Hannover Scorpions: From zero to hero to OberligaDenkwürdige Momente der Eishockeygeschichte

Der Zeitpunkt, an dem Hannover spätestens nicht mehr „nur“ Indianerland war: 25.04.2010. Mit dem 3:0 in Serie gegen die Augsburger Panther wähnte sich der coachende Alpenvulkan Hans Zach am vermeintlichen Ende seiner Trainerkarriere zugleich auf der Spitze seiner Amtszeit bei den Hannover Scorpions – und verabschiedete sich mit dem vierten DEL-Titel, der bewies: das Beste kommt zum Schluss.
Mit der Errichtung einer Kunsteisbahn 1973 in Mellendorf begann die Geschichte der späteren Hannover Scorpions, die als ESC Wedemark 1975 gegründet wurden und erstmals auf Puckjagd gingen. Der erste sportliche Erfolg Ende der 70er mit der Meisterschaft bestätigte sich auf Dauer nicht, letztlich standen zumeist Mittelfeldränge in der Regionalliga Nord zu Buche.
Anfang der 80er bekamen die Hannoveraner Eishockeyfans erstmals ein Highlight vorgesetzt. Aus der Oberliga stieg der EC Hannover 1983/84 ab, sodass es schon bald erstmals ein Stadtderby im Eishockey zu sehen gab. Trotz vierstelliger Zuschauerzahlen bei Spielen gegen den EC Hannover, aus dem später die heutigen Hannover Indians hervorgingen, blieb man in Sachen Erfolg meist hinter den Indianern zurück, die in derselben Saison zwar sportlich aufstiegen, aufgrund des Konkurses aber auf den Wiederaufstieg verzichteten.
Der Ende der 80er Jahre angestrebte Aufstieg in die Oberliga musste allerdings ins letzte Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts verschoben werden, nachdem durch das Verpassen der Aufstiegsrunde jeweils erst der Klassenerhalt geschafft werden musste. Mit Einstieg des Investors Jochen Haselbacher gewann der ESC Wedemark 1991 unter Spielertrainer Jiri Pasanen die Meisterschaft der Regionalliga Nord, belegte in der Aufstiegsrunde Platz zwei und schaffte damit den langersehnten Aufstieg in die Oberliga Nord.
Bereits im ersten Oberliga-Jahr 1991/92 erreichte der Club einen für einen Aufsteiger starken fünften Platz – unter keinem Geringeren als Spielertrainer Kevin Gaudet, der damals seine erste Trainer-Station in Deutschland bekleidete und fortan mit nur wenigen kleineren Unterbrechungen bis heute aktiv Trainer in Deutschland bleiben sollte. Bereits zwei Saisons später erfolgte der sportliche Aufstieg in die damals neu gegründete 1. Liga, die den Unterbau zur neu gegründeten Deutschen Eishockey Liga DEL darstellte.
Gespickt mit namhaften Spielern wie Dieter Reiss und Jiri Pasanen hielt auch der sportliche Erfolg der Wedemarker an. Dem sechsten Platz und frühen Ausscheiden in den Playoffs folgte 1995/96 die Meisterschaft in Vor-, Haupt- und Playoff-Endrunde. Die nach oben hin geschlossene DEL blieb für den Meister jedoch nicht nur Wunschdenken, als der EC Hannover, also gar der eigene städtische Konkurrent, erneuten finanziellen Querelen erlag und die Lizenz ortsgebunden in die Wedemark wechselte. Unter dem Namen der Wedemark Scorpions ging der Verein als GmbH in der DEL an den Start und endete in der ersten DEL-Saison als Tabellenschlusslicht mit dem geringsten Etat der Liga.
Es folgten Durchschnittsjahre mit den Plätzen sieben bis elf, in denen lediglich 2000/01 ein nennenswerter Erfolg mit dem Erreichen des Halbfinales in die Historie einging. Erst zur darauffolgenden Saison 2001/02 zogen die Scorpions in die TUI-Arena, der Multifunktionsarena im hannoverschen Messegelände, ein. Aufgrund von Streitigkeiten im Jahre 2003 zwischen Scorpions-Eigentümer Haselbacher und den Verantwortlichen der Arena kam es zum zwischenzeitlichen Bruch, sodass die Scorpions für eine kurze Zeit nach Mellendorf zurückkehrten. Man besann sich, die Scorpions kehrten in die TUI-Arena zurück und entgingen dem Abstieg über die Playdowns aus der DEL nur knapp.
In der Folgesaison wechselte der Eigentümer zu Bauunternehmer Günter Papenburg, die Mannschaft entging den Abstiegsrängen erneut nur knapp. 2005/06 erreichten die Scorpions wieder die Playoffs, scheiterten aber am späteren Meister, den Eisbären aus Berlin. Der sich damals in seiner dritten Amtszeit in der niedersächsischen Hauptstadt befindende Kanadier Kevin Gaudet verließ Deutschland und schloss sich den Vienna Capitals in Österreich an. Erstmals hielt sich der Zuschauerschnitt in dieser Saison bei ungefähr 6.000 Zuschauern pro Spiel.
Doch der Posten des Trainers sollte noch namhafter besetzt werden, aus deutscher Sicht wohl eher bekannter. Alpenvulkan Hans Zach, mit der DEG dreifacher Meistertrainer, 2000 Aufsteiger als Deutscher Nationaltrainer aus der B-WM sowie als Spieler Meister mit dem damaligen Sportbund Rosenheim, wurde Trainer an der Leine.
Und mit Hans Zach blieb der vorherige Erfolg ähnlich. Zach, dessen Ausrichtung für defensiv diszipliniertes Eishockey stand, lieferte in der Debütsaison Platz sechs mit Ausscheiden im Viertelfinale. Der Zuschauerschnitt hielt sich konstant zur Vorsaison, Zach blieb Trainer. In der folgenden Spielzeit folgte der erste Rückschritt (Platz acht, Aus in den Pre-Playoffs), bevor der nächste größere Wurf erfolgte. Einem mehr als überzeugenden zweiten Platz folgte der Kurs ins Halbfinale, dort schieden die Scorpions gegen den ehemaligen Zach-Verein, die DEG, aber aus.
Was 2009/2010 folgte, war und ist bis heute der Höhepunkt der Hannoveraner Eishockeygeschichte. Kuriosere Vorzeichen zu Meistersaisons wird man jedoch auch nur selten finden; so beispielsweise die damaligen Frankfurt Lions, die im Frühjahr 2003 aus der DEL abstiegen, aufgrund der Insolvenz der Schwenninger Wild Wings im Eishockeyoberhaus verblieben und ein Jahr später Deutscher Meister wurden. Noch im Sommer 2009, nicht einmal ein Jahr zuvor, bangten die Scorpions um die DEL – des Geldes wegen. Ein Gehaltsverzicht der Spieler rettete die DEL-Lizenz, der damalige Geschäftsführer Marco Stichnoth (heute Geschäftsführer der Dresdner Eislöwen in der DEL2) wendete das Blatt.
Doch der nächste Tiefpunkt folgte: Wenige Spieler wechselten infolgedessen, kurze Zeit später fanden sich die vom als impulsiv und aufbrausend geltenden Coach Hans Zach trainierten Mannen im November auf dem letzten Tabellenplatz wieder. Mehr als nur drei Euro ins Phrasenschwein wären nun angebracht: Dass man im Eishockey weder in Nordamerika noch in Deutschland Meister im November wird, ist klar. Auch in der NHL schafften es die St. Louis Blues 2019, im Januar noch Letzter des Gesamtklassements in Übersee zu sein, um Mitte Juni doch noch Lord Stanley in die Höhe zu recken. Als hätten es die Scorpions – wie sicher auch viele andere Mannschaften schon – ihnen vorgemacht, wurde der zwischenzeitliche Tabellenletzte Meister.
"Das ist wie bei einer Bergtour. Da musst du auch von ganz unten anfangen, sonst zählt es ja nicht", äußerte sich Zach schon damals zu einem möglichen Motivationsversuch. Mit einem Sweep im Halbfinale gegen Ingolstadt und auch im Finale erklommen die Scorpions die Spitze, Eishockey in Hannover wurde zur Scorpions-Hochburg.
Platz fünf im Folgejahr, Ausscheiden im Viertelfinale – die Scorpions schienen wieder in der Normalität angekommen. Der Absturz folgte rasch. Schon 2012 beendeten die Scorpions die Saison als Letzter, eine Saison später verpassten die Leinestädter die Pre-Playoff-Ränge als Elfter um ein Haar. Auch die Zuschauerzahlen schwanden entsprechend des Misserfolgs nach dem Meisterjahr, der permanente Zwist mit Stadt und Land belastet Eigentümer Papenburg. Die Folge: Die Lizenz geht im Mai 2013 nach Schwenningen, der Meister von 2010 zieht sich zurück und kehrt unter demselben Namen, Hannover Scorpions, zurück in die Oberliga Nord; dort wurde die Teilnahmeberechtigung der des SC Langenhagen übernommen. Geschäftsführer waren ein alter Bekannter, Jochen Haselbacher, sowie dessen Sohn Eric, die auch bis dahin die Geschicke leiteten. Durch die Fusion mit den von Jochen Haselbacher geleiteten Wedemark Scorpions im März 2017 blieb es beim Namen der Hannover Scorpions, als Rechtsform ging die neue Hannover Scorpions Eishockey GmbH hervor mit Spielstätte in Mellendorf.
Und auch die ewig alten Duelle mit den Hannover Indians bleiben dem Eishockey-Volk Hannovers nicht verwehrt: Durch den Rückzug der Scorpions treffen die „Wedemarker“ nun wieder auf die „Kleefelder“, Hannover Indians. Wo früher DEL-Niveau zu sehen war, ist heute in Hannover „lediglich“ semiprofessionelles Eishockey zu sehen – dafür aber mit dem Stadtderby schlechthin. Also: Ohne Vorteil kein Nachteil, oder auch andersherum…