Der SC Riessersee lebt - und wie

Was man vor gar nicht allzulanger Zeit noch nicht zu träumen gewagt hatte,
jetzt wurde es Wirklichkeit: Der SC Riessersee lebt und zwar gewaltig. Beim
Stadionfest konnten sich die Besucher davon überzeugen.
Erstmal stand ein Klassiker auf dem Programm. Eine Begegnung mit den Tölzer
Löwen. Riessersee und Tölz, daran erinnerten sich alle im Rund, die Jungen
wegen der packenden Zweitliga-Kämpfe, die Älteren, weil es auch in den
Fünfziger und Sechziger Jahren immer heiß zu Sache ging bei den beiden
Kontrahenten.
5:2 gewannen die Tölzer letztendlich, doch das sollte nicht täuschen: Einen
Klassenunterschied, wie vielleicht zu erwarten gewesen war, gab es nicht.
Die Tölzer hatten allerdings in Couture einen Riesenrückhalt, währen Baader
im Garmischer Tor zwischen Genie und Wahnsinn schwankte, allerdings sah man
auch, dass der junge Mann, sobald er eine gewisse Nervosität ablegt, zu
großen Hoffnungen berechtigt, manche Schüsse parierte er blitzsauber.
Peter Gailer, SCR-Trainer der letzten Jahre, der schier Unglaubliches
geleistet hat mit den Weiß-Blauen, konstatierte nach Spielende, dass er
"richtiges Sommereishockey" gesehen habe. Er sah aber auch, dass dieses Team
gut besetzt ist. Was er nicht erwähnte: Einen Großteil dieser Mannschaft
trägt noch Gailers Handschrift. Er war eigentlich als Trainer vorgesehen
gewesen, vertrug sich aber nicht unbedingt mit dem neuen SCR-Boss, Ralph
Bader. Der wollte zu viel über die Mannschaft mitbestimmen, was dem Trainer
nicht schmeckte. Das Ende vom Lied: Gailer zog sich zurück, kümmert sich
weiterhin um sein Hotel und kaufte für sich und seine Frau eine Dauerkarte.
Das, nachdem er schon auf eine große Summe an Forderungen verzichtet hatte.
Auf jeden Fall blickte er fachmännischen Auges auf die Mannschaft und was er
sah, gefiel ihm durchaus. Viele Zweitliga-Spieler müssten, so Gailer,
eigentlich in der Oberliga sehr gut aussehen können. Zweieinhalb gute
Blöcke, da könnte schon ein Platz unter den ersten drei drin sein. Vieles
gefiel dem Ex-Coach ausgezeichnet, darunter Storf, Decker oder auch Butzi
Mayer, um nur Drei zu nennen, denen er ein gutes Zeugnis ausstellte. Torwart
Baader sieht er als kommenden Mann, ein Goalie brauche einfach mehr Zeit
sich zu beweisen als Stürmer oder Verteidiger. In drei oder vier Wochen
müsste Baader alle Unsicherheiten überwunden haben, da ist sich Gailer
sicher, dann wäre er mit ziemlicher Sicherheit eine Bank im Gehäuse.
Zwölf erfolgreiche Jahre als Trainer, finanziell unabhängig, da kann sich
Gailer es leisten, von der Tribüne aus zuzuschauen. Das Problem im deutschen
Sport ganz allgemein, konstatierte er noch im Gespräch mit Hockeyweb, seien
die Funktionäre. Ließe man ihn als Trainer nicht die Linie vorgeben, "da
bleib ich lieber zu Hause". Schorsch Holzmann, den er gut kennt und von dem
er viel hält, wünscht er eine glückliche Hand mit der Mannschaft.
Der neue Coach wird in große Fußstapfen treten müssen, Gailer schaffte es
mit ansprechendem Eishockey und guten Leistungen immerhin, einen
Zuschauerschnitt von 2700 Fans zu erreichen, für Riesserseer Verhältnisse
fast Rekord. Offensiv spielen, schöne Technik, da gabs was fürs Geld.
Holzmann prägt nun seine eigene Taktik und die sah beim ersten Auftritt
eigentlich schon mal ganz vielversprechend aus. Die Jungs auf dem Eis
setzten sich ein, kämpften und zeigten bisweilen auch wirklich gute
Spielzüge. In der Mannschaft steckt einiges. Übrigens auch in den Fäusten,
mit den Löwen gabs so manche Keilerei, zum Schluss hin auch zwischen den
beiden Bänken, wo der Coach, der die ganze Zeit eher unbeweglich geblieben
war, auf einmal einen gezielten Schuss setzte: Mit der Wasserflasche
Richtung Tölzer Bank. Er entschuldigte sich übrigens später dafür.
Nach Spielende gings munter weiter rund ums Olympia-Eisstadion. An der
Leberkäs-Theke kein Geringerer als Torwart-Legende Peppi Heiß. Der schnitt
großzügig das Fleisch, immerhin, meinte er, sollten die Fans endlich was
fürs Geld kriegen, nachdem in der vergangenen Saison so viel schiefgelaufen
war. Der steile Absturz unter Nominikat, viel Frust sitzt tief in den Fans,
die bewundernswert sind. Beim ersten Spiel zeigten sie sich bestens
aufgelegt, feuerten ihr Team an, machten Stimmung von der ersten bis zur
letzten Minute.
Heiß ist, wie alle anderen, überglücklich, dass der Traditionsverein weiter
besteht. Die Saison sei gesichert, nun hoffe man, dass der SCR in der
Oberliga Fuß fassen könne. "Oberliga ist für einen kleinen Ort doch
eigentlich das Optimale", meinte Heiß, später könne man dann immer noch
weitersehen. Heiß selber fungiert seit dieser Saison als Sportwart beim
Nachwuchs und hat sich einiges vorgenommen. Jugendleiter ist Toni Bauer,
Vorsitzender H. Grassegger. "Wir haben einen jungen Vorstand", freut sich
Sportsmann Heiß, der beim Nachwuchs aufbauen möchte für die Zukunft dieses
Vereins, der wie wenige andere das Eishockey in Deutschland geprägt hat.
Auf Eigengewächse setzt man auch in dieser Oberliga-Saison. Was sich später
auf dem Truck den Fans vorstellte, waren gestandene Werdenfelser Spieler,
verstärkt durch einige Auswärtige. Wohltuend für die Einheimischen, die sich
identifizieren können mit ihren Cracks. Ralp Bader, der neue Geschäftsführer, der in den vergangenen Monaten geackert hat wie ein Wilder,
um den SCR wiedererstehen zu lassen, gab bekannt, dass er die 35 000 Euro,
die für die Mannschaft vorgesehen sind, keinesfalls überschreiten möchte.
Außer, es finden sich noch Sponsoren, dann möchte Bader auf jeden Fall
Markus Draxler in der Mannschaft haben und einen US-College-Boy. Der Dank
der SCR-Gemeinde galt übrigens auch Garmisch-Partenkirchens Bürgermeister
Schmid, der sich als großer Föderer des Eishockeys erwiesen hatte. Und Peppi
Heiß merkte noch an, dass es ohne die vielen Förderer, die Kleinen wie die
Großen, überhaupt nicht gegangen sein. An diesem Abend zahlten viele Fans
zehn Euro und unterschrieben auf einer großen Tafel. Die wird am kommenden
Freitag aufgehängt.An dem Tag kommen die Kölner Haie, der Eintritt kostet
auf allen Plätzen fünf Euro und man hofft, bei diesem Dankeschön-Spiel für
die Bevölkerung noch Geld einzunehmen für den SCR. Der kann jeden Cent
brauchen, schließlich hat er keine Mäzene, die mal eben ein oder zwei
Millionen nachschieben können, wenn es mit der Finanzierung mal wieder nicht
hinhaut. Hier wird jeder Euro tatsächlich hin- und hergewendet, bevor man ihn
ausgibt. (Angelika von Bülow)