Franz Reindl: „Diese Satzung ist auch ein Sanierungskonzept“Interview mit dem DEB-Präsidenten vor der Mitgliederversammlung

Am 18. April treffen sich die Mitglieder des Deutschen Eishockey-Bundes – also Vereine und Landes-Eissport-Verbände – um über eine neue Satzung des Verbandes abzustimmen. Wie schon bei der Wahl von Franz Reindl zum DEB-Präsidenten findet die Versammlung in Frankfurt statt. Und wieder dürfte es zu umfangreichen Diskussionen kommen – und zu einer Abstimmung mit ungewissem Ausgang. Im Vorfeld sprach Hockeyweb mit Franz Reindl über die Satzung, die den Mitgliedern nun vorgelegt wird.
Herr Reindl, was erwarten sie von der Versammlung am 18. April? Angesichts der Stimmverhältnisse, die ja auch Teil eines Änderungspaketes sind, ist von einer knappen Entscheidung auszugehen.
- Franz Reindl: „Bevor wir über Stimmverhältnisse sprechen, möchte ich eines festhalten: Es geht hier um den Sport. Das steht für die anderen Präsidiumsmitglieder und mich immer im Mittelpunkt. Genau das haben wir bei unserer Wahl angekündigt, genau das wollen wir umsetzen. Wir müssen den Sport verbessern. Darum geht es bei der geplanten Satzungsänderung. Der zweite Punkt sind die Finanzen des Verbandes, die konsolidiert werden müssen. Punkt drei ist das Strukturelle. Wir sind in der glücklichen Lage, dass die Profis, also die DEL und DEL2, wieder ins Boot kommen wollen. Das ist ein Glücksfall. Alle haben erkannt, dass die Nationalmannschaft unser Motor ist. Und im Rahmen des Eintritts der DEL und der DEL2 in den Verband kommen auch die Stimmverhältnisse ins Spiel.“
Fangen wir mit dem dritten Punkt an. Wie sollen sich die Stimmanteile verändern?
- Franz Reindl: „Bislang ist es ja so, dass alle Landesverbände zusammen 50 Prozent der Stimmanteile halten. Nach der geplanten Aufnahme der Profis soll sich das wie folgt aufteilen: DEL ein Drittel, DEL2 ein Sechstel, weitere DEB-Clubs ein Sechstel, Landesverbände ein Drittel. Natürlich müssen andere, also auch die Landesverbände, auf Stimmanteile verzichten, wenn wir die Profis aufnehmen, aber alleine schon im Hinblick auf die Konsolidierung der Finanzen ist das ungeheuer wichtig. Und für alle wichtigen Änderungen, die einer Satzungsänderung bedürfen, braucht man eine Mehrheit von 75 Prozent, sodass es eine Schutzminorität für die Landesverbände gibt. Sie können in wichtigen Dingen also nicht einfach übergangen werden. Kleinere Entscheidungen, die zudem schnell getroffen werden müssen, können mit einfacher Mehrheit beschlossen werden. Ich denke, das ist allen Beteiligten gegenüber fair.“
Sie sprachen die Finanzen an. Wie soll sich die Finanzierung des DEB verändern – wie will man wegkommen vom „Wir-hangeln-uns-von-Heim-WM-zu-Heim-WM“-Ansatz?
- Franz Reindl: „Das geht nur über einen Solidarbeitrag aller Beteiligten. Die Profis sind, wie ausgeführt, bereit, einen sehr großen Anteil zu leisten. Insgesamt beliefen sich die Mitgliedsabgaben für beide Profiligen zusammen auf rund 200.000 Euro. Außerdem wollen wir eine Lizenzgebühr für Aktive, also Spieler, Trainer und Schiedsrichter, einführen. Die beliefe sich im Schnitt auf zehn Euro im Jahr. Bei etwa 30.000 Aktiven beliefe sich der Erlös auf 300.000 Euro. Zudem sollen die Zahlungen gegenüber den Landesverbänden gesenkt werden. Neben rechtlichen Problemen nimmt der DEB den LEVs Arbeit und Verantwortung ab, so dass das gerechtfertigt ist.“
Sie spielen damit wahrscheinlich darauf an, dass künftig Nachwuchsligen unter dem Dach des DEB bis hinunter zu den Bambini geplant sind. Die großen LEVs kritisieren, dass der Aufwand dafür auf Seiten des DEB viel zu groß wird und die Kosten für die Vereine explodieren – ähnlich wie bei der geplanten Reform der Oberliga, die künftig nur noch unter DEB-Regie durchgeführt werden soll. Warum will der DEB auf einmal selbst für die jüngsten Altersklassen eigene Ligen anbieten und dies nicht mehr den LEVs überlassen?
- Franz Reindl: „Das ist ein Teil des ganzheitlichen Sportkonzepts. Alles, was wir erarbeitet haben, entspringt den Ideen und Gesprächen des Dialogtages im November. Jeder konnte daran teilnehmen. Es gibt rund 58 DEB-Clubs, die vom DEB betreut werden, die weiteren ca. 160 Vereine werden durch die LEVs betreut. Bislang haben wir in der Nachwuchsförderung eine horizontale Trennung – wir wollen zu einer vertikalen Trennung kommen. Das heißt, die Verbandsmaßnahmen bis zur U15 veranstalten bislang die Landesverbände, danach übernimmt der DEB für die älteren Altersklassen. Aber die DEB-Clubs fragen sich, warum der DEB sie nicht komplett betreut, wenn sie doch Mitglied im DEB sind. Hier geht es nicht um die Entmachtung der Landesverbände, das möchte ich betonen. Am liebsten wäre mir und meinen Präsidiumsmitgliedern, dass wir diese Ideen mit den LEVs in Kooperation durchführen, solange die Landes-Eissport-Verbände die Richtlinienkompetenz des DEB anerkennen. Dazu sind einige LEVs durchaus bereit.“
Und wie sollen sich die DEB-Nachwuchsligen aufstellen? Der Kritikpunkt von den großen Verbänden aus Nordrhein-Westfalen und Bayern ist doch berechtigt, dass Kosten explodieren, wenn plötzlich auch die jüngeren Altersklassen weite Fahrten auf sich nehmen müssen.
- Franz Reindl: „Nein, das ist er nicht. Wir wollen natürlich auch weiterhin die Ligen regional einteilen. Am Ende soll es dann Finalturniere geben. Zudem sind wir flexibler, weil wir uns nicht an die Landesgrenzen halten müssen. Ein bayrischer Verein, der 30 Kilometer von der baden-württembergischen Grenze entfernt liegt, könnte dann doch besser in eine Gruppe mit Vereinen aus Baden-Württemberg eingeteilt werden. So arbeiten der DEB mit seinen Clubs und die LEVs mit ihren Clubs parallel – und das im besten Fall miteinander. Denn ich will an dieser Stelle auch einmal sagen, wie sehr ich die ehrenamtliche Arbeit der Landesverbände schätze.“
Der nächste Punkt ist die Oberliga. Ein durchaus berechtigter Einwand der Landesverbände ist, dass das „Zwei-Oberligen-Modell“ in der jüngeren Vergangenheit bereits zweimal gescheitert ist. Wäre das „Übergangsmodell“ mit zwei Staffeln für die geographisch ja viel größere Oberliga Nord, die dann ab Dezember/Januar zu einer starken Endrunde verzahnt, nicht das bessere Modell für die Zukunft – und zudem ein möglicher Kompromiss mit den Landesverbänden?
- Franz Reindl: „Lasst uns doch erst einmal sehen, wie sich das im ersten Jahr entwickelt. Natürlich wäre auch diese Variante für die Zukunft denkbar. Es ist ja richtig, dass die geplante große Oberliga Nord mit 14 Bundesländern ein klar größeres Gebiet abdeckt. Wichtig ist uns aber, dass für alle Oberligisten die gleichen Voraussetzungen gelten – beispielsweise was die Einzahlungen in den so genannten Reindl-Pool angeht. Alle Oberligisten sollen die gleichen Rechte und Pflichten haben. Sicher wird es Vereine geben, die sich das nicht leisten können. Jeder Club soll sich realistisch einschätzen. Das stärkt dann auch die Top-Ligen der Landesverbände, ob sie nun Regionalliga oder Bayernliga heißen. Aber mit dem Prädikat Oberliga muss ein gewisser Anspruch verbunden sein.“
Die fest angestellten Bundestrainer sollen künftig deutlich mehr Aufgaben übernehmen – darüber wurden die Vereine auf Informationsveranstaltungen in letzter Zeit unterrichtet. Worum geht es da?
- Franz Reindl: „Von der U20 bis zur U16 wollen wir fünf Bundestrainer beschäftigen. Rund 35 Arbeitstage nehmen die Lehrgänge der jeweiligen Nationalmannschaften in Anspruch. Da bleiben noch rund 300 Arbeitstage übrig. Jeder dieser Bundestrainer soll zehn bis zwölf DEB-Clubs betreuen – und dort immer wieder vor Ort sein, soll die Coaches coachen, soll mit den Nachwuchsmannschaften aufs Eis gehen, soll überprüfen und helfen, dass gute Nachwuchsarbeit geleistet wird. Das ist auch eine große Unterstützung für die Clubs. Und das hilft uns auch, Talente früher zu erkennen zu fördern.“
Die Zustimmung einiger Landesverbände ist alles andere als gewiss. Wie knapp wird es?
- Franz Reindl: „Ich glaube, dass es sehr knapp wird, aber wir werben für die neue Satzung – denn sie ist auch ein Sanierungskonzept. Ohne diese Reform ist der Verband 2018 finanziell am Ende. Jetzt wollen die Profis dazukommen und uns helfen, uns strukturell ganz neu aufzustellen. Es kann doch nicht sein, dass wir – unter anderem beim Dialogtag und bei der folgenden Mitgliederversammlung im November – den Auftrag zu dieser Reform bekommen und sich dann einige wundern, dass der DEB das nun auch umsetzen will.
Von Kritikern ist etwas in der Art zu hören wie: ‚Der Reindl war doch selbst in den letzten 20 Jahren beim DEB. Also trägt er doch selbst Schuld am aktuellen Zustand.' Ärgern sie solchen Aussagen?
- Franz Reindl: „Nein, das ärgert mich nicht – weil es ja stimmt. Gewisse Dinge wurden früher nur auf Präsidialebene entschieden, da genügt ein Blick in die Satzung und die Verantwortungsfrage zu klären. Aber Fakt ist, dass ich 20 Jahre dabei war, wobei ich schon denke, dass ich die mir übertragenen Aufgaben, dort wo ich wirklich Handlungsfreiheit hatte, wie bei den Heim-Weltmeisterschaften 2001 und 2010 oder mit der Nationalmannschaft mit den Bundestrainern Zach und Krupp, gut gelöst habe. Es geht hier auch nicht darum, zu sagen, die anderen seien schuld. Wir alle, und damit meine ich alle Handelnden, sind schuld. Aber mit meiner Wahl zum DEB-Präsidenten habe ich mich gemeinsam mit meinen Präsidiumskollegen den Mitgliedern des Verbandes verpflichtet, die erweiterte Richtlinienkompetenz, die diese Position mit sich bringt, nun auch dafür zu nutzen, die Dinge zu verbessern. Denn so, wie sie bisher gelaufen sind, haben sie ja ganz offenbar nicht funktioniert. Deshalb haben wir unser Programm „Powerplay 26“ entwickelt, welches die strukturellen Grundlagen dafür schafft, dass wir uns sportlich endlich so entwickeln, wie es das deutsche Eishockey verdient. In der Neuaufstellung, die wir mit diesem Programm jetzt anstreben, liegt eine Chance, die so schnell nicht wiederkommt, denn erstmals nach Jahren der Dissonanzen und der Zersplitterung können wir es schaffen, dass alle Beteiligten gleichberechtigt an Bord kommen. Daran sollte jeder, der es mit unserem großartigen Sport ernst meint, ein Interesse haben, denn es ist doch ganz klar: Mit einem sportlich erfolgreichen Verband, dessen Geschicke von allen großen Interessenparteien des deutschen Eishockeys gemeinsam gelenkt werden, wird es auf lange Sicht allen Beteiligten besser gehen.“