Bayreuth: Die verrückte Liga
Kampf an mehreren Fronten - Suche nach GeldgebernSechs Spieltage vor dem Saisonende bietet sich den Bayreuth Tigers ein zuletzt selten gewohntes Bild: Die Tigers sind dicht dran an der Tabellenspitze. Nach dem Sieg vom Dienstag gegen den ERC Selb trennen die Tigers nur noch drei Punkte von ihrem erklärten Ziel: Platz 1. Aber auch nur fünf Punkte vom vorletzten Rang.
„So eine verrückte Liga habe ich noch nie erlebt“, wundert sich auch Berlins Trainer Andreas Brockmann über die geringen Abstände. Er wird mit seinen Capitals am Sonntag (18.30 Uhr) in Bayreuth versuchen, den Tigers die Zähler abzuluchsen. Am Freitag (20 Uhr) muss der ESV Bayreuth beim TEV Miesbach antreten.
Dort ist noch immer der plötzliche Trainerwechsel vom 22. Februar das Top-Thema. Ex-Coach Ludvik Kopecky hatte direkt vor dem Spiel gegen den EHC Klostersee verärgert die Brocken hingeschmissen, offenbar weil er nach einem Streit mit einem Spieler von der Vereinsleitung keine Rückendeckung erhalten hatte. Offiziell wird diese Version aber von keiner Seite bestätigt. „Das sind interne Sachen, die gehören nicht an die Öffentlichkeit“, zog sich Vorsitzender Erwin Mayer zurück, und auch Kopecky schweigt über die Hintergründe seines plötzlichen Abgangs. Er steht mittlerweile beim EHC Klostersee unter Vertrag, während dessen ehemaliger Coach Beppo Schlickenrieder zuletzt in der Miesbacher Eishalle zu Gast war. Ein einfacher Partnertausch ist im Bereich des Möglichen.
Vorerst – und offiziell auch bis Saisonende – steht Junioren-Trainer Fredy Sterba an der Miesbacher Bande, der selbst von den Ereignissen zunächst überrollt wurde. Dann aber trichterte er seinem neuen Team ein, es solle sich wieder seiner Kampfbereitschaft besinnen – und fuhr prompt die ersten Punkte ein. Mittlerweile rangiert der TEV auf dem fünften Tabellenplatz, zwei Zähler hinter Bayreuth.
Nicht von Achterbahnfahrten verschont wurden auch die Berlin Capitals. Doch freut man sich in der Hauptstadt über die bisher ansprechend verlaufene Abstiegsrunde. Das Team, das noch in der Doppelrunde mit vielen Mannschaften aus der unteren Tabellenhälfte vor allem auswärts arge Probleme hatte, scheint sich mittlerweile in der Liga eingelebt zu haben. Und Trainer Brockmann hat derzeit erfreulich viele einsatzfähige Spieler auf seinem Zettel stehen.
Die besseren sportlichen Leistungen stehen dem finanziellen Gebaren des Clubs diametral gegenüber. Seit drei Monaten haben die Spieler der Capitals kein regelmäßiges Gehalt bekommen, mit einem Nicht-Besuch des Berliner VIP-Raumes demonstrierte die Mannschaft gegen einige Sponsoren, deren schlechte Zahlungsmoral den Club an den Rand der Pleite trieb. 100 000 Euro Außenstände bilanzierten drei neu eingesetzte Treuhänder des Vereins, die die Capitals vor der Insolvenz bewahren sollen. Allerdings gibt es erste Presseberichte, denen zufolge das Etatloch, das die Vereinsführung bisher auf 200 000 Euro bezifferte, um 30 000 bis 80 000 Euro größer sein soll.
Von wirtschaftlichen Sorgen unbehelligt, können hingegen die Bayreuth Tigers ihr Tagwerk verrichten. Der Derby-Erfolg gegen Selb dürfte dem Team sechs Spieltage vor Saisonende noch einmal Auftrieb geben. Philipp Sintenis, der Youngster, durfte endlich wieder um Sturm spielen, wo er den am Knie verletzten Michael Thurner vertrat, und zeigte dabei sehr gute Leistungen. In der Verteidigung kam zuletzt auch der Juniorenspieler Sebastian Mayer zum Einsatz, nachdem Manuel Bayer weiter verletzt ausfällt. Zudem hat sich das Stürmer-Pärchen Ben Maidment und Jarret Reid in den jüngsten Partien immer wieder hervorgetan und auch der eigentliche Backup-Goalie Dennis Endras hat Ex-Nationalkeeper Udo Döhler von seinem Stammplatz verdrängt.
Allzu schlecht stehen die Bayreuther Punktechancen also nicht und immerhin würde der 1. Platz in der Abstiegsrunde die Tigers wieder zur Teilnahme am DEB-Pokal berechtigen. Allerdings kann es bei Punktverlusten auch ganz schnell wieder nach unten gehen – und dann täte sich Bayreuth womöglich schwer, diesen Platz zu erreichen. Denn die Liga ist so ausgeglichen wie selten. Oder – in Brockmanns Worten – eben verrückt. (Ingo Schorlemmer)