Sport wird in Neuwied zur Nebensache

Oberligist SC Mittelrhein-Neuwied treibt seine Fans zurzeit durch ein Wellenbad der Gefühle. Auswärts läuft es für die Bären prima, zu Hause steckt der Wurm im SCM-Spiel. Zunächst überraschte die Mannschaft von Trainer Fred Carroll mit einem 4:3-Erfolg im Penaltyschießen bei Tabellenführer Schweinfurt, um anschließend nach einem 1:3 vor heimischer Kulisse mit den Dresdner Eislöwen die Plätze zu tauschen. Das interessiete jedoch das Umfeld nur bedingt. Für Entsetzen sorgte in den Neuwieder Reihen in der vergangenen Woche eine Aussage eines SPD-Mitglieds zur Hallensituation in der Rheinzeitung. Monatelang hatten Verein und Stadtspitze in engem Kontakt gestanden, um für die Zukunft durch den Erwerb der Eishalle einen bedeutenden Standort- und Wirtschaftsfaktor der Region zu sichern. Neben den sozialen Gesichtspunkten für die Jugend spielen dutzende Arbeitskräfte und eine Zuliefererindustrie eine wichtige wirtschaftliche Rolle, die durch Steuereinnahmen ihren Beitrag zur Refinanzierung des Projekts leisten. Das Land Rheinland-Pfalz wird sich zu 40 Prozent an den Investitionen am Projekt beteiligen, das bekräftige Ministerpräsident Kurt Beck noch einmal bei seinem Neujahrsempfang Mitte Januar in Neuwied. Durch den Hallenerwerb erhoffen sich die Bären als einziger sportlicher Imageträger, der die Stadt Neuwied bundesweit bekannt macht, realistische Eismieten, um den Spielbetrieb fortsetzen zu können. In einem Schreiben an das Mainzer Innenministerium am 2. Juni 2003 listete SCM-Vorsitzender Roland Schell die Investitionen der Bären auf. Für die erste Mannschaft werden beispielsweise rund 36.000 Euro Eismiete fällig, für den Jugend- und Amateurbereich 55.000 Euro. Pro Jahr. Während in Mainz erkannt wurde, wie wichtig Eishalle (die einzige im Radius von 60 Kilometern) und Eissport für die Region als wirtschaftlicher und sozialer Faktor sind, überwiegen in der Stadt Neuwied mitunter die Bedenkenträger. Offenbar ist nicht jedem lokalen Politiker die Materie bewusst, dass beispielsweise der ranghöchste Fußballverein FV Engers (Oberliga) jährlich im hohen fünfstelligen Bereich unterstützt wird, obwohl das Fußballstadion am Wasserturm ein ähnliches Konstrukt aufweist wie die Neuwieder Eishalle. Es handelt sich um Privatbesitz. Kurz nach dieser im Kontext zu den Verhandlungen konträren Aussage folgte aus dem Neuwieder Rathaus das Dementi gegenüber der SCM-Führung, es habe sich nur um die Einzelmeinung des Politikers aus Engers (!) gehandelt, und das Signal, die Bären sollten zuversichtlich sein und ihre Planungen für die kommende Saison gestalten. Konkret wird allerdings noch nichts vermeldet. Da durch das baldige Saisonende dem Verein die öffentlichen Plattformen zur Verdeutlichung des Problems minimiert werden, hängt viel von den Neuwieder Fans ab, die bei Karnevalsumzügen samstags in Oberbieber und am Rosenmontag den Verein in der Öffentlichkeit präsentieren. Ebenfalls muss der Verein den Sonderzug aus Weißwasser nutzen, der am 27. Februar in der Deichstadt einläuft.
Zum Sport: Zwei Faktoren sind es, die die Neuwieder zu den krassen Außenseitern in der Meisterrunde stempeln. Ein enorm kleiner Kader und die Qualität der Mannschaft bedingt durch die radikale Kürzung des Spieleretats vor der Saison. Um beide Faktoren gleichzeitig wettzumachen, bleibt den Bären nur der bedingungslose Kampf. Das erklärt wahrscheinlich die augenblickliche Tendenz, dass die Deichstädter auswärts erheblich besser spielen als zu Hause; denn zuletzt bestritten die Neuwieder ihr erstes Wochenendspiel jeweils in der Fremde. Das reichte zu zwei Siegen und einem Punkt im Penaltyschießen. "In Schweinfurt haben wir super gespielt. Wir haben in der Defensive kaum Fehler gemacht", analysierte Übungsleiter Fred Carroll zum voll konzentrierten Auftritt in Franken, der den Gastgebern die ersten Schmutzflecken auf der bis dahin so weißen Weste zufügte. Drei Mal gingen die Neuwieder in Führung durch die Treffer von Waldemar Gomov, Ole Kopitz und Janne Kujala, drei Mal glich der Spitzenreiter aus. Im Penaltyschießen hatten die Bären das bessere Ende für sich, weil Dave Stevens und Ole Kopitz Nervenstärke bewiesen.
Vergleichsweise frustrierend verlief die Partie gegen die Dresdner Eislöwen ab. Ein optisch ausgesprochen unterhaltsames Spiel mit einer Chancenflut auf beiden Seiten ließ die Zuschauer trotz der Niederlage zufrieden nach Hause gehen, SCM-Trainer Fred Carroll dagegen war bedient ob der taktischen Defizite. "Wir hatten dem Gegner heute so viele 3:2-Break-Situationen ermöglicht, wie wir sie die ganze Spielzeit zusammen bisher nicht produziert haben." Die Ursache? Carroll: "Manche hören zu, manche nicht. Alternativen habe ich keine, ich muss daher hoffen, dass sich meine Spieler an die Marschroute halten." Das misslang gründlich, womöglich auch, weil nach nunmehr drei Monaten enormer Kraftanstrengungen die Fehlerquoten in den lichten Reihen der Bären zwangsläufig größer werden (müssen). Ein Kraftakt wie in Schweinfurt ist eben nur einmal am Wochenende möglich. Ein weiteres Manko machte der einzige Neuwieder Torschütze Waldemar Gomov aus, dessen Strafe in der 51. Minute den Dresdnern das vorentscheidende 1:2 für die Gäste ermöglichte. Manche Akteure sind offenbar zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Gomov: "Ich hatte Ende der Vorrunde 14 Spiele nicht getroffen. Man muss weiter an sich arbeiten und nicht darüber grübeln", spielte der mit sechs Endrundentreffern erfolgreichste Neuwieder Schütze beispielsweise auf die Torflaute seines Nebenspieler Jaroslav Majer an. (lim)