Höchstadt in den Play-offs: „Alles, was noch kommt, ist ein Bonus“Höchstadt Alligators – Interview mit HEC-Urgestein Thilo Grau
Thilo Grau freut sich mit dem Höchstadter EC auf die Play-offs. (Foto: Sarah Neuhaus)HEC-Eigengewächs Thilo Grau hat die Höhen und Tiefen des mittelfränkischen Eishockeyklubs miterlebt. Dabei feiert der gebürtige Höchstadter im September erst seinen 30. Geburtstag – zwei Jahre vor dem Jubiläum des HEC, der 1993 gegründet wurde. Schon als Steppke streifte Grau das grün-weiß-violette Trikot über. Das Stadion am Kieferndorfer Weg ist seine Heimat. Privat konnte der Autofan und Hobby-Angler einige dicke Fische an Land ziehen. Jetzt möchte der Stürmer mit den Alligators auf dem Eis noch einen drauflegen.
Herr Grau, muss man Sie noch zwicken oder haben Sie den Erfolg bereits realisiert?
Also ab und an müsste man es noch (lacht). Mit so einer Saison hat doch keiner von uns gerechnet. Auch im Umfeld sprechen mich alle darauf an, wie gut es bei uns läuft. Keiner kann es so recht glauben.
Hätte ich den Viertelfinaleinzug in einer Saisonvorschau prophezeit: Wie wäre Ihre Reaktion gewesen?
Ich hätte Sie vermutlich ausgelacht. Zwar war es unser Ziel, in die Play-offs zu kommen. Doch wir wissen ja, wie schwierig das immer ist. Dass wir es so weit geschafft haben, hat niemand erwartet.
Vergangene Spielzeit kämpften die Alligators gegen den Abstieg. Was ist das Geheimnis des aktuellen Erfolgs?
Das frage ich mich auch immer wieder. Vielleicht liegt es daran, dass wir keinen Druck wie Regensburg oder Rosenheim haben, die unbedingt aufsteigen wollen. Dazu haben wir gute junge Spieler. Die „jungen Wilden“ geben mit den erfahrenen Spielern eine gute Mischung ab.
Inwieweit hat die Lockdown-Situation den Teamgeist gestärkt?
In den letzten Monaten war es nicht so leicht, raus zu gehen oder etwas zu unternehmen. Vieles war nicht möglich. Man konnte sich kaum mit jemandem treffen. Doch wir durften gemeinsam trainieren und spielen. Das ist in dieser Zeit etwas Besonderes. Da wächst man natürlich noch mehr zusammen.
Ausgerechnet diese Saison finden die Spiele vor leeren Rängen statt. Die Zuschauer verfolgen den HEC vor dem Bildschirm. Mit einem Fotowettbewerb stimmte der Verein die Fans auf die „fünfte Jahreszeit“ ein. Mit welchem Foto hätten Sie teilgenommen?
Es gibt ein ganz altes Bild von mir. Ich denke, ich war so vier oder fünf Jahre alt und stecke im HEC-Trikot. Das hätte wohl ganz gut gepasst.
In diesem Alter haben Sie angefangen, Eishockey zu spielen. Eine Laufbahn auf dem Eis war aber noch nicht geplant.
Ich hatte es kurzzeitig mit Fußball versucht. Doch dann haben mich meine Eltern in die Eishalle geschleppt (lacht).
Genaugenommen war es Ihr Vater, Peter Grau, der Sie mit dem Eishockeyvirus infizierte.
Mein Dad hat damals immer mit Kollegen und Kumpels Karten gespielt. Einmal ging es um einen Wetteinsatz über Eintrittskarten für ein HEC-Spiel. Meine Eltern sind hingegangen. Später haben sie meine Geschwister und mich dann mit ins Stadion genommen.
Und plötzlich hatten alle Schlittschuhe an den Füßen und standen auf dem Eis.
Zuerst hat mein älterer Bruder Sebastian angefangen, für den HEC zu spielen. Dann folgten meine beiden Schwestern Christina und Carolin, mit denen ich zusammen im Nachwuchs war. Beide spielen jetzt nur noch in ihrer Freizeit. Sebastian ist Spielleiter bei den Alligators. Ich bin als einziger Aktiver übriggeblieben.
Sie haben dem Verein die Treue gehalten. Bis auf einen „Ausrutscher“ haben Sie nie für einen anderen Klub gespielt. War der Reiz der Fremde nie da?
Es war schon mal im Gespräch. Ich hatte ein Sichtungstraining in Iserlohn für die DNL. Ich war 16 Jahre alt und hätte dort hinziehen müssen, weshalb wir verneinten. 2007 wechselte ich zum EHC 80 Nürnberg in die Jugend-Bundesliga. Nach einem Jahr ging es zurück nach Höchstadt, wo ich seitdem für die erste Mannschaft spiele.
Was macht Höchstadt als Eishockey-Standort für Sie so besonders?
Es ist alles so familiär. Ich kenne hier jeden, auch von früher. Beim Einkaufen trifft man oft Fans, mit denen man ein paar Sätze wechselt. Ich fühle mich hier einfach heimisch.
Welche Momente in Ihrer fast 25-jährigen Laufbahn beim HEC sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Wir hatten vor Jahren diesen Brand in der Spielerkabine. Der Schaden belief sich auf Tausende von Euro. Ich erinnere mich noch an die vielen Spenden, die der Verein erhielt. Ansonsten prägte mich die Zeit mit Daniel Jun als Trainer. Er hat mir sehr viel Vertrauen geschenkt.
Wie sehr vermissen Sie die Liga-Derbys gegen Schweinfurt?
Die waren natürlich immer spektakulär. Damals war ich auch noch jünger und ziemlich geflasht von all den Leuten im Stadion, wenn ich aufgelaufen bin. Wobei die Stimmung gegen Selb und Deggendorf auch recht cool ist.
Neben dem Eishockey arbeiten Sie als Elektroniker bei Schaeffler in Herzogenaurach. Wie schaffen Sie es, „zweigleisig“ zu fahren?
Ich bin es gewohnt. Bei Auswärtsfahrten ist es aber manchmal schon hart. Da kommst du nachts um eins oder zwei nach Hause und stehst um fünf Uhr in der Früh wieder auf. Trotzdem läuft es recht gut. Ich hab es mir ja so ausgesucht.
Wobei dies für einen Sportler in einer Profiliga nicht die Regel ist.
Richtig. Wenn ich mit Kollegen spreche, die nur Eishockey spielen, können die sich das gar nicht vorstellen. Sie fragen mich schon immer, wie ich das denn mache und schaffe.
Mit Leidenschaft geht alles.
Ja, es muss auf jeden Fall Spaß und Bock machen. Und meine Chefs bei Schaeffler stehen hinter mir. Meistens klappt es ohne Probleme, dass ich bei den Spielen dabei bin. Wenn es dreimal während der Saison nicht geht, ist es halt so. Im Viertelfinale bin ich aber dabei.
Trotz des Erfolgs ist der Aufstieg kein Thema für die Alligators. Aufgrund der infrastrukturellen Begebenheiten wurde keine Lizenz für die DEL2 beantragt. Wie motiviert sich die Mannschaft für die Play-offs?
Ich denke, dass die Garmischer etwas gehandicapt sind, weil sie den Aufstieg unbedingt wollen. Sie haben wahrscheinlich finanziell viel investiert. Wir dagegen haben keinen Druck, gar nichts. Wir spielen das jetzt zu Ende. Alles, was noch kommt, ist ein Bonus. Dass wir es können, haben wir bewiesen.