Schon gewusst? Hockeywissen für Fortgeschrittene
Die St. Louis Blues bejubeln den ersten Stanley Cup-Triumph in 52 Jahren Franchise-Historie. (picture-alliance / AP Photo / Charles Krupa)Die Legende vom Oktopus
Die Detroit Red Wings gehören mit Sicherheit nicht nur zu den erfolgreichsten Teams in der NHL, sie sind wegen ihres Erfolges (und dem ziemlich einzigartigen Logo) wohl auch dasjenige US-Team, das jenseits der Grenzen des nordamerikanischen Kontinents die größte Bekanntheit vorzuweisen hat.
Allerdings: Wer mindestens ein (Heim-)Playoff-Spiel der Rotgeflügelten aus Motown gesehen hat, wird sich wahrscheinlich die Frage gestellt haben, warum um alles in der Welt dort Oktopoden (noch ein Fact zum Angeben: so lautet die Mehrzahl von Oktopus) von den Fans aufs Eis geschmissen werden.
Die Sache geht zurück bis ins Jahr 1952. Die Red Wings waren in den Playoffs. Wie heute war es für ein Team nötig, alle best-of-seven-Spiele zu gewinnen. Plus den danach anstehenden Stanley Cup macht das acht Siege bis zum Triumpf. Hier kommt nun der Oktopus ins Spiel, dessen Name direkten Bezug auf die Anzahl seiner Arme nimmt (Octo = griechisch für acht).
Acht Arme, acht Spiele, das konnte kein Zufall sein – dachten sich zumindest die Brüder Jerry und Pete Cusimano, ihres Zeichens Ladenbesitzer. Also schleppten die Brüder am 15. April 1952 einen dicken Kraken in das Olympia Stadium (The old red Barn), in dem die Red Wings damals noch spielten – und katapultierten das Tier aufs Eis. Wie auffällig das war, kann der geneigte Leser sich denken. Und als die Wings erst Toronto und dann Montreal besiegten, um sich am Ende den fünften Stanley Cup zu gönnen, war eine ganze Menge Menschen der Ansicht, in fliegenden Oktopoden den Garanten für künftige Playoff-Heimsiege gefunden zu haben.
Die Sache wurde zum Selbstläufer. Der schwerste Oktopus wurde dem Vernehmen nach 2015 geworfen, die meisten (36) anno 1995. Und manche Fans lassen sich auch einiges einfallen, um die toten Meeresbewohner in die Eishalle zu schmuggeln. Natürlich stellt sich dann nur noch die Frage, wie viele Cups Detroit seitdem wohl gewonnen hätte, wenn die Gebrüder Cusimano an dem Tag nicht ins Stadion gegangen wären…
Übrigens: Auch all die anderen Sachen, die von den Fans anderer Teams aufs Eis befördert werden, gehen auf den Oktopus zurück.
Kein Blues Dank der Blues
Die St. Louis Blues sind Eingeweihten vor allem dafür bekannt, ein von geradezu unheimlichem Playoff-Pech verfolgtes Team zu sein. Seit 52 Seasons mischen sie in der NHL mit, zogen 42-mal in die Playoffs ein. So oft wie kein anderes Franchise außerhalb der sechs Gründungsmitglieder der NHL – doch bis zur Saison 2018/19 lautete ihr äußerst mageres Ergebnis: Null Stanley-Cup-Gewinne bei vier Endspielteilnahmen.
Nun ist Wetten natürlich auch im Eishockey schon lange gang und gäbe. Auch die Deutschen mischen kräftig mit, erst recht natürlich die Anbieter in Nordamerika. Was allerdings die Blues anbelangt, wissen – oder besser: wussten – die Buchmacher lange Zeit sehr genau, dass sie bei einer Wette auf einen Blues-Sieg im Stanley Cup ein gutes Geschäft machen würden.
Andersherum gab es zwar viele, die schon früh in der Saison darauf wetteten, dass St. Louis auch diesmal wieder die Playoffs erreichen würde; wer allerdings auf einen Endspielsieg tippte, wurde selbst von eingefleischten Fans oft wahlweise als unbelehrbarer Optimist oder rettungslos verrückt erklärt.
Doch die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Das dachte sich wohl auch Scott Berry, als er im Januar 2019 immerhin 400 Dollar auf einen Stanley-Cup-Sieg der Blues setzte – damals rangierte das Team an letzter Stelle. Doch das Hockey-Wunder wurde Wirklichkeit. Die Blues schossen sich gegen die Boston Bruins in die Ewigkeit und Scott Barry in den Reichtum.
Angesichts der dürren Chancen waren die Quoten so extrem, dass aus seinen 400 Dollar auf einen Schlag 100.000 geworden waren. Selbst wenn davon nach Steuern „nur“ noch gut 93.600 verblieben, dürfte das für den höchsten Wettgewinn in der NHL-Geschichte gesorgt haben – vielleicht auch nur den unwahrscheinlichsten.
Der „verlorene“ Stanley Cup
Wenn ein Team den Stanley Cup entgegennimmt, darf man davon ausgehen, dass der Cup bis zum nächsten Jahr keine Sekunde mehr unbeobachtet bleiben wird. Nicht nur wegen des Prestiges, sondern weil der 1963 hergestellte Pokal mittlerweile auch einen unglaublichen Wert darstellt, der den seines Materials – feinstes Silber – um ein Vielfaches übertrifft.
Moment, fragt sich jetzt wohl mancher: 1963? Bekanntermaßen wurde der Stanley Cup doch 1892 im englischen Sheffield hergestellt? Stimmt auch. Allerdings gibt es drei Versionen des Pokals:
- Der 1892 angefertigte „Original Stanley Cup“. Der wird seit 1969 in der Hockey Hall of Fame weggesperrt und nur zu höchsten Anlässen vorgezeigt – offiziell deshalb, weil er reichlich dünn ist und leicht beschädigt werden kann.
- Der 1963 in Kanada hergestellte „Presentation Cup“, der an den Sieger übergeben wird. Er steht normalerweise ebenfalls in der Hall of Fame.
- Der 1993 „Replica Cup“, der dann in die Hall of Fame wandert, wenn der Presentation Cup benötigt wird – etwa in den Tagen rings um das Endspiel.
Wir halten also fest: Der Original-Pokal ist ein unschätzbar wertvolles Kleinod, das 24/7/365 von Sicherheitstechnik für Millionen geschützt wird.
Und nun darf der geneigte Leser sich in die Frühzeit des Pokals zurückversetzen. Wir garantieren Gänsehaut:
- 1905 kickte ihn ein Spieler der damaligen Ottawa Silver Seven (heute die Senators) vor lauter Überschwang über den Sieg in den Rideau Kanal, wo man ihn einen Tag lang suchen musste.
- 1907 ließen sich die Montreal Wanderers in einem Fotostudio mit dem Pokal ablichten. Allerdings war der Cup danach spurlos verschwunden. Erst Monate später kam heraus, dass die Mutter des Fotografen sich unwissend die schöne „Blumenvase“ geschnappt hatte, die sie für ein Eigentum ihres Sohnes gehalten hatte.
Dass der Cup mehrmals gestohlen wurde, kommt noch hinzu. Die vielleicht haarsträubendste Situation passierte jedoch den Montreal Canadiens anno 1924. Das Team fuhr nach dem Sieg mit mehreren Autos durch die schneebedeckte Landschaft nachhause, den Cup sicher im Kofferraum eines Wagens verstaut – bloß hatte der in schwarzer Nacht einen Plattfuß. Selbst ist das Team dachten sich die Canadiens, räumten den Kofferraum leer, um an das Bordwerkzeug zu kommen und den Reifen zu wechseln. Zehn Minuten später ging die Fahrt weiter – bloß ohne den Pokal.
Der stand einsam und verlassen im Schnee am Straßenrand und konnte aber glücklicherweise von der noch spät in der Nacht eilends angeordneten „Rettungsmission“ unbeschadet geborgen werden.
Übrigens: auf den Cups wimmelt es vor Schreibfehlern in der Gravur. Darunter auch solche Kapitalfehler wie „MAPLE LEAS“, „BQSTQN BRUINS“ und „NEW YORK ILANDERS“. Und Jacques Plante, sechsmaliger Gewinner mit den Canadiens, darf sich sogar „rühmen“, dass man seinen Namen satte fünfmal falsch schrieb.
Hockey-Fakten im Snackformat
Oktopus-werfende Ladenbesitzer, unwahrscheinliche Wettgewinner und verlorene Trophäen. Mit diesen Punkten hätten wir drei wirklich große Wissens-Happen abgehakt. Aber Eishockey wäre nicht Eishockey und die NHL nicht die hochkarätigste Liga dieses Sports, wenn es da nicht noch weitere Dinge zu wissen gäbe, die so eher unbekannt sind:
- Kein Spaß: Obwohl Hockey als die mit Abstand ungesundeste Profisportart für das Gebiss verrufen ist, geht aus den NHL-Regularien tatsächlich keine Pflicht hervor, einen Mundschutz zu tragen.
- Von allen Speisen, welche die Spieler bei ihrem Tag mit dem Stanley Cup daraus genießen, dürfte Clark Gillies von den Islanders wohl den Vogel abgeschossen haben: Er füllte 1980 den Cup mit Hundefutter und servierte seinem Bello eine wahrhaft „kostbare“ Mahlzeit.
- Als die San Jose Sharks 1991 gegründet wurden und man nach einem Namen suchte, hätten fast die „Rubber Puckies“ gewonnen – ein Wortspiel mit dem englischen Begriff für Quietsche-Enten.
- Mark Messier von den Oilers brachte angeblich seinen Cup zweimal mit in einen Stripclub.
- Nur ein NHL-Spieler hatte jemals die 0 als Rückennummer – Neil Sheehy, der für weniger als eine Saison für Hartford anno 1987/88 spielte.
Und dann gäbe es noch den Grund, warum Referees den Puck beim Face-Off zwischen die Spieler fallen ließen: Bis 1914 knieten sich die Gestreiften noch hin und legten den Puck zwischen die Schläger. Es brauchte einige ausgeschlagene Zähne, gebrochene Kiefer- und Wangenknochen und Platzwunden, bis die Offiziellen einsahen, dass eine andere Vorgehensweise dringend nötig war.