Neujahrslust – oder doch eher Frust?Eishockey, seine Fans und die Pandemie – ein Kommentar
(Foto: Imago)Kurz zuvor: Ich mache mich wie jede Woche auf den Weg. Landshut, das Eisstadion am Gutenbergweg ist mein Ziel, Heimspielstätte des EV Landshut. Normalerweise ist hier immer was los. Im letzten Jahr hatte der damalige Aufsteiger mit knapp 3000 Besuchern immerhin den viertbesten Zuschauerschnitt der DEL2. Menschen in der Schlange am Einlass, drinnen füllen sich die Ränge, draußen wird gefachsimpelt und diskutiert, wie das Spiel wohl laufen wird.
Und heute: Außer ein paar Spaziergängern kommt mir niemand entgegen, auf meinem Weg zum Stadion bin ich ganz allein – keine Schals, keine Trikots, keine Fachsimpelei, keine Diskussionen, kein Gesang. Obwohl – schon von weitem höre ich die Musik, die im Stadion beziehungsweise der Baustelle gespielt wird. Die Stehplatztribüne ist noch nicht fertig und daher offen, passt irgendwie ins Bild.
Dort angekommen, werde ich von einigen freundlichen Ordnern in Empfang genommen: Fieber messen, Erklärung abgeben, symptomfrei zu sein und mit niemandem Kontakt gehabt zu haben, der positiv getestet wurde – das Übliche in der aktuellen Zeit. Und natürlich die Maske, die ich die ganze Zeit über tragen darf. Eishockeyfest geht anders.
Hinein ins Vergnügen – hieß es früher. Nun geht es hinein in die Tristesse, leere Ränge. Die Spieler wärmen sich auf, wie bei jedem anderen Spiel auch. Ich bahne mir meinen Weg auf die Pressetribüne. Das Team der Liveübertragung, meine Kollegen der schreibenden Zunft, Ordner, Zeitnehmer und einige andere ehrenamtliche Helfer – keine Fans. Gewöhnungsbedürftig, aber es ist nun mal so.
2020, ein Jahr wie kein anderes. Lockdown – wohl der Favorit auf das Unwort des Jahres. Corona und seine Folgen: Es hat Einfluss auf unser aller Leben. Deutschland und die Welt haben freilich größere Probleme als die Durchführung von Profisport mit Zuschauern: Quarantäne, Infektionen, Todesfälle. Mithilfe der Impfung sei das Licht am Ende des Tunnels erkennbar, heißt es aus der Politik. Wollen wir es hoffen.
Bevor ich weiter darüber nachdenken kann, fällt die Scheibe, 19.30 Uhr, an die Arbeit. Ich mache meine Notizen, halte meine Eindrücke mithilfe meines Diktiergerätes auch stimmlich fest, beobachte aufmerksam, was dieses Mal auf dem Eis so vor sich geht. Das Bild auf den Rängen ist ja seit Wochen das Gleiche. Die Teddybären, die sie hier in Landshut im November auf die leeren Plätze setzten, waren schön anzusehen. Eine nette Idee, die bei vielen Fans auf Zustimmung stieß – am Ende war es immerhin eine vierstellige Anzahl an flauschigen Besuchern. Für eine lebhafte Atmosphäre sorgten aber auch sie nicht.
Spielende, ran an den Laptop, schreiben. Kurz bevor ich rausgeschmissen werde, bin ich fertig, schicke meinen Text ab, verlasse das nun komplett leere Stadion. Auf dem Weg nach Hause gucke ich hektisch in meine Mappe, ob ich die Bescheinigung der Redaktion dabeihabe, falls ich zu später Stunde noch kontrolliert werden sollte – es herrscht ja Ausgangssperre. Ich frage mich, wie lange das wohl noch so weiter gehen wird: Sport unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Spiele vor leeren Rängen. Wie lange kann das gut gehen für die Klubs, vor allem wirtschaftlich?
Am Ende ist das Fehlen von Zuschauern aber eines der kleineren Probleme, das uns in der aktuellen Zeit begleitet und wohl auch noch eine Weile begleiten wird. Und doch ist es eine Tatsache, die vielen Sportfans zu schaffen macht. Wenigstens kann man seine Helden noch auf der eigenen Wohnzimmercouch mit der Familie verfolgen – ein schwacher Trost, aber immerhin wird überhaupt Eishockey gespielt.
Kontakte beschränken, Vorschriften befolgen, Maske tragen, zusammenhalten. Wir werden alle unseren Beitrag dazu leisten müssen, diese Krise zu überwinden und die Pandemie einzudämmen, damit es möglichst bald wieder heißt:
Freitag, 19.30 Uhr. Die Scheibe fällt, das Spiel geht los, auf dem Eis geht es heiß her! Die Fans geben alles, die Hütte ist voll, die Halle bebt!