ESV Bayreuth steht vor dem Aus
Kampf an mehreren Fronten - Suche nach GeldgebernVorsitzender Klaus Wiesenmüller hatte seine Stirn schon früh in Falten gelegt, seine Miene spiegelte den Ernst der Lage wider. Kassiererin Bettina Friedlaender sah in ratlose und fassungslose Gesichter, als sie den Fans die finanzielle Lage des ESV Bayreuth erklärt hatte. 60 000 Euro muss der Verein bis Mitte der Woche aufbringen, um die Lizenz für die kommende Saison erhalten zu können. Und nur dann besteht Hoffnung, dass der Eishockey-Oberligist keine Insolvenz anmelden muss.
Die Zeit drängt. Zwar hat der ESV bei der Eishockey-Spielbetriebsgesellschaft (ESBG) eine Fristverlängerung um zwei Wochen beantragt, doch der ESBG-Aufsichtsrat wird erst am Mittwoch über das Ersuchen beraten.
Selbst mit einem Aufschub um zwei Wochen bleibt viel zu tun. Insgesamt drückt den Verein eine Schuldenlast in Höhe von rund 215 000 Euro. Der Großteil der Summe stammt noch aus den Jahren früherer Vorstandschaften, kam aber erst jetzt ans Tageslicht. Betriebsprüfungen für die Jahre 1995 bis März 2002, veranlasst von Finanzämtern und Landesversicherungsanstalt (LVA), förderten die enormen Altlasten ans Licht. Bis zum Zeitpunkt der abgewendeten Insolvenz vor zwei Jahren hatten sich bereits rund 118 000 Euro angesammelt. Sie setzen sich zusammen aus Lohnnebenkosten, die nicht an die öffentlichen Stellen abgeführt wurden, obwohl dies hätte geschehen müssen.
Für den Betrug am Staat muss der heutige ESV-Vorstand nun die Zeche zahlen. Denn die damaligen Vorstände, die in diese Machenschaften verstrickt waren, sind heute nicht mehr zu belangen: Sie wurden bei den Generalversammlungen entlastet beziehungsweise gelten nach zwei Jahren automatisch als entlastet. Verantwortung müssen die Verursacher der neuen Krise nicht mehr übernehmen.
Der Rest des Fehlbetrags in der ESV-Kasse setzt sich zusammen aus Nachforderungen von Krankenkassen, Finanzamt und LVA nach dem Ende des Insolvenzverfahrens 2002 (14 000 Euro), einem geringen Minus aus den vergangenen beiden Spielzeiten (20 000 Euro durch Ausfälle von Sponsorengeldern und dem Zuschauerrückgang in den Abstiegsrunden) sowie Forderungen aus Lohn- und Lohnnebenkosten (62 000 Euro). Letztere sind derzeit auf unbestimmte Zeit ausgesetzt, weil ihre Rechtmäßigkeit geprüft werden muss. All dies flatterte den Verantwortlichen erst in den vergangenen Wochen Stück für Stück auf den Tisch.
Kritik am Vorstand, vor allem den Vorwurf, die Verantwortlichen hätten das gesamte Ausmaß der Krise viel zu spät publik gemacht, will Vorsitzender Wiesenmüller nicht gelten lassen: Niemand habe gewusst, dass der Verein noch solche Außenstände habe. Nach Ende des Insolvenzverfahrens hatten sowohl Amtsgericht als auch Insolvenzverwalter dem neuen Vorstand versichert, dass keine neuen Forderungen mehr auftauchen würden. Dem Vorstand selbst fehlen zudem die Unterlagen aus den vorangegangenen Jahren, die von Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft unter Verschluss gehalten werden. Von den früheren Verantwortlichen des Vereins ist sowieso keine Kooperation zu erwarten. Deshalb hat der neue Vorstand alles immer erst in Nachhinein erfahren. „Die Betrogenen sind nämlich wir“, betonte Wiesenmüller. Aufgeben will er aber nicht: „Ich werde bis zum Schluss durchkämpfen.“ Für ihn wäre es sicherlich ein Leichtes gewesen zurückzutreten. „Aber das werdet ihr von mir nicht erleben.“
Nun ruhen die letzten Hoffnungen des Vorstands auf Fans, Gönnern und Spendern. Bis Dienstag müssen dem Verein verbindliche Zusagen von Geldgebern in Höhe von 60 000 Euro vorliegen, damit das Oberliga-Eishockey in Bayreuth eine Zukunft hat. Für die Beiträge ist ein Konto eingerichtet: Spendenkonto ESV Bayreuth, Kontonummer 20 000 286 bei der Schmidtbank Bayreuth (Bankleitzahl 780 300 70).
Mit dem Geld würde der Verein die Unbedenklichkeitsbescheinigung der Eishockey-Spielbetriebsgesellschaft (ESBG) und damit die Lizenz für die kommende Saison erhalten. Weitere Auflagen hat die ESBG den Bayreuth Tigers nicht gemacht.
Da die Banken dem Verein keine Kredite gewähren, muss die Summe von Privatpersonen aufgebracht werden. Die Spender müssen aber nicht fürchten, ihr Geld für immer zu verlieren. Sollten trotz der Anstrengungen in Bayreuth die Lichter ausgehen, erhalten nämlich alle ihre eingezahlten Beträge wieder zurück. „Wir wollen niemanden um sein Geld bringen“, verspricht Vorsitzender Wiesenmüller. Und auch wenn es weitergeht, sollen die Spenden ebenfalls wieder an die Geber zurückbezahlt werden. Kurz nach Ende des Fanstammtisches lagen dem Verein bereits Zusagen von bis zu 20 000 Euro vor.
Sollten die 60 000 Euro tatsächlich kurzfristig aufgebracht werden, wäre der ESV erst einmal aus dem Gröbsten heraus. Denn der nächste Etat steht bereits, wenn auch belastet mit allen Unsicherheiten, die das deutsche Eishockey in jedem Sommer prägen: Noch ist nicht klar, wie die Ligen zusammengesetzt werden – und damit steht auch die Anzahl der Heimspiele noch nicht fest. Dennoch, so versichert Friedlaender, handle es sich bei dem neuen Zahlenwerk um einen „realistischen Etat“, in dem sogar rund 30 000 Euro für Schuldenrückzahlung eingeplant sind. Klar ist: Die Mannschaft muss weiter billiger werden.
Für den Fall, dass der Verein seine Türen dennoch zusperren muss, hat der Vorstand bereits erste Überlegungen angestellt. Unter anderem laufen Gespräche mit dem zweiten Bayreuther Eishockeyverein Bayreuth Bandits, der derzeit in der Landesliga spielt. So könnte man verhindern, dass der Tigers-Nachfolgeverein wieder in der untersten Liga beginnen muss. Dabei geht es vor allem um die Zukunft der Jugendmannschaften. (Ingo Schorlemmer)