Pause in der NHL: 30 Teams im Midseason Check, Teil 1

Etwas mehr
als die Hälfte aller Partien sind in der Vorrunde der National Hockey League
absolviert und am kommenden Wochenende steht das All Star-Spiel an; ein guter
Zeitpunkt also, die 30 Klubs einer kurzen Analyse zu unterziehen. Beginnen wir
mit der Eastern Conference:
Atlanta
Thrashers – Ilya Kovalchuk wird auch in dieser Saison die Play-Offs von
außerhalb betrachten dürfen. Zwölf Punkte Rückstand auf den Tabellen-Achten,
dazu keinerlei Konstanz im Team – es sieht nicht gut aus für den Klub aus
Georgia, der noch vor knapp zwei Jahren auf dem richtigen Weg schien, sich dann
aber durch unkluge Deals (Hossa, Tkachuk) ins Abseits manövrierte. Immerhin
spielt Center Bryan Little eine gute Saison; ein kleiner Hoffnungsfunken für
die Zukunft, in der die Thrashers unbedingt mehr Unterstützung für Kovalchuk und
bessere Leistungen ihrer Torhüter benötigen werden, um wieder unter die ersten
Acht im Osten zu kommen.
Boston
Bruins – Man muss sich nur einmal die Plus-Minus-Statistik der gesamten Liga
anschauen, um zu sehen: Die Bruins sind die positivste Überraschung im Osten,
wobei die vielen Ausfälle langsam ihren Tribut fordern. Trotzdem: Boston hat
mit Tim Thomas und Manny Fernandez zwei exzellente Goalies, dazu die
statistisch beste Abwehr der gesamten Liga und
– wenn alle Mann an Bord sind – extrem gefährliche Sturmreihen, in denen
besonders die Youngsters Phil Kessel, Milan Lucic, David Krejci und Blake
Wheeler überzeugen. Falls sich das Krankenlager in der zweiten Saisonhälfte
lichtet, sind die Bruins ein ganz heißer Tipp für die Conference Finals oder
sogar mehr.
Buffalo
Sabres – Es geht wieder aufwärts in Upstate New York. Trainer-Dauerbrenner
Lindy Ruffs Team kämpft erneut um einen Play-Off-Platz, nur sieht es diesmal
erheblich besser aus als vergangene Saison, auch weil Thomas Vanek endlich
wieder Leistungen abliefert, die sein Monstergehalt von 8 Millionen US-Dollar
pro Jahr schon eher rechtfertigen. Dazu hat Derek Roy den Sprung unter die
Center-Elite geschafft. Unschön sind dagegen die bislang sehr biederen
Saisonbilanzen von Maxim Afinogenov (-14) und Jochen Hecht (-12), die sich
beide nach der Pause steigern müssen; Afinogenov wird aber zunächst seine
Leistenprobleme auskurieren, wie auch Teppo Numminen und Henrik Tallinder dem
Team auf unbestimmte Zeit fehlen werden. Mit Ryan Miller im Tor in Topform
sollte es aber gerade so für die Endrunde reichen.
Carolina
Hurricanes – Der Stanley Cup-Sieger von 2006 hat bereits die Pferde gewechselt
– Paul Maurice löste am 3. Dezember 2008 Peter Laviolette als Trainer ab – und
kämpft wie die Sabres um den letzten Play-Off-Platz im Osten. Erschreckend
sind dabei die katastrophalen Plus-Minus-Werte (-29) von Kapitän Rod Brind’Amour,
ehemals zweifacher Selke Trophy-Gewinner als defensivstärkster Stürmer der
Liga. Einfach wird es nicht für die ’Canes: Goalie Cam Ward wird an seine Conn
Smythe-Saison 2006 anknüpfen und endlich konstanter spielen müssen. Ähnliches
gilt für Stürmer Sergei Samsonov, der in Carolina diese Saison scheinbar wieder
einmal einen Gang zurückgeschaltet hat, nachdem er im April 2008 einen neuen
Dreijahresvertrag bekommen hatte. Einfache Gleichung: Carolina braucht vorne
mehr Tore, dafür hinten weniger Schnitzer. Prognose: Auch dieses Jahr werden
die Hurricanes knapp scheitern.
Florida
Panthers – Zuletzt standen die Panthers im Frühjahr 2000 in den Play-Offs, die
sie in ihrer fünfzehnjährigen Klubgeschichte überhaupt erst zweimal erreicht
haben. Derzeit liegt das Team aus Sunrise nur einen Zähler hinter einem
Endrundenplatz und hat dabei noch zwei Spiele weniger bestritten als die
direkte Konkurrenz. Falls sich Torwart Craig Anderson nach ein paar weniger
guten Spielen wieder fängt und an seine Frühform anknüpft, und falls Linksaußen
David Booth weiter unerwartet viel skort, könnte es etwas werden mit der
Postseason. Bei abknickenden Leistungskurven der zwei unverhofften Hoffnungsträger
geht jedoch die Hockey-Sonne in Sunrise auch dieses Jahr wieder Anfang April
unter.
Montréal
Canadiens – Der Rekordtitelträger liegt wie erwartet auf Play-Off-Kurs, hat
dabei aber auch viele Ausfälle kompensieren müssen. Torwart Carey Price,
Kapitän Saku Koivu und die Außenstürmer Chris Higgins und Aley Tanguay sind
nicht eben einfach zu ersetzen, doch die Habs sind tief besetzt und sammeln
trotzdem Punkte. Ob es aber im Jubiläumsjahr – der Klub wurde 1909 gegründet –
zu mehr als nur zur Endrundenteilnahme reicht, ist zweifelhaft, denn allein im
Osten erscheint die Konkurrenz zurzeit stärker als das einzige frankokanadische
Team in der NHL.
New Jersey
Devils – Was macht man, wenn einem der wichtigste Spieler für mehrere Monate
ausfällt? Einfach weiterspielen und, wie im Falle des dreifachen Cup-Siegers,
seit der Verletzung von Torwart Martin Brodeur einfach vorne mehr Tore
schießen. Insofern hat Flügelstürmer Zach Parise dem Routinier aus Québec
vielleicht fast schon den Rang
abgelaufen. Mit der Neuerwerbung Brendan Shanahan kam das zuletzt fast
brachliegende Powerplay der Devils auf Touren, und in ein paar Wochen soll auch
Brodeur wieder mitwirken. Mit New Jersey ist in den Play-Offs sicher zu
rechnen.
New York
Islanders – Vielleicht liegt es ganz einfach am Trinkwasser auf Long Island,
wer weiß? Momentan sind die Isles jedenfalls wieder einmal die Lachnummer der
Liga. Ihr teures Kronjuwel Rick DiPietro ist zum gefühlten zweitausendsten Mal
verletzt und wird für den Rest der für den vierfachen Stanley Cup-Sieger
katastrophal verlaufenden Saison ausfallen, Backup Joey MacDonald hat eine Leistenzerrung
und muss ebenfalls pausieren, und der Hoffnungsträger aus Russland, Ex-Islander
Wade Dubielewicz, wird dem Klub einfach so von der Waiver Liste geklaut. Jetzt
kann es für die Isles nur noch darum gehen, in der diesjährigen Talentziehung John
Tavares oder Victor Hedman zu erwischen.
New York
Rangers – Kein Jagr, na und? Während der letztjährige Blueshirts-Kapitän aus
Omsk bereits zaghafte Signale gen Nordamerika sendet, dass er doch allzu gerne
wieder in der NHL spielen würde (dann aber lieber mit Little Sidney in
Pittsburgh), hängen die Rangers trotz offensichtlicher Überzahl-Schwäche in der
Atlantic Division dicht an den Devils dran und sind guter Dinge, auch diesmal
die Endrunde, wenn möglich sogar mit Heimrecht in der ersten Serie, zu packen.
Daran hat unerwartet ein anderer Osteuropäer enormen Anteil: Nikolai Zherdev
ist zwar immer noch nicht der konstanteste Skater unter der Sonne, hat aber zu
seinen unbestrittenen Skorer-Qualitäten inzwischen auch das Zweiwegespiel
erlernt, das ihm früher in Columbus so wenig gelegen hatte. Die Play-Offs sind
locker drin für die Rangers, alles Weitere steht und fällt mit der Form von
Goalie Henrik Lundqvist, Kapitän Chris Drury sowie Spielmacher Scott Gomez –
und mit den Launen von Zherdev.
Ottawa
Senators – Tief gefallen sind die Senatoren, die Gründe sind mannigfaltig: Im
Tor herrscht trotz der Verbannung von Ray Emery nach Russland immer noch keine
Klarheit, kürzlich durfte Martin Gerber sogar den Weg in die AHL antreten. Dazu
haben die Sens in der Abwehr nach den Abgängen von Wade Redden, Andrej Meszaros
und Mike Commodore einfach nicht mehr die Qualität von früher. Und im Sturm
fehlt nach wie vor eine konstant skorende zweite Reihe hinter
Spezza-Heatley-Alfredsson, die zwar immer noch an guten Tagen alles in Grund
und Boden schießen können, jedoch immer häufiger von gegnerischen Checkern
neutralisiert werden. Diese Saison sollten die kanadischen Hauptstädter
schleunigst abhaken und eine neue Truppe für die Zukunft aufbauen.
Philadelphia
Flyers – Auch die Flyers können die Atlantic Division noch gewinnen und damit
zumindest für die erste Play-Off-Runde Heimrecht genießen. Sollte sich Daniel
Briere auch endlich wieder völlig gesund melden und Simon Gagne weiter in Form
kommen, sind die Männer in Schwarz-Orange sogar ein ernstzunehmender
Titelkandidat. Dazu hat sich Jeff Carter diese Saison endgültig zum Knipser par
excellence entwickelt und gibt der Flyers-Offensive eine neue Dimension. Im Tor
hat Martin Biron bereits in den letztjährigen Play-Offs bewiesen, dass er das
Team tragen kann; zudem spielt Backup Antero Niittymäki, der Alptraum jeder
Windows-Rechtschreibprüfung, zurzeit fast noch besser als Biron. Rosige
Aussichten also in Pennsylvania, wo man es den Baseball-Champions Philadelphia
Phillies gern nachmachen würde.
Pittsburgh
Penguins – Entgegen der Äußerung von Kapitän Sidney Crosby im sattsam bekannten
NHL-Werbespot präsentiert sich das selbsternannte Team der Zukunft diese Saison
deutlich schwächer als vergangenes Jahr. Seltsam, haben die Pens mit Sid the
Kid und Geno Malkin doch die zwei momentanen Topskorer der NHL in ihren Reihen.
Verletzungen, indiskutable Torhüter-Leistungen und auch ein wenig der Mangel an
Toughness haben Pittsburgh unter die falschen Acht in der Tabelle im Osten
gebracht, dazu steht Coach Michel Therrien durchaus im Kreuzfeuer der Kritik. Das
Team braucht unbedingt eine Siegesserie, um wieder an sich selbst zu glauben. Ansonsten
kann man Crosby und Malkin möglicherweise bereits Ende April bei der Eishockey-WM
in der Schweiz bewundern.
Tampa Bay
Lightning – Hochmut kommt vor dem Fall, und im Sport kann man den Erfolg nicht
einfach kaufen. Zu dieser Erkenntnis dürften nun auch Oren Koules und besonders
Len Barrie, die beiden neuen Besitzer des in Florida beheimateten Stanley
Cup-Siegers von 2004, gekommen sein. Die Spieler können einem fast Leid tun,
denn sie haben am wenigsten Schuld an der verfahrenen Situation, in der sich
der Klub nun befindet. Der wahnwitzige Einfall, TV-Kommentator Barry Melrose
nach dreizehnjähriger Pause zurück an die Bande zu holen, war nur der Gipfel in
einem Entscheidungs-Wirrwarr, das zu Recht von nordamerikanischen Journalisten
das Prädikat „Besonders bizarr“ erhalten hat. Vermutlich wird in Kürze Kapitän
Vincent Lecavalier den Klub (Richtung Montréal?) verlassen, andere werden
folgen.
Toronto
Maple Leafs – Neue Besen kehren gut, wie steht's mit Torontos Neu-Manager Brian
Burke? Um den Unrat seiner Vorgänger zu beseitigen, benötigt der frühere
Sportliche Leiter der Anaheim Ducks indes mehr als nur ein Kehrgerät. Zumindest hat
Burke gleich klargestellt, wer der Boss in Ontario ist und Altstar Mats Sundin eine
Absage erteilt, um wenig später in der Leafs-Abwehr aufzuräumen und Brian
McCabe und Carlo Colaiacovo zusammen mit Stürmer Alexander Steen zu veräußern. Viel Zählbares ist für den
Traditionsklub jedoch bislang noch nicht herausgesprungen, aber Burke sieht
diese Saison offiziell nur als Zwischenstation auf dem Weg in bessere Zeiten. Mal sehen, wie
lange Presse und Fans in Ontario auf diese Zeiten noch warten wollen.
Washington
Capitals – Auch wenn die beiden Goalies Brent Johnson und besonders José
Théodore in dieser Saison noch nichts wirklich Weltbewegendes zustande gebracht
haben: Die Capitals spielen oben mit, werden ziemlich sicher die Southeast
Division gewinnen und könnten Washington dieses Jahr neben dem ersten schwarzen
Präsidenten der USA vielleicht auch den ersten Stanley Cup-Titel bringen. Alexander
Ovechkin ist wie gehabt der gefährlichste Stürmer der NHL und hat diese Saison
auch genügend Unterstützung von seinen Kollegen, allen voran Nicklas Bäckström
und Alexander Semin; dabei haben sich Routiniers wie Sergei Fedorov und Michael
Nylander bislang noch vornehm zurückgehalten. Der Neuaufbau der Caps ist also
wesentlich schneller vollbracht worden als erwartet. Schade nur, dass Olaf
Kölzig nun in Tampa spielt.
Morgen folgt
die Western Conference.
(Oliver
Stein)