalten, was wir nicht gutheißen. Wir haben mit David Leggio gesprochen und sind uns sicher, dass er inzwischen unsere Meinung teilt und dass so etwas nicht mehr vorkommt.“ Hätte es diese Äußerung gegeben, hätte der Club hinter seinem Spieler gestanden und sich dennoch angemessen zur Sache geäußert. Schade um die verpasste Chance.