Vergleich Deutschland und Schweiz - Teil 3

Als langjähriger NHL-Scout der sämtliche Juniorenauswahlmannschaften
und auch die Nationalteams bei zahlreichen internationalen Turnieren
begleitet, fühle ich mich befähigt, einen Vergleich dieser zwei
Nationen anzustellen:
Die Grundlagen
Die beiden Eishockeynationen Schweiz und Deutschland verbindet eine
jahrzehntelange, gesunde Rivalität. Die Rivalität wird konstruktiv
ausgelebt, d.h. die beiden Verbände arbeiten gut zusammen. Viele
Testspiele und gegenseitige Einladungen zu Turnieren auf allen Stufen
ist das erfreuliche Resultat. Dieser attraktive Konkurrenzkampf gründet
nicht nur auf der Nachbarschaft und der jeweiligen Derbystimmung
sondern auch auf der Tatsache der Ausgeglichenheit im
Stärkenverhältnis. Während Deutschland in den 70er bis 90er Jahren die
besseren Resultate aufweisen konnte, hat die Schweiz in den letzten
Jahren aufgeholt. Heute beurteile ich die Situation als ausgeglichen.
Trotzdem, wo liegen die Unterschiede?
Die
sportliche Zukunft
Die
Schweiz gibt sich meist damit zufrieden, gegen die Deutschen mithalten oder sie
besiegen zu können. Deutschland ist der Maßstab. Umgekehrt stelle ich dies
mindestens auf Juniorenebene ebenfalls fest. Ein großer Fehler aus meiner
Sicht! Ich bin kein Phantast und fordere keine Weltmeistertitel – dafür kenne
ich Kanada und Russland nur zu gut. Es gibt aber kaum Gründe die dafür
sprechen, warum wir (Deutschland und die Schweiz), uns nicht das Ziel setzen können,
zur Slovakei aufzuschließen. Beide Nationen müssen in absehbarer Zeit einen
Schritt nach vorne tun. Falls nein bedeutet dies nicht nur Treten an Ort sondern
Rückschritt. Allzu gerne vergessen wir, dass Nationen wie Lettland, Weißrussland,
Dänemark, Österreich und andere aufholen und nur darauf warten, uns im
Nationenranking auf den Plätzen 8 und 9 ablösen zu können. Lassen wir uns von
einzelnen positiven oder negativen Zufallsergebnissen nicht blenden wie z.B.
eine Halbfinalqualifikation oder wie jüngst der Deutsche Abstieg in die
B-Gruppe. Die Schweiz und Deutschland sind für mich aktuell die Nummern 8 und 9
im internationalen Leistungsvergleich. Der Vorsprung auf die Nationen auf den Plätzen
10-15 ist aber kleiner als der Rückstand auf die Nummer 7. Dies dürfen wir
nicht akzeptieren. Wir wollen und müssen besser werden! Ich postuliere eine
systematische Grundausbildung im Kindereishockey mit deutlich mehr lauf- und
stocktechnischen Drill-Elementen. Diese Drills müssen von hochqualifizierten
Technikern überwacht, in hoher Präzision und Intensität ausgeführt und in
endloser Wiederholung gefordert werden. Nichts für Sensibelchen und keine
Spielwiese für lustfördernde Ausbildungsmethoden sondern beinharte Arbeit mit
viel Schweiß und Entbehrungen. Diese unzimperliche Gangart schlage ich nur für
die allerbesten Talente vor, diejenigen mit echten Aussichten zum Profisport auf
höchstem Niveau. Für alle anderen liege ich voll auf der Linie der modernen Pädagogen,
sprich „die Freude am Sport durch spielerische Elemente fördern“. Zusätzlich
bin ich überzeugt, dass in beiden Ländern mindestens ein Leistungszentrum mit
einer schmalen Eisfläche (NHL-Dimensionen) als ergänzendes Praxiselement
gebaut werden sollte. Ja ich weiß, - all dies
kostet Geld, viel Geld, wobei wir bereits beim Thema Wirtschaftskraft
angelangt wären.
Die wirtschaftlichen
Aussichten
In
der Schweiz bezahlen die Clubs noch immer die höheren Saläre als in
Deutschland. Dieses Ungleichgewicht gerät aber ins Wanken denn viele Schweizer
Teams leben über ihren Verhältnissen, d.h. finanzielle Löcher werden von Mäzenen
gestopft. Das eigentliche Eishockey-Business in der Schweiz lässt auch für die
Spitzenspieler kein Direktorengehälter zu und dies liegt zum Teil an den völlig
veralteten, schrottreifen Stadien die alles andere als ein Ertragsfundament
bilden. Aktuell gibt es zwar Projekte für Sanierungen und Neubauten. Diese
Projekte muten aber im Vergleich zu den bereits erstellten Arenen in Deutschland
zweit- und drittklassig an. Mittelfristig bedeutet dies für die Teams in Köln,
Berlin, Mannheim, Hamburg etc. ein besseres wirtschaftliches Fundament für die
Zukunft als bei den Schweizer Teams. Voraussetzung ist aber, dass im Bereich
Marketing, Merchandising, Catering und Sponsoring professionell gearbeitet wird,
ansonsten eine moderne Arena wegen den nicht unerheblichen Unterhaltskosten zum
Bumerang werden kann. Trotzdem: Die deutlich besseren Stadien in Deutschland -
wie übrigens auch in Finnland, Schweden, Tschechien und Russland - als in der
Schweiz verheißen im internationalen Wirtschaftskraftwettbewerb nichts Gutes für
die Schweizer Clubs. In der Schweizer Liga werden mittelfristig wohl kleinere Brötchen
gebacken. Die Ausländer werden nicht mehr zweitklassig sondern nur noch
drittklassig sein. Die besten Schweizer Spieler werden vermehrt in ausländischen
Ligen anheuern. All dies wird sich aber nicht negativ auf die Nationalmannschaft
auswirken; ja – das Gegenteil könnte sogar der Fall sein. Die Schweizer
Top-Liga hingegen – die noch vor nicht allzu langer Zeit die am besten
bezahlende Liga neben der NHL war und dies mit einem hohen Unterhaltungswert -
wird im europäischen Vergleich an Bedeutung verlieren. Ähnlich wie die
Schweizer Super-League im Fußball. Die DEL hingegen könnte in Europa neben
Russland das Maß aller Dinge werden: Eine Liga mit guten Söldnern, mit
modernen und bequemen Arenen, mit neuen Zuschauerschichten und mit potenten
Sponsoren. All dies wird aber nicht automatisch zu einem Ungleichgewicht auf
Nationalmannschaftsebene führen. Die Schweizer Spieler werden vermehrt zu Söldnern
und dies wird sich wie im Fußball eher leistungsfördernd als leistungshemmend
auswirkend und die Schweizer Liga kann sich auf der Suche nach einem neuen
Selbstverständnis vielleicht als Ausbildungsliga profilieren. Gute
Zukunftsaussichten für Deutschland und die Schweiz wie ich meine – aber mit
umgekehrten Vorzeichen. Zudem: Deutschland ist für allfällig wieder
aufflackernde Pläne einer Europäischen Super-League – das theoretische europäische
Pendant zur NHL – mit seinen Stadien sehr gut gerüstet. Die eine oder andere
Deutsche Metropole dürfte in diesen Plänen ganz bestimmt eine Rolle spielen.
Thomas
Roost / Januar 2006