Stanley Cup-Finale 2010: Chicago oder Philadelphia, wer holt den Cup?

Beide Teams starteten unter
sehr unterschiedlichen Vorzeichen in die diesjährigen Play-off der
NHL. Die Chicago Blackhawks, das Team von Chefcoach Joel Quenneville,
schlossen die Vorrunde als Zweiter der Western Conference ab. Die Philadelphia
Flyers kamen nach 82 Punktspielen lediglich auf Rang sieben der Eastern
Conference ein. Während die Hawks sich ständig in der Spitzengruppe
der Tabelle tummelten und Platz eins nur um einen Punkt verfehlten,
hatten die Flyers schwer zu kämpfen ihre Play-off-Qualifikation sicher
zu stellen, was ihnen erst spät und vor allem äußerst knapp gelang.
Ein einziger Zähler trennte sie von den nicht qualifizierten New York
Rangers auf Platz 9. Nachdem sie vor dem Jahreswechsel eine Negativserie
mit nur einem Sieg aus sieben Spielen abgeliefert hatten, musste Chefcoach
John Stevens seinen Platz an der Bande für Peter Laviolette räumen.
In der ersten Runde schaltete dessen Team dann ebenso überraschend
wie souverän die New Jersey Devils in nur fünf Spielen aus. In Runde
zwei bekamen es die Flyers mit den Boston Bruins zu tun, gegen die sie
zunächst auf verlorenen Posten schienen. In der Serie schon mit 0:3
im Rückstand liegend, starteten sie eine schier unglaubliche Aufholjagd
und führten tatsächlich noch die Wende zu ihren Gunsten herbei. Dabei
traf es die Flyers in Spiel fünf hart, da ihr bis dahin stark haltender
Torsteher Brian Boucher mit einer schweren Knieverletzung das Eis verlassen
musste. Ein Umstand, der die Dinge hätte nochmals umkehren können,
wenn Back-up Michael Leighton nicht vom ersten Moment seines Einsatzes
an mit gleichwohl überragenden Leistungen aufgewartet hätte. Das bekamen
auch die Montreal Canadiens im Eastern Conference-Finale zu spüren.
Zweimal stand für Philadelphia nach der Schlusssirene die Null. Nach
fünf Spielen waren die Habs auch dank der Fangkünste Michael Leightons
bezwungen. Brian Boucher kehrt nach erstaunlich schneller Genesung zum
heutigen Spiel in den Kader der Flyers zurück, muss jedoch mit dem
Platz auf der Ersatzbank vorlieb nehmen. Schließlich führt Leighton
inzwischen alle Torhüterstatistiken an, bis auf eine: die der gewonnenen
Spiele.
Hier hat der 26-jährige finnische
Keeper der Chicago Blackhawks, Antti Niemi, die Nase vorn, der seinem
Team bereits zwölf Play-off-Siege ermöglichte. Die Blackhawks bezwangen
sowohl die Nashville Predators als auch die hoch gehandelten Vancouver
Canucks jeweils in sechs Spielen und fertigten die San José Sharks
im Western Conference-Finale glatt mit vier Siegen ab. Ging es vor allem
gegen Nashville noch recht holprig zu im Spiel der Hawks, fand sich
das Team von Spiel zu Spiel immer besser und ließ sich auch von der
derben 1:5-Heimniederlage in Spiel eins gegen Vancouver nicht sonderlich
beeindrucken. Vorbildlich angeführt vom erst 22-jährigen Kapitän
Jonathan Toews (7 Tore/ 19 Vorlagen) schwangen sich neben erwartungsgemäß
Patrick Kane (7/13) und Patrick Sharp (7/9) auch Akteure wie Dustin
Byfuglien (8/2) zu besonderen Leistungen auf. Vierzehn verschiedene
Torschützen und sieben Spieler mit zehn und mehr Punkten finden sich
so in der Teamstatistik der Chicago Blackhawks. Mehr als solide agieren
die Hawks auch im Powerplay (22,6%) und in Unterzahl (86,6%). Allesamt
Faktoren, die erkennen lassen, dass die Chicago Blackhawks nicht zufällig
die Chance besitzen, erstmals nach 1992 wieder nach dem Stanley Cup
zu greifen.
Obwohl den Chicago Blackhawks
von fast allen Seiten die Favoritenrolle zugedacht wird, stehen ihnen
die Philadelphia Flyers in kaum einem relevanten Aspekt nach. Auch in
ihrer Teamstatistik finden sich sieben Spieler mit zehn und mehr Scorerpunkten
sowie dreizehn verschiedene Torschützen. Wie bei den Hawks geht auch
bei den Flyers der Kapitän, Mike Richards (6/15), in Sachen Produktion
voran. Danny Briere (9/9), Claude Giroux (8/9) und Simon Gagne (7/3)
tun als Top-Stürmer das, was von ihnen erwartet wird in mehr als zufrieden
stellender Weise. Powerplay (20,7%) und Unterzahlspiel (87%) können
sich ebenfalls sehen lassen. So sollte man sich also von den Vorrundenplatzierungen
beider Mannschaften nicht in die Irre führen lassen. Zumal sowohl Blackhawks
wie auch Flyers Spieler in ihren Reihen haben, die ihr Leistungsvermögen
längst nicht ausgereizt haben und plötzlich noch explodieren können.
Jugendliche Unbekümmertheit zum einen und jahrelange Erfahrung zum
anderen, finden sich in beiden Mannschaften in recht ausgewogener Weise.
Und auch beide Trainer wissen, wie man Mannschaften zum Erfolg führt.
So werden es wohl letztlich wieder die gerade zu Play-off-Zeiten gern
in die Waagschale geworfenen Kleinigkeiten sein, die darüber entscheiden,
ob die Chicago Blackhawks oder die Philadelphia Flyers in diesem Jahr
ihre lange Wartezeit auf den Stanley Cup beenden können. (mac)