Pause in der NHL: 30 Teams im Midseason Check, Teil 2

Zehn Klubs
liegen beim Kampf um einen Play-Off-Platz in der Western Conference der NHL nur
insgesamt zehn Punkte auseinander - für Spannung nach der All Star Game-Pause
ist also gesorgt. Hier die Kurzanalyse aller 15 Teams im Westen:
Anaheim Ducks – Die südkalifornischen Enten sind
schon lange nicht mehr Mighty, und das zeigt sich am Tabellenplatz: Kampf am
Strich für den Stanley Cup-Sieger von 2007, dem nicht nur der Abgang von
Manager Brian Burke nach Toronto, sondern vor allem der urplötzliche
Leistungsknick der Starverteidiger Scott Niedermayer und Chris Pronger (negative
Plus-Minus-Werte) sowie die Knieverletzung von Abwehrmann Francois Beauchemin
(fällt für den Rest der Saison aus) wehgetan hat. Und Goalie Jean-Sébastien
Giguère startet morgen im All Star Game, aber warum weiß er wohl selbst nicht –
Backup Jonas Hiller hat „Jiggy“ bislang klar ausgestochen. Dafür überzeugt im
Sturm Rookie Bobby Ryan, und die gewohnt harte bis überharte Gangart der Ducks
könnte sie in den Play-Offs weit bringen – sofern sie mindestens Platz acht
halten, und das wird schwerer als erwartet.
Calgary Flames – Alles redet im Westen von den
Sharks, Blackhawks und natürlich den Red Wings, dabei könnten die Calgary
Flames die lachenden Vierten sein. Die Northeast Division haben sie klar im
Griff, endrundentauglich ist das Team allemal, aber man könnte auch noch etwas
nachbessern, zum Beispiel auf der Position des Ersatztorwarts. Natürlich leben
die Flames mit und von Miikka Kiprusoff, doch was passiert wenn der schwächelt?
Curtis McElhinney ist zwar sechzehn Jahre jünger als Namensvetter und Vorgänger
„CuJo“ Joseph, doch vertrauenserweckend waren seine Darbietungen bisher nicht,
und Coach Mike Keenan zählt nicht eben zur geduldigen Sorte. Also wird Manager
Darryl Sutter den Markt sondieren und Draftpicks für einen Torhüter
eintauschen, außerdem aber wenig am Kader verändern, mit dem zwanzig Jahre nach
dem bislang einzigen Stanley Cup-Sieg der Flames vielleicht wieder der große
Wurf gelingen könnte.
Chicago Blackhawks – Warum hat Manager Dale Tallon
letzten Sommer ausgerechnet Goalie Cristobal Huet eingekauft? Warum hat er
Trainer und Volksheld Denis Savard nach nur vier Saisonspielen durch Joel
Quenneville ersetzt? Der Erfolg und die starken Leistungen von Huet und vor
allem von Torwartkollege Nikolai Khabibulin geben Tallon Recht, die Blackhawks
sind das angesagte Team schlechthin in der NHL. Für den Titel erscheint die
Mannschaft indes noch ein wenig zu grün, doch Toews, Kane, Versteeg & Co.
haben noch viel Zeit – sofern Manager Tallon mit seinen umstrittenen
Entscheidungen weiterhin richtig liegt.
Colorado Avalanche – Erst der Rücken, dann die Zähne,
schließlich eine Schneefräse: Avalanche-Kapitän Joe Sakic hat es diese Saison
richtig erwischt, und er fehlt seinem Team an allen Ecken und Enden. Dazu haben
sich zu allem Unglück auch noch Paul Stastny und Adam Foote für längere Zeit
krankgemeldet. Das kann nicht gut gehen, auch wenn Ryan Smyth und Milan Hejduk
kürzlich ihr jeweils 300. NHL-Tor feiern durften und Backup-Goalie Andrew Raycroft
urplötzlich fast wieder so gut wie spielt wie 2004 als Rookie des Jahres in
Boston. Die Probleme im Powerplay und in Unterzahl, wo die Avalanche unteres
Niveau bietet, sind eindeutige Anzeichen dafür, dass es dieses Jahr früh auf
die Golfplätze in Denver und Umgebung gehen wird.
Columbus Blue Jackets – Mit so viel Verletzungspech kommt
eigentlich niemand in die Play-Offs, doch die Blue Jackets weigern sich, auch
diese Saison so einfach abzuhaken. Derzeit fehlen nur zwei Punkte zu einem
Endrundenrang für das Team aus Ohio, das noch nie in der Postseason stand und
auch diese Saison nicht gerade die besten Vorzeichen für den Erfolg hat:
Stammgoalie Pascal Leclaire und Jung-Center Derick Brassard werden beide nach
Knöchel- bzw. Schulter-OPs die restliche Vorrunde fehlen, dazu fallen momentan
sechs weitere Spieler aus. So könnten auch die brillanten Leistungen von
Torwart-Neuling Steve Mason und Kapitän Rick Nash möglicherweise umsonst sein.
Aber das will in Columbus noch niemand konzedieren.
Dallas Stars – Noch nie hat die Sperre eines
Teamkollegen einem Klub so gut getan. Seit Kuckucksei Sean Avery Anfang
Dezember erst von der Liga und dann klubintern gesperrt wurde, geht es aufwärts
mit den Stars, aber leider nicht so sehr, dass sie ein sicherer
Play-Off-Kandidat wären. Im Gegenteil: Ohne Kapitän Brenden Morrow und
Abwehr-Ass Sergei Zubov lassen die Stars auch gegen direkte Konkurrenten zu
viele Punkte liegen. Rookie James Neal spielt mal super, mal grottig, dafür hat
Ex-Frankfurt Lion Stéphane Robidas eine Hammersaison und steht zu Recht im All
Star Roster. Goalie Marty Turco dagegen hält meist nur mittelmäßig, und das
kann und wird böse enden, denn einen Gegentorschnitt von mehr als drei Treffern
pro Spiel können die offensiv eher schmalbrüstigen Stars auf Dauer nicht
ausgleichen.
Detroit Red Wings – Fünf Shutouts von Ty Conklin,
Fangquote knapp 92 Prozent, dazu liefert Kollege Chris Osgood mal wieder eine
seiner schlechteren Saisons – eigentlich alles klar, oder? Nein. Ken Holland
wäre nicht Ken Holland, wenn er bei einer so wichtigen Position wie dem Torwart
einfach alles dem Zufall oder einem relativ unerfahrenen Goalie überlassen
würde. Man darf also gespannt sein, wer die Red Wings durch die Play-Offs
tragen soll. Im Sturm hat Detroit dagegen keine Sorgen, eher schon in der
Defensive, wo sich der Cup-Verteidiger in den letzten Spielen vor der Pause
einige Patzer erlaubte. Trotzdem reden die Routiniers aus Motown auch dieses
Jahr bei der Titelvergabe mit.
Edmonton Oilers – Der Klub aus Alberta setzt jetzt
endgültig auf Torwart-Oldie Dwayne Roloson und hofft auf eine Wiederholung des
Play-Off-Runs von 2006, aber dazu müssen die Oilers ihren derzeit sechsten
Platz im Westen erst einmal festigen. Mit dem drittschlechtesten Unterzahlspiel
der Liga kann das Vabanque-Spiel aber auch schlimm in die Hose gehen, zumal die
Stürmer der Oilers (Ales Hemsky ausgenommen) nur biederes Mittelmaß liefern. An
Verteidiger Sheldon Souray soll es nicht liegen; der Ex-Canadien holt wie immer
besonders im Powerplay den Hammer raus. Dafür werden sich die Oilers solche
unmoralischen Angebote wie vor knapp zwei Jahren für Dustin Penner in Zukunft
lieber zweimal überlegen: Penner kassiert über vier Millionen US-Dollar pro
Jahr und schießt dafür ab und an mal ein Törchen – zu wenig, aber für die
Play-Offs dürfte es für die Oilers ganz knapp reichen.
Los Angeles Kings – Der Kindergarten aus Hollywood
hängt schon sechs Zähler hinter einem Endrundenplatz zurück – es fehlt an einer
klaren Nummer eins im Tor, auch wenn Ersberg, Bernier und Quick hochtalentierte
junge Goalies sind. Dazu benötigen die Kings unbedingt einen herausragenden
Routinier in Abwehr oder Sturm, der die Kids auf den richtigen Weg bringt; Sean
O’Donnell, Tom Preissing oder Derek Armstrong haben dafür einfach nicht das
richtige Kaliber. Schade, dass die eigentlich finanziell potente
Anschutz-Gruppe hier nur auf Sparflamme kochen läßt, denn einen großen Gefallen
tut man den Youngsters um Anze Kopitar mit dieser Kanonenfutter-Taktik nicht.
Dafür ist die bisherige Saisonbilanz besser ausgefallen als erwartet, nur für
die Endrunde wird es auch dieses Jahr zum sechsten Mal in Folge nicht reichen.
Minnesota Wild – „Vorne ein, zwei Buden, hinten
muss die Null stehen.“ Das Konzept der Minnesota Wild könnte von Rudi Gutendorf
stammen, aber diese Saison läuft Jacques
Lemaires Maurer-Kolonne Gefahr, sich an der eigenen Medizin zu verschlucken.
Stürmerstar Marian Gaborik fällt nach einer Hüft-OP bis mindestens Mitte März aus,
und viel mehr haben die Wild im Vorwärtsgang auch nicht zu bieten. Kein Wunder,
dass bereits heftige Gerüchte um einen Deal kursieren, bei dem Wild-Manager
Doug Risebrough All Star-Torwart Niklas Bäckström für ein oder zwei Stürmer
anbieten soll. Backup Josh Harding ist immerhin keine schlechte Option, doch
wünschenswert wäre generell eine etwas offensivere Spielweise.
Nashville Predators – Die finanziell unter Druck
geratene Franchise aus Tennessee ist inzwischen so sehr auf jede Unterstützung
angewiesen, dass die Verantwortlichen nun sogar erwägen, ihre eigenen Tickets
aufzukaufen, um sich dadurch für Hilfsfond-Zahlungen durch die NHL zu
qualifizieren. Die Qualifikation für die Play-Offs wird das Team in seinem
vielleicht letzten Jahr im Süden der USA zum ersten Mal seit
2003 nicht schaffen, falls nicht noch ein mittleres Wunder geschieht. Traurig,
denn die Preds waren vor zwei Jahren noch ein Klub, der den Detroit Red Wings
Paroli bieten wollte. Weitere Aussichten: Spieler wie Shea Weber, Jason Arnott
oder Pekka Rinne dürften bald auf dem Markt angeboten werden.
Phoenix Coyotes – Sieh an, die Wüstenhunde heulen
wieder, und das nicht einmal schlecht, besonders im eigenen Bau, wo die Coyotes
immerhin bereits fünfzehn Siege feiern durften. Coach Wayne Gretzky hat einen
guten Mix aus Routiniers (Bryzgalov, Doan, Jokinen, Reinprecht) und
vielversprechenden Youngsters (Mueller, Turris, Boedker) beisammen und erntet
nun die Früchte seiner fast vierjährigen Arbeit in Arizona. Aber die Franchise hat
wie Nashville arge Probleme, und gestern ist sogar der Aufsichtsratsvorsitzende
Jeff Shumway auf Geheiß von Teambesitzer Jerry Moyes von seinem Posten
zurückgetreten. Moyes sucht händeringend nach Käufern für den Klub, der trotz
aller Widrigkeiten die Endrunde nach siebenjähriger Pause wieder erreichen
sollte.
San Jose Sharks – Kann Trainer-Neuling Todd McLellan
aus den alljährlichen Play-Off-Leichtgewichten endlich ein bissiges Rudel von
titelgierigen Haien machen? Das ist eigentlich die Kardinalfrage, um die sich
mittlerweile alles bei den Sharks dreht. Talent haben die Nordkalifornier im
Übermaß, aber das gewisse Etwas, was tatsächliche Champions von bloßen
Aspiranten unterscheidet, konnten die Sharks trotz aller Vorrunden-Erfolge
bislang noch nicht vorweisen. Ob es da die richtige Entscheidung war, den
43-jährigen Quälgeist Claude Lemieux zu reaktivieren? Lemieux hat zwar vier
Stanley Cup-Ringe, aber auch seit über fünf Jahren kein Spiel mehr in der NHL
bestritten. Zudem sollte der Frankokanadier unbedingt läuferisch auf der Höhe
sein, denn aus mehreren Metern Entfernung, falls Lemieux den Gegnern hinterher
hecheln muss, verlöre seine Hauptwaffe Trash Talk doch erheblich an
Effektivität. Aber die Sharks werden als bestes Team aus dem Westen mit Heimvorteil
in die Play-Offs gehen - mit oder ohne den geistigen Großvater von Sean Avery.
St. Louis Blues – Irgendwie war es doch klar, dass
eine Saison nichts werden kann, wenn sich der hoffnungsvollste Verteidiger
ausgerechnet beim Golf-Cart-Fahren noch vor dem ersten Spieltag mehrere Bänder
im Knie reißt. Eric Johnson fällt seitdem aus, Paul Kariya und Kapitän Eric
Brewer wurden ebenfalls operiert, dazu hat sich Andy McDonald den Knöchel
gebrochen – Coach Andy Murray ist wirklich nicht zu beneiden. Unter solchen
Voraussetzungen ist der letzte Tabellenplatz im Westen schon fast entschuldbar.
Die Blues hoffen indes, dass sie nächste Saison mit Johnson, David Perron und
T.J. Oshie mehr Glück haben werden.
Vancouver Canucks – Noch liegen die Canucks mit zwei
Punkten Vorsprung auf einem Play-Off-Platz, und noch wiegelt Trainer Alain
Vigneault ab, aber die Canucks stellen seit der Verpflichtung von Mats Sundin
und der Genesung von Goalie/Kapitän Roberto Luongo nur noch Negativrekorde auf
und riskieren, in die untere Tabellenhälfte im Westen durchgereicht zu werden.
Und vielleicht haben die ’Nucks mit Luongo und Sundin auf die falschen Pferde
gesetzt: Beide sind zwar durchaus begabte Spieler, aber sie hatten auch mit
ihren früheren Vereinen nicht gerade den Erfolg gepachtet gehabt und könnten
auch diese Saison wieder Golf statt Endrunden-Feeling genießen, sofern sich
nicht schnellstmöglich allgemeine Besserung einstellt.
Die
NHL-Vorrunde geht übrigens am kommenden Dienstag mit insgesamt elf Partien
weiter.
(Oliver
Stein)