„Wir spielen mal ohne Defensive”NHL Play-offs
Foto: Colethazor at en.wikipediaAllerdings sagt man ja bekanntlich, dass in die Play-offs die Karten neu gemischt werden und die Spiele ihren eigenen Regeln und Gesetzen folgen, wie man es ja bereits aus diversen Geschichten des Fußball-Pokals kennt. Dies haben sich die Akteure der Penguins und der Flyers sehr zu Herzen genommen. Wir werfen einen Blick auf bisher vier Spiele mit einem Drehbuch, das nicht einmal Hollywood hätte besser schreiben können.
Spiel 1, Schauplatz Pittsburgh – „20 Minuten reichen nicht”
Pittsburgh – Philadelphia 3:4 (3:0, 0:1, 0:2, 0:1) n.V.
Im Vergleich zu den folgenden Spielen war die Eröffnung der Serie in Pittsburgh ja ziemlich harmlos. Ein starkes erstes Drittel genügte den Gastgebern, um mit einer 3:0-Führung in die Kabine zu gehen. Nachdem Sidney Crosby bereits in der vierten Minute für den ersten Jubel sorgte waren es Tyler Kennedy und Pascal Dupuis, die die beiden weiteren Tore markierten. Auch hatten die Schiedsrichter die Partie komplett im Griff und kamen am Ende mit gerade einmal acht Strafminuten (zwei für Pittsburgh, sechs für Philadelphia) aus. Auch als in Minute 27 Danny Brière nach Vorlage von Schenn für den Anschlusstreffer sorgte, machte man sich bei den Penguins rund um Crosby und Malkin keine Sorgen. Zehn Minuten vor Ende sah das dann aber schon etwas anders aus: Wieder schlug die „Schenn auf Brière”-Kombination zu und verkürzte auf 2:3. Nur wenige Minuten später war Schenn selbst als Torschütze erfolgreich und hievte sich und seine Flyers somit in die Verlängerung. Jakub Voracek nutzte das Momentum und sorgte mit seinem Treffer für den Auftaktsieg der Flyers.
Spiel 2, Schauplatz Pittsburgh – „Unterzahl? Wir treffen trotzdem...”
Pittsburgh – Philadelphia 5:8 (3:1, 1:3, 1:4)
Wer die ersten beiden Spiele sah, dem kam es wohl wie ein kleines Déjà-Vu vor, nur dass Penguins-Spielführer Crosby nicht erst nach wenigen Minuten, sondern bereits nach 15 Sekunden zur Führung seines Teams traf. Chris Kunitz erhöhte auf 2:0, doch diesmal ließen sich die Flyers nicht lange bitten: 13. Spielminute, Claude Giroux brach in Unterzahl durch und kam frei vor Fleury zum Schuss. Der Penguins-Goalie konnte zwar parieren, jedoch war er gegen den Abpraller, den Talbot verwandelte, machtlos. Allerdings ging es mit einer 3:1-Führung seitens Pittsburgh in die Kabine, denn Paul Martin traf kurz vor der Sirene. Was dann folgte, war eine Gala-Vorstellung von Claude Giroux und dem 19-jährigen Center Sean Couturier. Innerhalb der ersten zwölf Minuten im zweiten Spielabschnitt traf der Topscorer der Flyers erst in Überzahl und anschließend in Unterzahl und glich so das Spiel wieder aus. Zwar kamen die Gastgeber durch Kunitz und Kennedy wieder in Führung, allerdings hatten sie die Rechnung ohne eben Couturier gemacht. Gleich in seinem zweiten Play-off-Spiel schrieb der Youngstar im Nu Geschichte: Seit Ted Kennedys Play-off-Hattrick 1945 ist Courtier der jüngste Spieler, dem dieses Kunststück gelang. Doch damit ist die Flyers-Geschichte an diesem Abend noch nicht zu Ende, denn Claude Giroux wollte ja auch noch mitmischen und fuhr ebenfalls einen Hattrick ein. Komplettiert wurde die Torschützenliste von Senior Jaromir Jagr, Endstand 8:5 für die Flyers, 2:0 in der Serie. Wie schon in Spiel eins blieb Evgeni Malkin, der sich mit 109 Scorerpunkten die Art Ross Trophy sicherte, erneut ohne Tor.
Spiel 3, Schauplatz Philadelphia – „Die Strafbank als neuer Hauptwohnsitz”
Philadelphia – Pittsburgh 8:4 (4:2, 2:2, 2:0)
Für die Zuschauer war die dritte Paarung der beiden Teams in den Play-offs die wohl unterhaltsamste. Bereits nach 20 Minuten hatten die beiden Kontrahenten die Strafbank zu ihrem neuen Hauptwohnsitz auserkoren und fanden es dort allem Anschein nach am schönsten. Besonders Crosby und Giroux hatten einiges zu diskutieren und zu besprechen, vor allem nach dem der Penguins-Akteur Giroux Handschuh wegschubste, als Giroux diesen gerade aufheben wollte. Doch auch das Toreschießen vergaß man nicht und um meinen Kollegen Armin Holl-Wagner zu zitieren: „Die beiden könnten auch ohne Goalies spielen, es würden genauso viele Tore fallen.” Und genau so eine Leistung lieferten Fleury und Bryzgalov auch ab: Tore, für die man ihnen fast schon den Spieler-Pass entziehen müsste. Dass Pittsburgh dabei wie schon die Spiele zuvor früh in Führung ging, diesmal durch Staal, muss man glaub ich nicht extra erwähnen. Dass es diesmal aber keine Zwei-Tore-Führung benötigte, ehe die Flyers mitspielten, sollte man aber schon kurz beleuchten, denn Talbots Unterzahltreffer wenig später sorgte für den Ausgleich. Der darauf folgende Doppelpack von Brière und anschließend der Treffer von Read brachte Philadelphia das erste Mal in dieser Serie eine Führung nach dem ersten Drittel ein. Zwar ging es im zweiten Drittel etwas disziplinierter zu, doch das muntere Scheibenschießen ging weiter: Vier Tore binnen zehn Minuten sieht man dann doch auch nicht alle Tage. Für das letzte Drittel musste Fleury sein Penguins Tor dann zu Gunsten von Johnsohn räumen und dieser machte dort weiter, wo sein Vorgänger aufgehört hatte: Bereits nach 27 Sekunden verwandelte Giroux die erste Chance im letzten Spielabschnitt zum 7:4. Für den letzten Treffer sorgte dann Talbot. Am Ende wurden in dieser Partie 38 Strafen ausgesprochen mit insgesamt 158 Strafminuten. Asham, Letang, Timonen und Adams durften früher duschen gehen.
Spiel 4, Schauplatz Philadelphia – „Tor-Festival als Lebenszeichen”
Philadelphia – Pittsburgh 3:10 (3:4, 0:5, 0:1)
Wer kein eingefleischter Anhänger der Penguins ist, der musste das Ensemble um Crosby und Malkin doch spätestens nach dem dritten Spiel abgeschrieben haben. Auch wenn man offensiv glänzen konnte, so war man einfach nicht in der Lage, auch in der Defensive eine Konstante reinzubekommen und lud Philadelphia schon fast förmlich dazu ein, die bisherigen Spiele zu drehen. Doch Totgesagte leben bekanntlicherweise länger. Angeführt von Jordan Staal und endlich auch Evgeni Malkin bissen sich die Penguins zurück in die Serie. Bereits im ersten Drittel fielen sieben Tore, im Schnitt also fast alle drei Minuten ein Treffer. Mit einem 4:3-Rückstand ging es für die Flyers in die erste Pause, aus der man anscheinend nie zurück kam, denn die darauf folgenden 40 Minuten gehörten einzig und allein den Gästen. Neben Staals Hattrick trug sich auch Malkin zweimal in die Torschützenliste ein. Crosby konnte im vierten Play-off-Spiel seinen dritten Treffer verbuchen. Niskanen, Letang, Sullivan und Dupuis sorgten für die restlichen Treffer und den 10:3-Endstand, der den Penguins den ersten Punkt in der Serie einbrachte.
Das bedeutete letztlich das erste zweistellige Play-off-Ergebnis in der NHL seit 22 Jahren. Am 10. April 1990 gewannen die Los Angeles Kings in der ersten Runde in Spiel vier der Serie gegen die Calgary Flames mit 12:4. Die Flyers verloren zuletzt vor 23 Jahren am 25. April 1989 in einem Play-off-Spiel zweistellig. Ironischerweise beim 7:10 – gegen die Pittsburgh Penguins.
Insgesamt fielen in den vier Spielen bisher 45 Tore, es gab haufenweise Strafen und viel Action. Wer seine Play-off-Liebe noch nicht entdeckt hat, dem sei diese Serie ans Herz gelegt. Bereits Samstagnacht geht es um 1:30 Uhr deutscher Zeit weiter, wenn die Flyers ihren zweiten Matchpuck verwerten wollen.