Zoff in Montréal: All Star MVP Kovalev nur Zuschauer
Bonjour Tristesse: Krise im Jubiläumsjahr in Montréal
Montréal
Canadiens-Coach Guy Carbonneau hatte genug: Nachdem Außenstürmer Alexei Kovalev
im zweiten Drittel des Heimspiels gegen die Divisionsrivalen Boston Bruins zwei unnötige Strafzeiten bekommen hatte und auch ansonsten nicht gerade glücklich agierte, ließ er den knapp 36-Jährigen im letzten
Spielabschnitt auf der Bank schmoren. Zudem machte Carbonneau in der
Pressekonferenz nach der 1:3-Niederlage unmissverständlich klar, dass Kovalev
auf keinerlei Sonderbehandlung hoffen darf: „Alex ist kein Neuling in dieser
Liga. Ich nehme nicht an, dass er ein ,C' auf seinem Trikot benötigt, um besser
zu spielen, denn ich werde ganz bestimmt nicht Saku Koivu als Teamkapitän
ablösen“, erklärte der 48-Jährige.
Es ist schon
eigenartig, dass Kovalev ausgerechnet seit der Rückkehr von Center Koivu schwächelt.
Während der verletzungsbedingten Pause des finnischen Teamkapitäns hatte der
russische Stürmer das Amt in Vertretung übernommen und geglänzt; dazu war
Kovalev auch beim All Star Game in Montréal vor gut einer Woche bedingt durch
den Ausfall von Sidney Crosby Mannschaftskapitän der Ost-Auswahl gewesen und war
obendrein nach einer großartigen Vorstellung zum wertvollsten Spieler (MVP) gewählt
worden. Doch nun zeigt der frühere Stanley Cup-Sieger plötzlich wieder schlechte
Eigenschaften, die viele für längst abgelegt hielten: Er spielt eigensinnig,
postiert sich besonders im Powerplay falsch und lässt sich zu Revanchefouls
hinreißen. Attribute einer Diva, der offensichtlich das permanente Rampenlicht
fehlt. Kovalev sollte gewarnt sein: Carbonneau sitzt am längeren Hebel, auch
wenn der Trainer in Montréal nicht unumstritten ist. Mit Kovalevs unmotiviertem Landsmann
Sergei Samsonov machten „Carbo“ und Manager Bob Gainey einst kurzen Prozess und setzten ihn auf die
Waiver Liste – Samsonov spielt nach einer Zwischenstation in Chicago inzwischen
für die Carolina Hurricanes.
Noch ist es
nicht so weit, aber der Vertrag des launischen Russen läuft nach dieser Saison
aus, und der Ruhm, den er unter anderem durch seinen berühmten Ellbogencheck
gegen den einstigen Toronto Maple Leafs-Giftnickel Darcy Tucker bei den
Habs-Fans genießt, verblasst in Montréal schnell. Außerdem ist auch nie geklärt
worden, ob Kovalev nicht doch vor zwei Jahren gegenüber einer russischen Journalistin
in einem Rundumschlag sein Team, die Trainer und die frankokanadische Presse schwer
kritisiert hat. An Saku Koivu, der spätestens seit seiner Krebs-Erkrankung in
Montréal fast Denkmalstatus erreicht hat, dürfte sich Kovalev mit Sicherheit die Zähne ausbeißen.
Guy Carbonneau hat jedoch schon Verhandlungsbereitschaft signalisiert: „Wir
brauchen Alex, um dieses Jahr weit zu kommen“, ließ Carbonneau schon gestern
verlauten, und Kovalev wäre schlecht beraten, wenn er nicht reumütig ins zweite
Glied zurückkehren würde.
(Oliver
Stein)