Seriensieg der Indians dem „Reisemarschall“ gewidmetHannover wirft Nord-Meister Herne raus

Gedenken für Axel Glusa und Wolfgang Fobbe
Bevor jedoch der Puck für das erste entscheidende Spiel, bei einem Erfolg des HEV hätte es am Sonntag in Herne das absolute Entscheidungsspiel gegeben, eingeworfen wurde, war es nach der üblichen Einlaufshow ruhig. Sehr ruhig, denn es wurde an zwei Menschen gedacht, die den EC Hannover Indians über Jahre, ja sogar über Jahrzehnte gedient haben und deren Tod ein großer Verlust nicht nur für die jeweilige Familie, sondern auch für den Verein darstellt. Zum einen wurde an Axel Glusa gedacht, der sich zusammen mit seiner Frau Bea bei der Sponsorengewinnung für den ECH einsetzte und zum anderen an Wolfgang Fobbe. Fobbe war bis 2016 Leiter des Ordnungsdienstes, gründete in den siebziger Jahren den Fanclub Hannover und war zwischen 1975 und 2000 hauptsächlich als Organisator unzähliger Auswärtsfahrten als „Reisemarschall“ bekannt. Später organisierte und leitete er den Ordnungsdienst, bis ihn eine schwere Krankheit stoppte und er im Oktober 2016 von seinen Ämtern zurücktrat.
Auch wenn es keinen direkten Zusammenhang gab, man kann es so nehmen. Die Serie zwischen den Hannover Indians und dem Herner EV hätte dem Reisemarschall gefallen, denn sie beinhaltete alles: Tolle Spiele, unglaubliche Emotionen, Kampf bis zum Umfallen auf beiden Seiten und Spannung pur bis zur letzten Sekunde. Daher wäre es nur legitim, wenn die Indians diesen Seriensieg ihrem Reisemarschall posthum widmeten.
Endlich ein elektrisierendes und faires Spiel
Die Begegnung zwischen dem Underdog aus Hannover und dem vor der Serie klar favorisierten Meister aus Herne war dann endlich das Spiel, von dem sich alle elektrisieren lassen durften. Klasse Spielzüge, immerhin sechs Tore, nur 18 Strafminuten nach nahezu 400 in drei Spielen zuvor, Hochspannung, ein Penalty, ein aus dem Tor genommener Keeper und krachende Checks (fast ohne Verletzungsgefahr) sowie zwei Torhüter, die sich in ihrer Hochform kaum etwas nahmen.
Dass der Meister offensiv beginnen würde, war zu erwarten. Hernes Coach Frank Petrozza vor dem Spiel auf der vereinseigenen Homepage: „Meine Mannschaft hat gerade in dieser Spielzeit schon sehr viel erreicht und auch in engen Begegnungen unter Beweis gestellt, dass sie in der Lage ist, alles zu geben und auch Rückstände aufholen. Daran knüpfe ich meinen Optimismus, dass wir noch nicht frühzeitig in die Sommerpause gehen müssen.“ Die Indians mussten sich erst einmal in der Defensive finden, mussten sie jedoch auf drei Stammverteidiger verzichten und so stand von Beginn an das Tor von Keeper Mirko Pantkowski unter Druck. Snetsinger hätte bereits in der vierten Minute das 0:1 markieren müssen, scheiterte aber am hannoverschen Keeper, der wiederum mit seiner stoischen Ruhe zu einem der Hauptaktivpunkte der Indians wurde. Mitten in dieser Druckphase fiel dann das überraschende 1:0. Nieberle leistete sich einen Stockschlag und die Indians schienen das Geschenk des Powerplays nicht annehmen zu wollen. 90 Sekunden verplemperten sie beim Versuch, eine gefährliche Powerplay-Formation aufzubauen und als jeder schon mit einem Scheitern rechnete, setzten sich Pohl und Grass vor dem Tor von HEV-Keeper Weidekamp fest, stocherten zwar vergeblich, aber der Puck kam zu Robby Hein und der hatte keine Mühe, die Scheibe über die Linie zu bugsieren. Das 1:0 entsprach nicht ganz dem bis dahin gültigen Spielverlauf aber so ist halt Eishockey. Die Ruhrstädter zeigten sich unbeeindruckt, griffen weiterhin an und als Hein auf die Strafbank musste, hätten Snetsinger aber auch Kreuzmann für den Ausgleich sorgen müssen, wenn nicht Pantkowski mehrfach blendend reagiert hätte. Auf der anderen Seite waren die Indians durchaus nicht untätig, bekamen ebenfalls die Möglichkeit zur Ergebniserhöhung und eine von diesen war in der 18. Minute erfolgreich, als Pohl sich an der Bande durchsetzte, Pohanka ins Spiel brachte und der direkt vor Weidekamp per Rückhand das 2:0 erzielte. Das Stadion tobte aber war das bereits die Entscheidung?
Indians waren Herr im Haus
Das zweite Drittel begann wie das erste geendet hatte. Die Herner wollten den Anschluss förmlich erzwingen aber bereits jetzt wurde deutlich, dass sie in den drei Spielen zuvor viel Kraft gelassen hatten. Die Indians zeigten sich jedenfalls immer mehr als Herr im Haus und fingen an das Spiel zu beherrschen. Bis zur 29. Spielminute. Innerhalb von sechzig Sekunden schien die bis dahin stabile Spielordnung des bis dahin souveränen Schiedsrichters Carsten Lenhart in Gefahr, als er hinter dem hannoverschen Tor eine Attacke auf Finkel übersah und wenige Sekunden später erst Arnold und dann Gosdeck auf die Strafbank schickte. Damit schenkte er den Hernern 91 Sekunden ein doppeltes Überzahlspiel und obwohl der Meister sich nicht sehr geschickt anstellte, am Ende war er doch erfolgreich. Kreuzmann jagte den Puck, elf Sekunden bevor der vierte Indian wieder zurückkehren sollte, die Scheibe zum Anschlusstor in die Maschen. Damit war die Spannung wieder hergestellt obwohl sich im Anschluss zeigte, dass die Hannoveraner, jetzt wieder personell gleichgestellt, sofort wieder die Zügel in die Hand nahmen. Ein 3:1 wäre durchaus fair gewesen, als Gibbons nach feinem Solo nur die Latte traf und auch Turnwald nur knapp das Gehäuse von Weidekamp verfehlte. Dafür zeigte sich Indians-Keeper Pantkowski in Hochform, als nach einem indianischen Abwehrfehler Luft auf einmal frei vor ihm auftauchte und der erst 18-Jährige ohne Probleme die Chance des Gegners entschärfte.
Verschossener Penalty für Hannover, dann Anschluss von Herne
Somit musste das dritte Drittel die Entscheidung bringen und wieder schien Altmeister Alfred Hitchcock mit der Regie beauftragt. Bereits nach 135 Sekunden traf Brian Gibbons zum 3:1 aber die Herner gab nicht auf. Angetrieben von den etwa 100 mitgereisten, und wirklich sich benehmenden, Schlachtenbummlern versuchten sie das Indians-Tor zu belagern, kamen aber nur zu Chancen, wenn sich die Hausherren aus physischen Gründen Konzentrationsprobleme leisteten. Hauptakteure der Gäste waren dabei meistens neben Snetsinger noch Pietsch, Nieberle, Ackers, Verelst und Luft. Auf der anderen Seite hätte es ebenfalls krachen müssen, als z.B. Valasek nach genialem Querpass von Grass das leere Tor verfehlte. In der 56. Minute schien das Spiel vorab entschieden, als Hernes Stürmer Richter einen Penalty zugunsten der Hausherren verschuldete, dieser aber kläglich vergeben wurde. Dieses Unvermögen wurde prompt bestraft, als die Herner im Zuge der letzten Verzweiflung alles nach vorne warfen und tatsächlich belohnt wurden. Pietsch kam aus Nahdistanz zum Schuss und Pantkowski war geschlagen. Das 3:2 heizte die Stimmung noch einmal, fast unerträglich, an und als Hernes Trainer Petrozza 90 Sekunden vor Schluss seinen Keeper vom Eis nahm war das eine logische Maßnahme. Das Ergebnis war jedoch mager. Hannovers Technikspezialist Pohanka vernichtete mit seinem Empty-Netter die Herner Hoffnungen und verhalf seinem Team zum Einzug in das Viertelfinale der deutschen Oberligameisterschaft. Damit haben die Indians das Ergebnis der Saison 2015/16 wiederholt, als sie ebenfalls in das Viertelfinale einzogen um dann an Peiting mit 1:3 Siegen zu scheitern.
Stimmen zum Spiel
Hernes Coach Frank Petrozza: „Es war eine verdammt enge Serie, die letzten Endes verdient an Hannover ging. Allerdings war der Ausfall von MacLeod von uns nicht zu kompensieren. Mein kleiner Kader hat alles gegeben und ich bin stolz auf die Leistung.“
Indians-Coach Tobias Stolikowski: „Wir hatten in der Saison häufig viel Sand im Getriebe und wir sind mehrfach heftig kritisiert worden. Jetzt haben wir es diesen Kritikern gezeigt. Der Serienerfolg gegen Herne war schwer erkämpft und umso stolzer bin ich auf die Mannschaft. Jetzt gibt es erst einmal zwei Tage Pause und dann werden wir uns auf Bad Tölz vorbereiten.“
Tore: 1:0 (9:33) Robby Hein (Grass, Pohl/5-4), 2:0 (17:07) Branislav Pohanka (Pohl, Schwab), 2:1 (28:19) Stephan Kreuzmann, 3:1 (42:15) Brian Gibbons (Hein, Gosdeck), 3:2 (56:25) Jan-Niklas Pietsch (Luft), 4:2 (59:24) Branislav Pohanka (Gosdeck, Turnwald/ENG). Strafen: Hannover 8, Herne 12. Zuschauer: 4026.