Harnos oder Reindl: Wer soll’s werden? Kandidatencheck

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Die Frage wäre leicht zu beantworten, würden die Eishockey-Fans und eben nicht die Mitglieder des DEB – das sind die dem DEB angeschlossenen Vereine sowie die Landesverbände – über diese Frage abstimmen. Uwe Harnos gilt, richtet man sich nach den Äußerungen der Fans in Foren und sozialen Netzwerken, für viele als „Persona non grata“. Mit dem aktuellen Amtsinhaber wird wie mit kaum einen anderen zuvor Misserfolg, Strukturschwäche und Perspektivlosigkeit verbunden.
Tatsächlich gibt es auch gravierende Gründe, die Clubs und Landesverbände dazu veranlassen werden, Franz Reindl zu wählen. Die Frage ist halt nur, ob es tatsächlich eine Mehrheit für den früheren Generalsekretär und Sportdirektor des DEB geben wird.

Den massiven Zorn der Zweitligisten zog Harnos bei den Verhandlungen des DEB mit der Deutschen Eishockey-Liga über einen neuen Kooperationsvertrag auf sich. Dabei verhielt sich der DEB-Präsident zumindest ungeschickt. Denn nach Darstellung der Zweitligisten ließ er sich das Versprechen abnehmen, einen Kooperationsvertrag mit der DEL nur dann zu unterschreiben, wenn es wieder einen direkten Auf- und Abstieg zwischen DEL und 2. Bundesliga gäbe. Nüchtern betrachtet war das Verhandlungsergebnis – das Angebot einer Relegation zwischen DEL und 2. Bundesliga – das Beste, was herauszuholen war. Weil aber Harnos trotz der Zusage dennoch unterschrieb, fühlten sich die Zweitligisten hintergangen. Könnte man hier noch das Ungeschick eines nicht haltbaren Versprechens auf Harnos-Seite und die nicht vorhandene Kompromissbereitschaft auf Zweitliga-Seite gegenüberstellen, eskalierte die Situation im vergangenen Sommer – und endete im Bruch der 2. Liga mit dem DEB.

Auch in jenem Zweitligastreit des Jahres 2013 hätte der DEB seine Argumente sicher vertreten können, doch zumindest die Verhandlungsweise – beispielsweise ist Harnos offenbar zu einigen Verhandlungsterminen trotz Zusage nicht erschienen – war, vorsichtig formuliert, nicht zielführend. Das Vertrauen der Zweitligisten war, bis auf zwei Vereine, die dem DEB die Treue halten wollten, gänzlich verloren. Die Folge war, dass sich die Clubs zur Gänze durchsetzten und die DEL2 die von der ESBG geführte 2. Bundesliga ablöste. Mehr Verhandlungsgeschick und Dialogbereitschaft hätte diesen Übergang mit einem weniger desaströsen Bild in der Öffentlichkeit vonstatten gehen lassen können – und vielleicht zu einem besseren Ziel geführt. Denn wäre nicht der direkte Anschluss an die DEL besser gewesen, wenn die Zweitligisten in den Profispielbetrieb integriert werden wollten, als mit der DEL2 ein „weiteres Schiff auf den Eishockey-Ozean zu schicken“, um ein Bild zu nutzen, das Franz Reindl kreiert hat?

Diese Art der Alleingänge setzen sich nun fort. In diesem Sommer unternahm der DEB den Versuch, die Ost-Staffel der Oberliga zu beseitigen und eine Reform des Oberliga-Systems herbeizuführen, ohne auch nur einmal mit den zuständigen Landesverbänden und vor allem mit den Vereinen ein Gespräch darüber zu führen, um zu einer mittelfristig angelegten und damit gesünderen Reform zu kommen. Auch jetzt ist der Modusstreit um die Oberliga der anstehenden Saison offenbar noch nicht beigelegt.

Dann sind da die Finanzen. Diese sollen zumindest 2011 in einem – auch wieder neutral formuliert – schlimmen Zustand gewesen sein. Wie es aktuell aussieht? Das wollten die Vereine im Vorfeld vom DEB wissen. Als Antwort verwies Harnos auf die anstehende Mitgliederversammlung, da es ja auch Interna ginge, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt seien. Nebenbei bemerkt: Der DEB ist ein eingetragener Verein. Also was ist hier nicht für die Öffentlichkeit bestimmt?
Und schließlich: Die Rechtsanwaltstätigkeit von Uwe Harnos für den DEB. Selbst wenn das formaljuristisch in Ordnung ist, ist es doch mindestens merkwürdig, wenn der DEB mit einem Präsidenten Harnos den Rechtsanwalt Harnos beauftragt haben sollte. Hier stellt sich die Frage des Interessenkonflikts und der moralischen „Machbarkeit“.  Das Ganze wird umso skurriler, wenn man in Betracht zieht, dass Harnos neben seiner Tätigkeit als an sich ja ehrenamtlicher Präsident (es gibt Anträge zur Offenlegung seiner juristischen „Bezüge“ als Anwalt für den DEB) gleichzeitig als Vizepräsident der Deutschen Eislauf-Union (DEU) fungiert und zwar mit Zuständigkeitsgebiet „Rechtsfragen und Verträge“. Es stellt sich die Frage, wie man bei den im deutschen Eishockey vorhandenen Mammutaufgaben ein zweites  Amt an der Spitze eines anderen Fachverbandes ausüben kann. Zudem muss sich Harnos die Frage gefallen lassen, ob er denn auch für die DEU juristische Vertretungen übernimmt.

Bei noch genauerer Betrachtung wundert sich der objektive Beobachter über die Strukturen im Verbandssport. Der Präsident jener Deutschen Eislauf-Union, Dieter Hillebrand, ist zugleich der Präsident des Bayerischen Eissport-Verbandes und somit der Mann an Harnos‘ Seite, welcher seinem Vizepräsidenten in der DEU am kommenden Samstag mit einer nicht geringen Anzahl von Stimmen Unterstützung zukommen lässt. Nebenbei bemerkt, findet die Wahl des neuen Präsidiums der DEU am Sonntag, 20. Juli, statt.

Und Franz Reindl? Ist er der perfekte Präsidentschaftskandidat für den DEB? Hier bleiben kritisch und neutral betrachtet sicher einige Punkte, denen er sich als Kandidat stellen muss.
1991 ging er erstmals zum DEB, wurde Co-Trainer, ehe er ein Jahr später das Amt des Sportdirektors übernahm. In den folgenden Jahren kamen viele weiter Ämter dazu – wie das des Generalsekretärs des DEB. In manchen Jahren hatte er bis zu drei offizielle Posten inne. So war er sowohl in der Verwaltung tätig als auch sportlich hauptverantwortlich. Die negative sportliche Entwicklung der Jahre ab 1993/94 fällt mit seiner Tätigkeit als Sportverantwortlicher zusammen, bis ihm dieses Amt von Harnos entzogen wurde. Das Nicht-Vorankommen, die Misserfolge in sportlicher Sicht gehören genauso dazu, wie ebenfalls Ämterkollisionen (Sportdirektor, Marketingverantwortlicher, Verwaltungsdirektor und Geschäftstellenleiter in Personalunion) und die Frage nach den Finanzen der letzten zehn Jahre. Hier bleibt aber klar festzuhalten: Laut DEB-Satzung liegt die Verantwortung für den Haushalt beim DEB-Präsidium.
Reindl war auch für die Weltmeisterschaften 2001 und 2010 im eigenen Land verantwortlich. Das ist auch bei der WM 2017 so. Das hieße: Ein DEB-Präsident Franz Reindl wäre gleichzeitig der bezahlte Orga-Chef der WM. Diese Tätigkeit kann Reindl mit Fug und Recht als sein Beruf bezeichnen – so wie Harnos den des Rechtsanwalts. Fakt ist aber: Die Beauftragung für die WM 2017, die Verträge mit Reindl als Orga-Chef wurden vom aktuellen DEB-Präsidium unterzeichnet. Es würde sich zumindest nicht um eine „Selbstbeauftragung“ handeln. Eine wirklich gelungene Ämter-Kombination wäre es dennoch nicht, auch wenn Franz Reindl betont, dass die Ziele eines DEB-Präsidenten und eines WM-Orga-Chefs nicht kollidieren würden.
Eine große Stärke des Reindl-Konzepts für eine DEB-Präsidentschaft ist in gewisser Weise auch seine Schwäche: Er will den Dialog und den Konsens, wenn es darum geht, Transparenz im Finanzhaushalt zu schaffen, die sportliche Entwicklung zu stärken und die verschiedenen Parteien des deutschen Eishockey wieder zusammenzuführen, um sie auf den Sport zu verpflichten und gemeinsam an einen Strang zu führen. Dieser Ansatz ist – um es klar zu sagen – goldrichtig. Es bedeutet aber auch, dass man kaum weiß, wie Reindl die Missstände des DEB bekämpfen will – weil eben zuerst der Dialog kommt. Eine größere Nähe zu den Profiligen dürfte es mit Reindl geben – so muss es auch sein, weil der DEB-Präsident nicht nur die DEB-Ligen und die Nationalmannschaft im Blick haben sollte, sondern das gesamte deutsche Eishockey. Er wird sich im Erfolgsfall aber daran messen lassen müssen, ob er auch die Interessen der „Kleinen“, sprich der Oberligisten und darunter angesiedelten Spielklassen im Blick behält, auch wenn diese nicht dem DEB, sondern den Landesverbänden angehören.
Was bleibt als Bilanz?
Bei einem DEB-Präsidenten Franz Reindl bleiben viele Fragen offen – auch weil sich ein neues Präsidium erst einmal einen Überblick über die Ist-Situation des DEB verschaffen muss, und zwar in jeglicher Hinsicht. Werden Gespräche über Zukunftsvisionen endlich mal ergebnisoffen und mit allen Seiten geführt, ist natürlich Erfolg nicht garantiert. So könnte die Hoffnung, die Eishockey-Deutschland mit einem DEB-Präsidenten verbindet, der nicht Harnos heißt, ein Bumerang werden, weil die Erwartungen zu groß sind. Die Tätigkeit als WM-Orga-Chef kann zudem eine Hypothek werden. Darüber hinaus war er lange für den DEB tätig, hat dort Verantwortung getragen. Das kann man negativ sehen – oder als Vorteil, weil er sich Anerkennung bei anderen nationalen Verbänden sowie beim internationalen Verband (IIHF) verschafft hat.
Für Harnos fällt die Bilanz allerdings deutlich negativer aus. Es ist dermaßen viel schief gelaufen, es wurde dermaßen viel Porzellan zerschlagen, dass die Wahl am Samstag für die Harnos-Gegner vor allem eine Abwahl des Amtsinhabers darstellt als eine Wahl eines neuen Präsidenten. Bejubelt würde daher wohl jeder, der Harnos folgen würde – sollte die Wahl so ausgehen. Was sich die Reindl-Skeptiker in den Reihen der Wahlberechtigten offenbar fragen, ist: Ist Reindl ein guter Kandidat? Oder ist er „nur“ ein besserer Kandidat? Und was bringt die Zukunft unter einem Präsidenten Reindl? Wäre ein Beibehalten des Status quo besser als das Wagnis, einen anderen Kandidaten als Harnos zu wählen? Sicherlich bleibt ebenso die Rolle des Präsidenten des LEV Sachsen-Anhalt, Andreas Werkling abzuwarten. Als neutraler Präsidiumskandidat und möglicher Vertreter der LEVs im DEB-Präsidium wäre dies mit Sicherheit eine organisatorisch sinnvolle Ergänzung eines neuen Führungsgremiums.
Das Problem des Kandidaten Harnos dagegen ist leicht zu beschreiben: Er könnte das Richtigste sagen, in der Öffentlichkeit würde es dennoch angezweifelt. Das nennt man in der Politik „verbrannt“.
Die Wahl Reindls wäre aufgrund seiner DEB-Vergangenheit sicher kein kompletter „Neuanfang“. Allerdings sind seine Kontakt zu anderen nationalen Verbänden und zum internationalen Verband (IIHF) ausgesprochen wichtig.
Der Samstag wird zeigen, wie sich die wahlberechtigten DEB-Mitglieder entscheiden.


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