Das Wunder von Garmisch

Eigentlich war Andreas Brockmann nur dritte Wahl. Nachdem
der SC Riessersee vor gut vier Wochen – nach einer blamablen 6:8-Heimniederlage
gegen Ratingen – seinen Trainer Holzmann
geschasst hatte, waren Georg Kink und Peter Gailer die heiß gehandelten
Kandidaten. Doch deren Verpflichtung scheiterte aus verschiedenen, teils
persönlichen Gründen. Da zog SCR-Boss Ralph Bader ein unerwartetes As aus dem
Ärmel: Den zu der Zeit beschäftigungslosen Brockmann. Und schon machten diverse
Vorbehalte die Runde: War Brockmann vielleicht zu jung, schließlich hatte er
bisher nur in Berlin als Oberliga-Trainer gewirkt? War er hart genug? Und
überhaupt: Warum wurde ausgerechnet ein Tölzer als neuer Coach geholt?
Den letzten Einwand konnte der neue SCR-Trainer schnell
entkräften, denn schließlich sei er ein Greilinger (=Vorort von Bad Tölz) und
nur im Tölzer Krankenhaus zur Welt gekommen.
Was die mangelnde Erfahrung betrifft, so sprechen die Zahlen
eine klare Sprache. Seit Brockmanns Amtsübernahme hat das Werdenfelser Team nur
noch gewonnen, bisher sechsmal am Stück. Nichts Besonders für den Neuen:
Schließlich war seine Berliner Mannschaft letzte Saison gar in 30 Spielen
hintereinander ungeschlagen.
Brockmann ist kein großer Rhetoriker. Die Worte sprudeln
nicht gerade aus seinem Mund, er macht eher einen zurückhaltenden Eindruck.
Aber schließlich wird er nicht fürs Reden bezahlt – da gibt es in Garmisch weiß
Gott Bessere -, sondern für seine Arbeit. Hier ist er hart und konsequent,
schließlich hatte er nicht die schlechtesten Lehrmeister. Hardy Nilsson etwa
oder Hans Zach. Neun Jahre lang trug der
ehemalige Nationalspieler das Trikot der Düsseldorfer EG. Und dabei hatte er
viel Gelegenheit, von seinen Übungsleitern einiges abzuschauen.
Fleißige Trainingsbesucher in Garmisch vergleichen Brockmann
gar mit dem jungen Hans Zach. Die Vorstellungen von einer guten, erfolgreichen
Eishockeymannschaft ähneln sich bei den beiden Landsleuten sehr stark. Und
beide sind sehr konsequent, wenn es an deren Umsetzung geht.
Wie gutes Oberligaeishockey aussieht, davon konnten sich die
Garmischer Fans in den letzten Spielen überzeugen. Natürlich läuft noch nicht
alles rund, schließlich arbeitet Brockmann erst wenige Wochen mit dem Team, das
er nicht selbst zusammengestellt hat. Aber gegen Klostersee und in Weiden
zeigte der SC Riessersee, wozu er fähig ist: Aus einer sicheren Abwehr wurde
das gegnerische Tor mit schnellen Angriffen unter Beschuss genommen.
Man darf gespannt sein, ob die Werdenfelser Siegesserie auch
am kommenden Wochenende anhält. Denn am Freitagabend kommt es in Garmisch zum
Oberliga-Spitzenspiel gegen das Überraschungsteam aus Landsberg, das derzeit
den zweiten Platz innehat. Sollte der SCR mit dem siebten Sieg seine Serie
tatsächlich fortsetzen können, so scheint das Wort vom Garmischer Wunder wohl
nicht übertrieben zu sein.
Es wäre auch an der Zeit, dass sich die einheimischen
Zuschauer endlich einmal in größerer Zahl ins Eisstadion begeben würden. Denn
was nützt die Leistungssteigerung unter Andreas Brockmann, wenn sie quasi unter
Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet?