Hannover Scorpions wollen „ehrliches Eishockey“ bietenInterview mit Tobias Stolikowski
Tobias Stolikowski, Teammanager der Hannover Scorpions. (Foto: Hannover Scorpions)
Ein Rückblick auf die letzte Saison: Was lief gut und was war für Sie enttäuschend?
Stolikowski: „Ich habe ja erst im Januar angefangen und diese Zeit seit dem war ziemlich turbulent. Das hatte natürlich auch mit Corona zu tun. Die Arbeit war wie in den Jahren zuvor die gleiche, aber die Pandemie war natürlich ein echtes Handicap. Vielleicht nicht enttäuschend, aber man hatte sich hier sicherlich mehr ausgerechnet als Platz sechs. Dazu kam, dass immer wieder Spielblöcke entweder gewonnen oder verloren wurden, so dass es schwierig war, eine Konstanz hineinzubringen. Außerdem gab es mehr Verletzungen als geplant.“
Die Hauptrunde wurde mit Platz sechs abgeschlossen. Was meinen Sie, wie wären die Play-offs ausgegangen und welche Platzierung hätten die Scorpions möglicherweise geschafft?
Stolikowski: „In der ersten Runde hätte der SC Riessersee auf uns gewartet. Kein leichter Gegner, das ist keiner im Achtelfinale, aber durchaus schlagbar. Meine Mannschaft war willig und heiß, top motiviert und hätte sicherlich was reißen können. Ich habe meiner Mannschaft auch gesagt, dass in den Play-offs alles möglich ist. Beide Teams sind eigentlich ziemlich gegensätzlich. Die Garmischer jung, schnell und konditionsstark, auf der anderen Seite mein Team, technisch beschlagen mit unglaublich viel Erfahrung. Hätten wir diese Runde geschafft, dann wäre noch einiges möglich gewesen.“
Dann kam Corona. Bei den Scorpions gab es anscheinend keinen positiv getesteten Spieler. Blieb es dabei?
Stolikowski: „Wir waren auch in Kontakt mit den anderen Vereinen, natürlich auch mit den Indians. Zum Glück hatten wir bei den Spielern keinen positiv getesteten Fall, wobei auch wir natürlich alle gesetzlichen Forderungen konsequent abgedeckt haben.“
2017 lag der Altersdurchschnitt der Mannschaft bei 24,7 Jahren, in der letzten Saison bei 29,9 und jetzt, aktuell im Juli bei 30,6. Wie weit wird sich der Wert noch steigern?
Stolikowski: „Die Frage ist, wann ist man alt. Es kommt nach meiner Meinung nicht auf das Alter an, sondern auf die Physis. Der eine Spieler ist auch mit 27 verletzungsanfällig, der andere mit 33 nicht. Dazu ist die Motivation wichtig. Die kann auch im sogenannten hohen Alter noch mehr vorhanden sein als bei einem jungen Spieler. Bei unseren Verpflichtungen haben wir natürlich auch auf diese Parameter geachtet.“
In der letzten Saison gab es eine sehr junge Nummer 1 im Tor, Enrico Salvarani, dahinter erst Florian Mnich, dann Ansgar Preuß. Jetzt wurde mit Brett Jaeger ein erfahrener Keeper geholt. Lag das schwächere Abschneiden in der Vorrunde hauptsächlich an der Torhüterposition?
Stolikowski: „In der letzten Saison wurde auf zwei junge deutsche Keeper gesetzt, aber dieses Konzept ging nicht so auf wie man sich das hier gedacht hatte. Das Talent war zwar vorhanden, aber gleichzeitig hat auch eine Art Ruhepol gefehlt. Später verließ der eine den Verein und Ansgar kam als Nummer 2 ins Team, der diese Differenz etwas auffangen konnte. Allerdings lag es auch nicht immer an den Torhütern. Wenn die ganze Mannschaft nicht ihr bestes Eishockey spielt, dann ist der Torhüter am Ende immer derjenige, der alles ausbaden muss. Dafür braucht man eine gute Psyche und als wir uns nach der Analyse auf die Suche nach einem geeigneten Nachfolger für Enrico machten, kam uns die Personalie Brett Jaeger, der schon mehrere Meisterschaften in der DEL2 gewinnen konnte, gerade recht. Jaeger soll möglichst auch seine Erfahrungen an die jüngeren Keeper weitergeben.“
Salvarani hat sich nach Freiburg verabschiedet. Glauben Sie, dass er dort sich gegen etablierte Konkurrenz durchsetzen kann?
Stolikowski: „Freiburg hatte eine starke Saison, so dass man davon ausgehen kann, dass die nicht so viel ändern werden. Dazu haben sie mit Ben Meister ebenfalls einen starken erfahrenen Keeper und von so einem Mann kann ein Spieler wie Salvarani nur lernen und sich weiterentwickeln.
Nachdem vor der letzten Saison Andy Reiss aus Kassel kam, wurde jetzt mit Alexander Heinrich sogar der letztjährige Kapitän der Huskies verpflichtet. Wie gut sind die Beziehungen zu den Huskies und welche Rolle trauen Sie Heinrich zu?
Stolikowski: „Alex Heinrich und ich haben sogar noch zusammengespielt. So war er immer in meinem Netzwerk vorhanden und als ich hörte, dass er in Kassel keinen Vertrag erhalten sollte, er aber noch gerne weiterspielen wollte, war es für mich relativ einfach ihn zu Gesprächen einzuladen, in denen wir dann zu einem erfolgreichen Abschluss kamen. Alex war nicht umsonst Kapitän bei den Huskies, weil er nicht nur ein starker Verteidiger war, sondern auch einen Top-Charakter hat und eine Mannschaft führen kann.“
Bis jetzt stehen fünf erfahrene Kräfte für die Defensive fest. Mit wieviel Verteidigern kalkulieren Sie für die kommende Saison?
Stolikowski: „Da müssen wir noch etwas nachlegen. Am besten wären sieben oder acht, aber wir müssen natürlich auch sehen, was auf Grund der Pandemie finanziell möglich ist. Vermutlich werden es sieben Verteidiger. Dazu wird vermutlich ein Kooperationspartner in der DEL2 mit eingebunden, aber wer das sein wird, kann ich noch nicht sagen.“
Noch ist der Kapitän der letztjährigen Mannschaft, Björn Bombis, nicht an Bord. Gibt es da etwaige Neuigkeiten oder ist die Vertragsverlängerung nur noch eine Formsache?
Stolikowski: „Beide Parteien sitzen noch zusammen, sprechen miteinander, arbeiten mit offenen Karten aber über einen neuen Stand kann ich noch nichts sagen.“
Nach dem 49-jährigen Esbjörn Hofverberg aus Leipzig ist Andrej Strakhov mit seinen 41 Lenzen der zweitälteste Spieler der Liga. Wie wichtig ist er für Ihr Defensivkonzept?
Stolikowski: „Er war und ist immer noch enorm wichtig mit seiner Erfahrung. Das gilt für das Feld wie auch für die Kabine. Strakhov war in der letzten Saison der beste Plus/Minus-Verteidiger und diese Qualität spricht für sich.“
Stichwort Jugend. Wie sieht es in Mellendorf aus? Kann es aktuell ein Spieler aus der Juniorenmannschaft schaffen oder ist der Sprung zu hoch?
Stolikowski: „Aktuell ist der Sprung einfach zu groß. Man tut den Jungs ja auch keinen Gefallen, wenn man sie in zu kaltes Wasser wirft.“
Einer der neuen Stürmer ist Roman Pfennings, der vom Pferdeturm kam. Warum wurde er geholt, was sind Ihre Intentionen mit ihm?
Stolikowski: „Roman ist ein schneller, quirliger Spieler, der in allen Reihen einsetzbar ist. Erst wenn das ganze Team zusammen ist, können wir genau sehen, wo wir ihn dann einsetzen werden. Auf alle Fälle halten wir eine Menge von ihm.“
Beide Ausländer, Julien Pelletier und Mario Valery-Trabucco, gehörten zu den besten Ausländern der Liga. Pelletier ist in Kanada geblieben. Bleibt Trabucco und wie kamen Sie auf den Finnen Tomi Wilenius als Pelletier-Ersatz?
Stolikowski: „Ob mit es Valery-Trabucco weitergeht kann ich noch nicht sagen. Die Entscheidung ist noch offen. Tomi Wilenius hat bis auf die A-Nationalmannschaft in Finnland alle Auswahlteams durchlaufen, spielte zuletzt in Zell am See in der zweitklassigen AlpsHL und wurde uns von seinem Agenten angeboten. Nach kurzer Rücksprache mit einigen Fachleuten war uns klar, dass Wilenius als Center die ideale Besetzung sein wird.“
Aus der DEL2 kam Christoph Kabitzky. Was können Sie uns über Ihre Neuerwerbung mitteilen?
Stolikowski: „Er hat einige Erfahrungen im höherklassigen Eishockey und kann uns gewaltig weiterhelfen. In der DEL2 hatte er auch Verletzungspech und konnte sein Potenzial nicht so abrufen. Letztes Jahr in Selb zeigte er aber seine Qualitäten, so dass wir sicher sind, dass auch er ein Volltreffer sein wird.“
In diesem Jahr gibt es mit Herford, Hamm und Diez-Limburg gleich drei neue Namen. Was sagen Sie dazu?
Stolikowski: „Ich finde das sehr spannend und hochinteressant. Es ist toll, dass die drei den Schritt in die Oberliga gewagt haben. Das uns im gleichen Schritt Essen und Duisburg verlassen haben, ist natürlich äußerst schade.
Zum Schluss bitte noch ein Saisontipp. Was ist das Scorpions-Ziel und welche Mannschaften siehst du ganz vorne?
Stolikowski: „Wir wollen gutes Eishockey bieten und dann natürlich auch oben mitspielen. Ich tippe an der Spitze auf Herne, Halle, Tilburg und Hamburg. Eigentlich wollte ich bei der Aufzählung auch Leipzig und unsere Nachbarn vom Turm dazuzählen, aber das ist ja jetzt nach der jüngsten Entwicklung schwer einzuschätzen. Sollten die beiden letzten ausfallen, wäre das ein sehr herber Schlag für die Oberliga und eigentlich sehr schade.“