Das Prinzip der Tatsachenentscheidung – Fluch oder Segen?!Hätte, wäre, wenn… ein Kommentar

Hühnerdieb, der Schiedsrichter hebt Gummihühner vom Eis auf. (picture alliance)Hühnerdieb, der Schiedsrichter hebt Gummihühner vom Eis auf. (picture alliance)
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Freud und Leid liegen oft nahe beieinander, in diesem Fall auch geographisch. Während in der sächsischen Hauptstadt Glückseligkeit ob des Erreichens des direkten Klassenerhalts in letzter Sekunde herrscht, überwiegt rund 100km entfernt in Weißwasser die Enttäuschung darüber, dass es nach 52 Spieltagen nur zu Platz elf und den Playdowns reichte. Bei einigen Fans mag diese nun wohl dem Ärger über eine Schiedsrichterentscheidung weichen, die vermeintlich Platz 10 kostete.

Das Spiel in der Energieverbund-Arena bot sowieso schon einen Verlauf, den sich selbst Alfred Hitchcock nicht hätte ausdenken können. Tölzer Tore in der ersten Minute und in der allerletzten Sekunde (!) umrahmten diese spannende Begegnung, an deren Ende je zwei Tore und ein Punkt für beide Mannschaften standen. Durch den Heimsieg der Füchse gegen den EVL musste Dresden den zweiten Punkt unbedingt holen, um die Playdowns zu vermeiden. Und in bereits besagtem Penaltyschießen reichte der eine Treffer von Petr Pohl – Dresden erreichte die Pre-Playoffs und schickte damit Weißwasser in die Abstiegsspiele… zu Unrecht?

Wenn man dem klaren Statement der Liga Glauben schenken mag, ja! Wenn man die überwiegende Mehrheit der Füchse-Anhänger hört, ja! Bei Befragungen in Dresden, nein! - Diskussionen vorprogrammiert, das vereinzelte verbale Eindreschen auf die Schiedsrichter ebenfalls. ABER: Die Tabelle lügt nicht, schon gar nicht nach 52 Spieltagen. Das mag vielleicht ein hartes Fazit sein, wenn man es mit den Weißwasseranern hält, aber nach dem Prinzip der Tatsachenentscheidung stehen sowohl der Zwei-Punkte-Sieg der Eislöwen als auch die Konstellationen für die Endrunde – und das ist auch gut so!

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass das Spiel nicht unbedingt pro Tölz geendet hätte. Wäre der Treffer von Dibelka anerkannt worden und hätten alle weiteren Schützen exakt gleich agiert, wäre der Krimi beim Stand von 1:1 im Shootout fortgesetzt worden. Behauptungen, wer dann die Nase vorne behalten hätte, wären reine Spekulationen. Es bleibt auch zumindest fraglich, ob Petr Pohl mit dem Druck des Rückstandes seinen Versuch ähnlich souverän verwandelt hätte, wie er es letztlich getan hat. Wer sich die Zeit nimmt, die Anzahl der Wörter „hätte“ und „wäre“ zählt und schon einmal über den Begriff des Konjunktivs gestolpert ist, erkennt, wie wackelig und hypothetisch derartige Gedankenspiele sind!

Dennoch gibt es Stimmen, die ein Wiederholungsspiel fordern. Eine derart kurzsichtige Maßnahme würde die Situation aber nur verschlimmern: Zugegeben, der Zeitpunkt - Penaltyschießen am letzten, alles entscheidenden Spieltag - ist mehr als ungünstig, aber was wäre denn los, wenn im deutschen Profieishockey auf einmal jedes Spiel, in dem sich eine von den Schiedsrichtern getroffene Entscheidung im Nachhinein als nicht korrekt herausstellt, wiederholt wird? – Unüberschaubares Chaos! Im selben Atemzug muss die Frage gestellt werden, wie diese Situation betrachtet worden wäre, hätte sie am 23.Spieltag stattgefunden?! Dann gäbe es vermutlich einen kurzen Aufschrei der Fans, einen entnervten Trainer in der Pressekonferenz, vom gegnerischen Coach meist noch die übliche Phrase, dass sich so etwas im Verlaufe einer langen Saison alles ausgleiche und zwei Tage später kräht kein Hahn mehr danach! Wo wir schon bei solchen Vergleichen sind: Am Freitag erzielten die Eislöwen aus Dresden in Frankfurt ein Tor, das umstrittener Weise wieder aberkannt wurde… Ein Ausgleich von Vorteil und Benachteiligung innerhalb eines Wochenendes?!

Wie dem auch sei: Die Tabelle am Ende der langen Hauptrunde lügt nicht. Und nicht nur das, sie ist in hohem Maße ehrlich. Der Verlauf der Ereignisse vergangenen Sonntag war zweifelsohne äußerst unglücklich für die Lausitzer Füchse, aber an diesem einen Spiel, an dieser einen Aktion und dieser einen Schiedsrichterentscheidung in Dresden lag es nicht, dass Weißwasser nach 52 Spielen Rang elf belegt.

Diese Ehrlichkeit der Tabelle ist vor allem einer Gruppe von Personen anzurechnen: den Schiedsrichtern. Sie sind ein beliebtes Opfer, wenn es bei der eigenen Mannschaft gerade nicht so läuft und sind sehr schnell die Buhmänner, sollte eine Entscheidung mal nicht dem Fanempfinden entsprechen. Ihre Fehler bleiben im Gedächtnis, ihre guten Leistungen, die die große Mehrzahl der Auftritte und Entscheidungen der Mannen in Schwarz-Weiß darstellt, werden als selbstverständlich abgetan. Diese Einstellung und dieses Bewusstsein sind einfach nur falsch! Auch an besagtem Sonntag in der sächsischen Landeshauptstadt taten die Referees ihr Bestes. Bei Dibelkas Penalty lautete die On-Ice-Entscheidung „kein Tor“. Auch nach Studium der Videobilder blieben sie dabei, weil sie auch nach Ansicht der Aufnahmen dies für das Richtige hielten. Dass sich ihr Urteil als falsch herausstellte, wurde von der Liga erst durch eine „umfangreiche interne Auswertung“ (DEL 2 Facebook) bestimmt, was die Schwierigkeit der richtigen Entscheidungsfindung in der betreffenden Situation unterstreicht.

Neuansetzung, Wertung am grünen Tisch, Wiederholungspiel… alles Hirngespinste in Folge von Enttäuschung, Ärger und Überreaktion. So tragisch das aus Füchse-Sicht auch klingen mag: Es ist das einzig richtige, die Wertung des Spiels so zu belassen wie sie ist. Das Infragestellen oder gar die Abschaffung der Tatsachenentscheidung und damit das Angreifen der Autorität der Schiedsrichter würde ein bodenloses Fass an Diskussionsstoff öffnen, was zur Folge haben würde, dass pro Wochenende bei acht Spielen eine Wiederholung diskutiert werden würde. Das würde Eishockey-Anarchie bedeuten und unseren schönen Sport töten! Und das kann keiner, der auch nur im Entferntesten dieses Spiel mag, wollen!

Ich freue mich jetzt auf die Endrundenspiele, Playoffs wie Playdowns, und ich bin mir sicher, dass die Schiedsrichter alle Spiele nach bestem Wissen und Gewissen gut leiten werden!


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