Jung und Wild top - Chancenverwertung FlopWM-Fazit
Nach der verpassten Olympia-Qualifikation war die WM in Minsk die einzige Möglichkeit, noch einmal Werbung für das deutsche Eishockey zu machen. Sogar auf NHL-Akteure konnte man sich als Eishockey-Fan freuen, ehe dann Goc getradet, Ehrhoff und Sulzer absagen mussten und Greiss gar nicht erst berücksichtigt wurde. Nun denn, Spieler gab es ja noch genügend und auch in der Vergangenheit musste man ohne die NHL-Legionäre auskommen. Dann flatterte aber eine Absage nach der anderen ins Haus von Pat Cortina. David Wolf gesperrt, Michael Wolf, Jerome Flaake, Dennis Endras, Patrick Reimer und André Rankel allesamt verletzt, angeschlagen, aus persönlichen Gründen keine Zeit und Motivation für die WM. Die Liste an Absagen erschien einem fast schon unendlich, so dass Cortina gezwungen war, auf den Nachwuchs rund um Draisaitl, Rieder, Grubauer und Co. zu bauen, mit Erfolg!
Der Nachwuchs überzeugt
Schon in den Vorbereitungsspielen zeigten die in Nordamerika spielenden Leon Draisaitl und Tobias Rieder, zu was sie auf dem Eis in der Lage sind. Im abschließenden Spiel gegen die USA belohnten sich dann die beiden Youngstars mit ihrem jeweils ersten WM-Tor. Zusammen mit Marcel Noebels, der bei seiner zweiten WM-Teilnahme ebenfalls sein erstes Tor erzielen konnte, haben die jungen Wilden zu überzeugen gewusst. Auch wenn die Jungen in Nordamerika spielen und früher oder später den Sprung in die NHL schaffen sollten, so wird dabei auch deutlich, dass die deutsche Nachwuchsarbeit aufgeholt hat und sich weiter entwickelt hat. Ein Weg, den man auch für die Zukunft unbedingt einhalten muss.
Kein Tor gelang bei seinem WM-Debüt hingegen Philipp Grubauer, aber das ist auch völlig egal, schließlich muss er als Torwart das Ganze ja auch verhindern. Nach seinem Shutout in der Vorbereitung gegen Russland in seinem ersten Länderspiel lieferte der Goalie der Washington Capitals auch in Minsk zwei starke Partien ab. Beim 3:2-Sieg über die Letten war er ein sicherer Rückhalt und das russische Starensemble hielt er lange Zeit am Rande der Verzweiflung. Ob es mit Grubauer anstelle von Rob Zepp zu mehr gereicht hätte, wurde schon zu genüge diskutiert; Fakt ist, dass Deutschland schon immer fähige Goalies hatte und auch in Zukunft haben wird.
Lobend zu erwähnen sei an dieser Stelle aber auch das disziplinierte Zweikampfverhalten der deutschen Mannschaft. Im Schnitt nahm man pro Spiel lediglich sechs Strafminuten (insgesamt 22 Mal zwei Strafminuten; 44) und hat damit nach sieben Spielen am wenigsten Zeit auf der Strafbank verbracht. Hinzu kommt, dass gerade in den letzten drei Spielen gegen Weißrussland, Russland und die USA einige fragwürdige Strafen ausgesprochen wurden. Das schönste Beispiel dabei der Zweikampf zwischen Seidenberg und Ovechkin, bei dem der Russe wegrutscht, das Schiedsrichtergespann hoher Stock pfeift, aber Marcus Kink in die Kühlbox schickt. Wenn man dann mal Unterzahl spielen musste, so verstand es die deutsche Mannschaft eigentlich ganz gut, das Spiel des Gegners zu stören. Auch eine zweiminütige doppelte Unterzahl gegen Russland überstand man ohne Gegentor.
Übrigens sollte man aus den kassierten Strafen nicht den Schluss ziehen, dass die Nationalmannschaft vielleicht zu brav gespielt habe. Bis auf wenige Ausnahmen wurden die Checks gut und fair zu Ende gefahren und man gab kaum einen Zweikampf verloren. Dabei bekam vor allem das „neue” Mannheim-Duo Dennis Reul (4 Spiele, +/- 0) und Sinan Akdag (7 Spiele, +/- +1) von TV-Experte Rick Goldmann lobende Worte.
Überzahl und Chancenverwertung
Für den deutschen Fan ist es schon beinahe ein ewiges Leid-Thema: Die deutschen Spieler können auf internationaler Ebene einfach keine Tore schießen. Natürlich macht sich das Fehlen eines Reimers, Greilingers und Co. in der Offensive durchaus bemerkbar, aber das sollte die anderen Akteure in keinster Weise davon freisprechen, nicht auch einmal einzunetzen. Während ein Felix Schütz oftmals zu verspielt vor dem gegnerischen Tor wirkte, hatte Alexander Barta wohl in der Partie gegen die Schweiz zu wenig Zielwasser in seiner Trinkflasche. Auch Frank Mauer, dem in Mannheim schon der „Chancentod” nachgesagt wird, verstand es, hochkarätige Möglichkeiten liegen zu lassen.
Diese Fahrlässigkeit zog sich durch das gesamte Turnier, erschreckend dabei auch die Überzahl-Auswertung. Nur drei Tore bei 28 Überzahlsituationen bedeutet in der Statistik nach sieben Partien den vorletzten Platz und ist definitiv zu wenig. Sinnbildlich für das Überzahl-Spiel steht dabei Mauers Treffer zum Auftakt gegen Kasachstan, als die Scheibe mit Ach und Krach und einer Menge Glück über die Linie getrudelt ist. Erst gegen Ende des Turniers und vor allem gegen die USA gelang es der Nationalmannschaft, nicht nur ein funktionierendes Überzahlspiel aufzubauen und zu verwerten, sondern auch endlich einmal die Fehler des Gegners auszunutzen und in Tore umzuwerten.
Während auf der einen Seite Grubauer zu überzeugen wusste, geriet auf der anderen Seite Cortinas Nummer eins Rob Zepp immer mehr in die Kritik. Viele Fans machen ihn noch immer für die verpatzte Olympia-Teilnahme verantwortlich und auch in der laufenden Saison machte er im Berliner Tor nicht immer den sichersten Rückhalt. Trotz fehlender Konstanz, Sicherheit und Verletzungen baute Cortina in den entscheidenden Spielen auf Zepp und muss sich nun der Kritik stellen.
Fast schon belustigend ist das alljährliche „Sommertheater”, das sich während so einer Phase immer bildet. Ob es nun der Streit zwischen der DEL und der DEL2, den verschiedenen Oberligen oder mal wieder der Deutsche Eishockey-Bund selber sind, es gibt immer wieder neuen Gesprächsstoff. Schließlich müssen die Medien ja auch nach der WM irgendetwas haben, worüber sie schreiben können. Transfers der Vereine oder Berichte zur Vorbereitung genügen nicht mehr.
Fazit aber positiv
Dennoch sollte man nicht alles so schwarz sehen. Die Nationalmannschaft hat phasenweise gut mitgehalten und eine solide WM gespielt. Die Platzierung spiegelt mit Sicherheit nicht das wider, was die deutsche Mannschaft auf dem Eis geleistet hat. Dass mit ein bisschen mehr Scheibenglück mehr drin gewesen wäre, steht sicherlich außer Frage. Der Nachwuchs hat gezeigt, wohin es in Zukunft gehen kann mit dem deutschen Eishockey, wenn man den eingeschlagenen Weg beibehält.