Zwischen Weißwasser und DuisburgWie die Einheit das Leben von Ron Noack veränderte
Als Ron Noack zum ersten Mal für den EV Duisburg auflief, wurde er unsanft gebremst. „Das war in Dinslaken“, kann sich der aus Weißwasser stammende Stürmer noch schmerhaft erinnern. Ein hoher Stock rutschte an seinem Schulterschutz hoch, traf ihn im Gesicht. Diagnose: Kieferbruch! Also stand auch lange nach dieser Partie die Zahl „1“ in der Spalte der Spieleanzahl im Füchse-Trikot. Aber Noack wurde mehr als nur eine Eintagsfliege an der Wedau. Viel mehr. Er wurde der Rekordspieler des EV Duisburg. In acht Saisons zwischen 1993 und 2001 spielte er 394 Mal für die Schwarz-Roten. Eine Geschichte, die ohne den Mauerfall und die Einheit, die sich am Samstag zum 25. Mal jährte, kaum möglich gewesen.
Dabei war Duisburg beinahe schon vorherbestimmt. Am 22. Dezember 1989, wenige Wochen nach dem Mauerfall, hatte der damals 20-Jährige mit Dynamo Weißwasser ein Freundschaftsspiel beim damaligen Zweitligisten Duisburger SV 87 bestritten, das der 25-fache DDR-Meister mit 4:2 gewann. „Nach dem Spiel“, erinnert sich Noack, „haben wir im Restaurant Mediteran auf der Wallstraße gegessen.“ Nun – 25 Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands – betreibt der 46-Jährige das „House of Cigars“. Auf der Wallstraße. Schräg gegenüber. „Wenn mir das damals jemand gesagt hätte . . .“
Ossi und Wessi – das sind Kategorien, in denen Ron Noack nie gedacht hat. Seine Frau Nadine, die in Schwerte geboren wurde, aber aus dem Duisburger Stadtteil Rumeln stammt, hat er über das Eishockey kennengelernt. Die beiden passen gut zusammen, ergänzen sich gut. Die ganz private Einheit der Familie Noack also.
Wer sich angesichts des Namens fragt, ob Ron Noack mit Rüdiger Noack, dem sportlichen Leiter des Krefeld Pinguine, verwandt ist: Ja, natürlich. Rüdiger Noack ist Rons Vater. „Da war es aufgrund meiner familiären Geschichte eigentlich klar, dass ich Eishockey spiele. Ich war früh mit dem Virus Eishockey verseucht“, lacht Noack junior. Der heute 46-Jährige wurde in Bad Muskau, ganz in der Nähe von Weißwasser, geboren. „Ich habe bei Dynamo das Schlittschuhlaufen und das Eishockeyspielen gelernt.“ Bei dem Verein also, mit dem Rüdiger Noack zwölfmal DDR-Meister als Spieler wurde, dazu dreimal als Trainer. Auch an zwölf Weltmeisterschaften nahm Noack senior teil. „Allerdings war er nie mein Trainer“, berichtet Ron Noack.
Eishockey war und ist in Weißwasser eine große Sache. „Sehr groß“, betont Noack. 12.000 Zuschauer kamen zu den Spielen – und das, obwohl seit 1970 Dynamo Berlin der einzige Gegner war. „Als Jungs waren wir immer da und haben die Spiele gesehen.“ 1989/90 gehörte Ron Noack zu Dynamos erster Mannschaft. Am 9. November 1989, dem Tag des Mauerfalls, waren die Weißwasseraner gerade auf der Rückfahrt. „Wir hatten in Berlin gewonnen und hörten in unserem Ikarus-Bus, dass die Mauer offen sei“, erinnert sich Noack wie heute. „Geglaubt haben wir das erst, als wir es zu Hause im Fernsehen gesehen haben.“ Seine Schwester lebte damals in Ost-Berlin. „Ich bin sofort wieder nach Berlin gefahren und wir sind über den Grenzübergang Friedrichstraße in den Westen gegangen.“ Der erste Eindruck? „Alles war bunt, die Angebote riesig. Es waren unglaublich viele Ost-Berliner in West-Berlin.“ Die Geschichte begleitet ihn. „Ich schaue immer noch gerne die Dokus über Mauerbau und Mauerfall und habe Tränen in den Augen. Dass diese Revolution friedlich geblieben ist, ist ein Wunder. Aber wahrscheinlich liegt es daran, dass die Deutschen eben doch intelligent sind.“
1990/91 hat er für den PEV Weißwasser in der gesamtdeutschen Bundesliga gespielt, wechselte aber nach einigen Spielen zum SV Bayreuth. „Ich hatte die Möglichkeit, bei einem der Sponsoren, den Helsa-Werken, meine Ausbildung zum Industriekaufmann zu machen.“ Pünktlich zur Pleite des Bayreuther Vereins war er fertig. Danach hatte er Angebote aus Duisburg, Essen und Hamburg. „Dieter Jansen, der damalige EVD-Vorsitzende, war mit meiner Schwester Constanze, die heute in Kanada lebt, liiert. Er rief mich an und sagte, dass er es mir übel nehmen würde, wenn ich nicht nach Duisburg komme“, lacht Noack. So kam er. Und hat es nie bereut. „Heute bin ich zu 99 Prozent Duisburger. Ein Prozent bleibt in Weißwasser.“ Ron Noack steht zu seiner neuen Heimat. „Duisburg hat Ecken und Kanten – und ist einfach eine lebenswerte Stadt.“
Die schönsten Erinnerungen: „Die Saison mit den vielen Finnen. Tero Toivola, Sami Leinonen, Tommi Leistola, Jouni Tuominen. Damals war Jiri Kochta unser Trainer – das war das beste Training, das ich je hatte.“ Auch die Oberliga-Meisterschaft 2000 hat er noch gut im Gedächtnis. Mit „Francesco“ Petrozza, wie der heutige Herner Trainer in Duisburg oft genannt wurde. Und mit Danny Beauregard.
Noch heute geht er, wenn es passt, zum Eishockey. Zum Vater nach Krefeld. Oder zum EVD, wo sein Sohn Louis (4) in die Laufschule geht. In seinem House of Cigars, das er mit Jansen gegründet hat und seit 2006 alleine betreibt, spielt er abends mit Louis Eishockey. Ron Noack lacht: „Mal sehen, wie lange das noch gutgeht.“