Tampa Bay: Mit Lektion zurück über den großen Teich
Es war ein Bild, das Bände sprach. Als am Sonntagabend bei
der NHL-Premiere in Prag die Kabine von Tampa Bay Lightning für die Journalisten
geöffnet wurde, war sie schon ziemlich verwaist.
Keine Handvoll Spieler war mehr dort oder im Vorraum zu
finden. Keine Spur von den Stars wie Vincent Lecavalier oder Martin St. Louis
und dem heiß gehandelten Rookie Steven Stamkos. Die beiden jeweils 1:2 verloren
gegangenen Wochenend-Partien gegen die New York Rangers hatten Spuren
hinterlassen und vielleicht sogar Abgründe aufgetan.
Als einer, der sich den Fragen der Medienvertreter ebenso
tapfer stellte, wie zuvor den Schüssen des Gegners erwies sich Torhüter Olaf
Kölzig. Der Deutsche war immerhin als einziger seines Teams am Wochenende zu
einem der „Three Stars“ eines Spiels auserkoren worden.
„Wir dürfen jetzt nicht frustriert sein“, lautete der Appell
des Routiniers, der im Sommer von den Washington Capitals nach Florida gekommen
war, um sich dort mit seiner Erfahrung einzubringen. „Wir müssen auf Kurs
bleiben und unseren Weg noch mehr verinnerlichen. Die halbe Mannschaft ist neu,
aber wir sitzen alle im selben Boot.“
Dieses Boot war jedoch auf tschechischem Eis ganz schön ins
Schlingern geraten. Es sah immer wieder nach ‚Land unter’ aus. Um die 80
Schüsse feuerten die Rangers insgesamt auf das Lightning-Gehäuse ab, Olaf
Kölzig und sein Kollege Mike Smith, der am Samstag im Kasten stand, hatten Schwerstarbeit
zu verrichten. Für den zweimaligen Olympia-Goalie der deutschen
Nationalmannschaft, der am letzten Donnerstag seinen Rückzug aus der
DEB-Auswahl erklärt hatte, steht fest: „Wir dürfen keine vierzig Schüsse pro
Spiel nehmen, so werden wir nicht viele Partien gewinnen.“
Für ihn ist die Lektion offensichtlich, die der Lightning
bei dem Prag-Wochenende erteilt bekommen hat: „Wir haben gesehen, dass wir
sechzig Minuten lang Eishockey spielen müssen. Auf dem Eis fehlt uns noch die
Chemie, die wir abseits schon haben.“
Nach dem unerfreulichen Abschied aus Washington ist die
persönliche Situation von Olaf Kölzig bei der Mannschaft aus Florida klar. Er
will zeigen, dass er immer noch auf einem hohen Niveau mithalten kann und
hofft, im Wechsel mit Mike Smith zu viel Eiszeit zu kommen. „Ein Team braucht
zwei gute Torhüter“, meint er, „in der NHL wird es immer mehr zu einer 50:50-
oder 60:40-Aufteilung kommen.“
Cheftrainer Barry Melrose war am Ende des Europa-Trips bewusst,
dass er sich nach dem Saisonauftakt um die Torhüterfrage die geringsten Sorgen
machen muss: „Die Goalies waren großartig.“ Es blieb so ziemlich das einzig
positive Fazit.
Der frühere TV-Experte, der 13 Jahre lang kein Traineramt
mehr ausgeübt hatte, erwischte einen denkbar schlechten Start in die neue
NHL-Saison. Ihm hatte es die Stimmung gehörig verhagelt. „Wir haben den Kampf
nicht angenommen. Wir haben genug Können im Team. Nur das hilft gar nichts,
wenn man nicht arbeitet.“ Enttäuscht war er vor allem von seinen vermeintlichen
Leistungsträgern. „Unsere besten Spieler müssen sich so reinhängen wie die
schwächeren das getan haben.“
Einzig Chris Gratton nahm er mitsamt seinen Sturmpartnern
neben den Torhütern bei seinem Kritikhagel aus: „Das war unsere beste Reihe,
mit Abstand! Aber ich kann sie nicht ständig auf das Eis schicken.“ Damit war
es offiziell: Vor allem die Linien Vincent Lecavalier, Martin St. Louis und
Vaclav Prospal sowie Steven Stamkos, Radim Vrbata und Ryan Malone waren in Prag
weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben.
Zur fehlenden Durchschlagskraft dieser Offensiv-Prominenz
kommt bei den „Bolts“ noch die Unerfahrenheit der Defensive als Schwachpunkt,
auch wenn Barry Melrose glaubt, dass diese von Tag zu Tag besser wird.
In diesem Zusammenhang mahnt Olaf Kölzig nicht minder zur
Geduld: „Das ist nicht besorgniserregend“, meint er, „ich habe in Washington ebenfalls
schon mit einer jungen Abwehr gespielt und es hat funktioniert.“
Dem Torwart ist aber auch die Problematik bewusst: „Es ist
so wie es ist. Als Goalies müssen wir natürlich das ein oder andere Mal
ausbügeln. Aber es ist eine Frage für das ganze Team, dass man sich gegenseitig
aushilft.“ Vor allem ist es nach den zehn Tagen in Europa und den zwei
Punktspielen in Prag aber eine Frage an das ganze Team des Tampa Bay Lightning.
Barry Melrose hat schon eine denkbar simple Antwort parat:
„Wir müssen einfach spielen.“ Diese verdeutlicht, dass der Blitz zum Auftakt
der NHL-Saison kein Stück vorwärts gekommen ist. Auf dem Eis sah es auch so
aus.
Foto by City-Press