Neuer Job, neue Ziele – Jeff Tomlinson im Interview

Lesedauer: ca. 7 Minuten

Jeff Tomlinsons Karriere als Spieler war bis zu seinem Wechsel zu den Eisbären vor der Saison 2000/01 eine wie viele andere auch. Im Jahre 1992 sagte der damals erst 22-jährige der Heimat ‚Goodbye’ und stürzte sich ins Abenteuer Europa. Bis zu einem kurzen Intermezzo in der DEL-Spielzeit 96/97 bei den Berlin Capitals, stand der eher zurückhaltende aber stets freundliche Kanadier in Diensten des EC Timmendorfer Strand. Bei den „Beach Boys“ erlangte er eine gehörige Portion lokalen Ruhmes, ebenso wie in den folgenden drei Spielzeiten bei den Manchester Storm in England. Bei den Eisbären mauserte sich der wieselflinke Rightwing zum Leistungsträger und ausgebufften Bullyspieler. Dafür allerdings fand Tomlinsons Name nicht allzu oft als Torschütze auf den Spielberichtsbögen Erwähnung. Trat dieser seltene Fall doch ein (zwölfmal in 125 Spielen für die Eisbären), dann kennzeichnete fast immer eine gewisse Finesse seine Treffer. Sein Auftreten auf und außerhalb des Eises verschaffte ihm zudem bald den Ruf des Mr. Zuverlässig. Am 14. November 2002 geschah dann was Tomlinsons frühes Karriereende bedeutete: Der Stürmer zog sich im Training eine schwere Knieverletzung zu, die leider nicht vollständig verheilte. Der Traum von einer Fortsetzung der Spielerlaufbahn war ausgeträumt, obwohl er wahrlich hart und lange darum kämpfte. Nun hieß es nach Ablauf seines Vertrages nach der Saison 03/ 04 zu überlegen, was mit dem Leben nach dem Eishockey anzufangen sei. Die Rückkehr in die Wahlheimat in den USA war eine naheliegende Option, denn immerhin ist der in Winnipeg/ Manitoba geborene Tomlinson Mitbetreiber von fünf Eishallen im US-Bundesstaat Carolina. Und doch waren es wieder die Eisbären, die Jeff Tomlinson dazu bewegten, Berlin nicht den Rücken zuzukehren. Während seiner Zeit als Rekonvaleszent unterstützte er neben Pierre Pagé sowohl DNL-Coach Andreas Gensel als auch Harald Kuhnke, der das in der Regionalliga-Ost spielende Juniorsteam trainierte. Hier sahen Lee & Co. sehr viel eher die Zukunft von Jeff Tomlinson. Nach einigen Gesprächen mit den Eisbären-Verantwortlichen, vor allem aber mit seiner Familie und als klar war, dass die Juniors in der Oberliga würden antreten können sah das auch Tomlinson nicht mehr anders. So beerbte er also vor dieser Saison Harald Kuhnke (jetzt Trainer der Erfurter Black Dragons) im Amt des Juniors-Coaches. Nachdem der frischgebackene Chefübungsleiter des Oberligateams erste Erfahrungen im neuen Job sammeln konnte, unterhielt sich Hockeyweb mit Jeff Tomlinson:

Neue Seite 1

Hockeyweb:

Herr Tomlinson, die Oberligasaison ist nun sieben Spieltage alt.

Wie waren die ersten Wochen in Ihrer neuen Rolle als Chefcoach des Oberligateams

der Eisbären Juniors?


Jeff

Tomlinson: Oh, die erste Zeit war sicher etwas chaotisch. Ich wusste nicht so

recht was mich erwartet und was ich erwarten könnte. In dieser Phase haben mir

auch meine Spieler geholfen, jetzt habe ich den richtigen Rhythmus aber

gefunden.

Erwischen Sie sich manchmal noch dabei wie ein Spieler zu denken oder ist der

Unterschied nicht so groß?


Ich

weiß nicht, das können meine Jungs wahrscheinlich besser beurteilen. Wenn man

so lange Eishockey gespielt hat, ist es wohl normal, dass das Spielerherz noch

schlägt. Im Moment verstehe ich mich als Spielertrainer. Ich weiß was einen

Spieler zwar nervt aber trotzdem gut für ihn ist. Schließlich ist das alles ja

auch wieder nicht so neu für mich, denn ich trainiere ja schon seit 15 Jahren

Kinder zu hause in meinem Eishockeycamp und auch in Timmendorf habe ich das

schon gemacht. Auf diesem Level ist es natürlich eine neue Aufgabe und

Herausforderung für mich.

Wie wichtig ist es, als Trainer über die Erfahrung einer eigenen

Spielerkarriere zu verfügen?


Ich

denke, darauf kommt es nicht so sehr an. Viele hervorragende Trainer haben keine

große Profikarriere gehabt, Ken Hitchcock ist so ein Beispiel und bei Pierre

Pagé ist es so ähnlich. Es sind einfach andere Trainertypen.

Sie

arbeiten bei den Juniors mit Spielern, die nicht älter als 22 Jahre sind.

Bringt das besondere Probleme mit sich, welche sind das und wie gehen Sie damit

um?


Manchmal

fehlt die Leadership auf dem Eis und vor allem auch in der Kabine. Sie müssen

lernen Verantwortung zu übernehmen für sich und die Mannschaft! Ja, ich bin

nicht nur Trainer sondern auch abwechselnd Babysitter und Psychologe. Ich habe

auch ein offenes Ohr für die Probleme der Jungs und davon gibt es in dem Alter

mitunter reichlich.

Mit Spielern wie z.B. Thomas Schenkel aus Landshut oder Christoph Gawlik aus

Mannheim stoßen immer mehr Talente anderer Vereine, mit Marcus Sommerfeld,

Gerard Miller und Richard Müller sogar drei junge Cracks aus Übersee zu den

Eisbären. Worauf gründet sich diese Entwicklung und wie wichtig ist dieser

Zustrom für das Nachwuchsprojekt und für die Eisbären selbst?


Ganz

einfach, es spricht sich herum, dass die Jungs bei uns eine echte Chance

bekommen. Andere Vereine arbeiten oft für den augenblicklichen Erfolg, wir

schauen in die Zukunft und arbeiten langfristig. Sehr lange hatten junge

deutsche Spieler in der DEL überhaupt keine Chance. Wir gehen davon aus, dass

es in der DEL immer weniger Ausländerplätze geben wird. Man sieht doch auch

schon Ergebnisse, der Abstand zwischen ausländischen und deutschen Spielern

wird immer kleiner. Im Prinzip ist aber nur wichtig, dass alle bereit sind und

den notwendigen Willen aufbringen, egal ob gebürtiger Berliner oder Zugezogener

- Talent allein reicht nicht.

Wie

muss man sich die Zusammenarbeit im Trainerstab mit Pierre Pagé (DEL), Andreas

Gensel (DNL) und Ihnen vorstellen? Gibt es regelmäßige Beratungen und in

welcher Form wird darüber entschieden, welche Spieler in welchem Team zum

Einsatz kommen?


Ja

klar, wir sprechen täglich miteinander. Das ist gerade für mich wichtig, um zu

wissen wen ich für das Training und wen für die Aufstellung zur Verfügung

habe. Schlussendlich entscheidend ist immer die aktuelle Form eines Spielers ob

und wo er zum Einsatz kommt. Aber auch das Potenzial und die Perspektive eines

Spielers spielt eine Rolle. Das letzte Wort hat dann natürlich Pierre Pagé.

Bei

den letzten beiden DEL-Spielen kam Kay Hurbanek im Pagé-Team zum Einsatz. Pagé

lobte den 22-jährigen nach dem Heimspiel gegen Augsburg und am Dienstag

erzielte er gar gegen sein Ex-Arbeitgeber in Hannover den Treffer zum 3:0. Wie

schätzen Sie seine Perspektiven ein, da Hurbanek ja nächste Saison dem Förderlizenz-Alter

entwachsen ist?


Ja,

Kay ist ein gutes Beispiel auch in Bezug auf die vorherige Frage. Er hat alle Möglichkeiten!

Wenn er so weiter arbeitet wie bis jetzt, sehe ich ihn in der DEL - hier in

Berlin oder anderswo. Es gibt viele Möglichkeiten, aber nicht viele Plätze in

den Teams. (Tomlinson lacht augenzwinkernd) Ganz ehrlich? Ich hoffe, dass

ich ihn hier in der Oberliga nie wieder sehe!

Ihre Mannschaft verlor die ersten fünf Saisonspiele, geriet dabei mehrfach

schnell in deutlichen Rückstand, hielt aber dennoch insgesamt gut mit. Im Derby

gegen die favorisierten Preussen war das ebenso und doch kam Ihr Team zurück

und gewann in der Verlängerung. Haben Sie etwas anders gemacht als sonst und

ist der Knoten nun endgültig geplatzt?


Meine

Mannschaft muss einfach von Anfang an bereit sein aggressiv zu spielen. Wir müssen

unsere Vorteile in Fitness und Schnelligkeit ausnutzen, ehrgeizig sein um nicht

zu früh in zu hohen Rückstand zu geraten. Es gibt in der Liga nicht allzu

viele Mannschaften, die über die vollen sechzig Minuten volles Tempo gehen können

- sie sind einfach nur cleverer. Wir müssen lernen die ersten zehn Minuten voll

konzentriert zu sein und unsere Vorteile ausspielen, dann laufen die Spiele ganz

anders.

Ist

die Oberliga die richtige Schule für die zukünftigen DEL-Spieler, wie schätzen

Sie das Niveau der Liga ein?


Die

Oberliga ist sehr gut für meine Jungs. Wir spielen hier gegen sehr gute Ausländer

und gegen erfahrene Deutsche, der Unterschied zwischen Regionalliga und Oberliga

ist riesig. Trotz ihrer Unerfahrenheit können die Jungs hier lernen Führungsrollen

zu übernehmen und sich im Spiel gegen Erfahrenere zu behaupten. Wenn ihnen das

gelingt, können sie es schaffen.

Herr Tomlinson, die Oberliga-Heimspiele finden bis auf wenige Ausnahmen, wie dem

Derby gegen die Preussen vor kurzem, nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit

statt. Ist es eher angenehm so unbeobachtet arbeiten zu können oder wäre etwas

mehr Unterstützung aus der Fankurve schon zu wünschen?


Für

die Jungs würde ich mir wünschen, dass mehr Stimmung in der Halle ist! Es

macht keinen Spaß vor nur 150 Leuten zu spielen, ich weiß wie das ist. Das

Derby hat es doch gezeigt, von der Stimmung getragen haben wir eine ganz andere

Leistung gezeigt. Freitag

spielen wir zuhause

19.30

Uhr

gegen

Höchststadt

und das DEL-Team spielt auswärts, wir würden uns wirklich freuen wenn möglichst

viele Leute in den Wellblechpalast kommen würden!

In diesem Sinne - Vielen

Dank für das Interview, Herr Tomlinson!

(Matthias Eckart & Oliver Koch - Foto: City-Press)


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