Wo ist der Wertekompass der Edmonton Oilers?Kommentar zur Verpflichtung von Stan Bowman
Die Verpflichtung von Stan Bowman ist umstritten. (Foto: dpa/picture alliance/AP Photo)Warum, um alles in der Welt, stellen die Oilers, speziell der CEO Jeff Jackson, Stan Bowman als ihren neuen General Manager ein? Wo ist der vielbeschworene Wertekompass?
Und bitte: kommt mir nicht mit zweiter Chance. Die soll er doch haben! Niemand verschmäht ihn nach über zweieinhalb Jahren nach seinem Ausscheiden bei den Chicago Blackhawks. Niemand attackiert ihn, niemand will ihm an den Kragen!
Aber warum muss eine Franchise, die auf dem besten Wege war, alte Zöpfe abzuschneiden und mit neuen, hungrigen Gesichtern einen neuen Weg einzuschlagen, ausgerechnet Stan Bowman einstellen und so dafür sorgen, dass er zurück zur beruflichen Normalität findet? Wer sorgt sich um die Rehabilitation von Kyle Beach, dem Opfer von 2010? Als GM der Chicago Blackhawks hat Stan Bowman damals maßgeblich dazu beigetragen, dass eben jener Kyle Beach nicht zurück zur Routine findet und nicht mit der Aufarbeitung dieser widerlichen Tat beginnen konnte. Und noch viel dramatischer: mit dem Verschweigen dieses Vorfalls hat Bowman aktiv dafür gesorgt, dass Brad Aldrich weiter im Sport blieb und somit spätere Straftaten, für die er eine neunmonatige Haftstrafe auferlegt bekam, begehen konnte.
Opfer sexualisierter Gewalt gehen in der Gesellschaft doppelt und dreifach durch die Hölle. Sie ertragen nicht nur die Pein als solche, sondern müssen sich auch noch rechtfertigen, warum sie erst spät, manchmal nach Jahrzehnten, an die Öffentlichkeit gehen. Hinzukommt, dass viele Menschen der falschen Annahme auf den Leim gehen, es gäbe hinreichend Menschen, die Profit, Ruhm und Genugtuung aus falschen Anschuldigungen herausholen wollen. Versteht mich nicht falsch, diese Personen gibt es leider tatsächlich, aber deren Anzahl ist ein Bruchteil, gemessen an den Opfern, vor allem denen, die sich nie melden, denen die Kraft fehlt, die keine Unterstützung finden.
Im Fall von Stan Bowman ist jedoch klar: hier wurde aktiv und bewusst verhindert, dass einem damals vermeintlichen Straftäter ein Prozess gemacht wird. Das ist verantwortungslos, machtbesessen und unwürdig eines Managers in einer derart wichtigen und verantwortungsvollen Position. Alles, was Bowman hätte tun müssen, ist diesen Vorgang zu melden. Menschen können falsch handeln, Menschen machen Fehler. Im Idealfall lernen sie daraus. Aber Bowman hat keinen Fehler gemacht, er hat nicht falsch gehandelt – er hat gar nicht gehandelt.
Zivilrechtlich gab es keine Vorwürfe gegen ihn, das ist seine zweite Chance. Die Rückkehr in den Job ist keine erneute Chance, sondern ein Armutszeugnis für die Organisation und ein Beweis dafür, dass im Sport nur der Erfolg zählt und dabei unter Umständen über buchstäbliche Leichen gegangen wird. Denn die letzte Möglichkeit, dem Leiden ein Ende zu setzen, ist für Opfer sexueller Gewalt physischer oder sexualisierter Gewalt psychischer Natur leider keine Seltenheit.