NHL: Der Tanz beginnt

In der Nacht
von Mittwoch auf Donnerstag starten – zumindest für uns Europäer – die Playoffs
in der NHL mit vier Partien. In Nordamerika beginnen die höchst interessanten
Begegnungen um 19 Uhr Ortszeit, zumindest die Partien zwischen Washington und
den New York Rangers sowie das erste Spiel der Serie zwischen Pittsburgh und
Philadelphia. Eine halbe Stunde später gehen die New Jersey Devils gegen die Carolina
Hurricanes ins Rennen, um 22 Uhr (die Zeit wird immer in „Eastern Time“, also der
Uhrzeit der amerikanischen Ostküste, angegeben) starten die Vancouver Canucks
ihre Serie gegen die St. Louis Blues. Rechtzeitig zum Start der Playoffs geben
die Hockeyweb-NHL-Fachleute Patrick Bernecker und Oliver Stein einen Ausblick.
Teil 1 beschäftigt sich mit den Partien des heutigen Tages, Teil zwei folgt
morgen.
EASTERN CONFERENCE
(in Klammer
die Vorrundenplatzierung)
Washington Capitals (2.) – New York Rangers (7.)
Zwei
grundverschiedene Eishockey-Philosophien prallen hier aufeinander: Die Caps mit
der Irrsinns-Offensivkraft von Ovechkin, Bäckström, Green, Semin & Co.
gegen das Abwehrbollwerk der Rangers um Torwart Henrik Lundqvist. Beide Teams
machen aus der Not eine Tugend – die Capitals haben die Wundertüte José
Théodore zwischen den Pfosten und schießen lieber vorne aus allen Rohren, als
sich auf ihren Goalie zu verlassen, und New York bringt diese Saison einfach
kein konstantes Angriffsspiel zustande.
Die Vorrunde 2009
Die
Vorrundenpartien zwischen den beiden Klubs waren ganz heiße Geschichten; einmal
holte Washington einen 0:4-Rückstand noch auf und gewann in der Verlängerung.
Den Rangers haben der Trainerwechsel und vor allem die Neuzugänge Derek Morris
und Nik Antropov zur Trade Deadline gut getan.
Die Historie
Beide Klubs
trafen in der Endrunde bislang viermal aufeinander und siegten je zweimal.
Die Chancen
Natürlich
darf man zunächst einmal darauf gespannt sein, ob Großmaul Sean Avery diesmal
endlich rote Ohren verpasst bekommt. Wenn Lundqvist die Spiele eng halten kann
und Scott Gomez, Nikolai Zherdev, Chris Drury, Markus Näslund und Antropov
Théodore ordentlich beschäftigen können, ist in dieser Serie eine Überraschung
möglich.
Die Einschätzung
Die Caps sollten
ihren Run-and-gun-Stil durchsetzen können und die Lichter am Broadway ausschießen.
Prognose: Washington macht es spannend, setzt sich aber in sieben Spielen durch.
New Jersey Devils (3.) – Carolina Hurricanes (6.)
Und
plötzlich konnten die Devils auch offensiv spielen, als nämlich ihr
Leib-und-Magen-Athlet Martin Brodeur mehrere Monate nicht das Tor hüten durfte.
Zach Parise, Travis Zajac, Brian Gionta, Patrik Elias – alles Leute mit
ausgeprägtem Torriecher, die den einstigen Hockey-Nihilisten aus New Jersey
ungeahnte Qualitäten verliehen. Die werden sie gegen den Stanley-Cup-Sieger aus
dem Jahr 2006 auch brauchen, denn die Hurricanes kommen mit großem Schwung und
einem buchstäblich heißen Goalie Cam Ward in die Play-Offs.
Die Vorrunde 2009
Die ’Canes
haben die Mehrzahl der diesjährigen Vorrundenspiele (3:1) gewonnen; die einzige
Niederlage handelten sie sich ein, als es für beide Teams um nichts mehr ging.
Die Historie
Drei Serien
bisher, davon gewann New Jersey die erste - die letzten beiden entschieden wiederum die Hurricanes für sich.
Die Chancen
Ray Whitney,
Eric Staal, Tuomo Ruutu und Dennis Seidenbergs offensiv ausgerichtete
Abwehrkollegen Anton Babchuk und Joe Corvo dürften der Devils-Defensive, die
diesmal nicht mehr so sattelfest scheint wie um die Jahrtausendwende,
ordentlich einheizen. Der große Unbekannte ist diesmal Brodeur, der nach dem
Erreichen seines Meilensteins (552 Siege in der NHL) deutlich nachließ, um
gegen Saisonende noch einmal Tendenz nach oben zu zeigen.
Die Einschätzung
Kann Brodeur
noch einmal zulegen und können Bobby Holik und John Madden die Uhr noch einmal
zurückdrehen und Staal & Co. neutralisieren, packen es die Devils in Runde
zwei – doch das sind zu viele Wenn und Aber. Die Hurricanes eliminieren New Jersey in sechs Spielen.
Pittsburgh Penguins (4.) –
Philadelphia Flyers (5.)
„Schlacht um
Pennsylvania“ oder „Der Fluch der frankokanadischen Torhüter“? Marc-André
Fleury bei den Pens und Martin Biron bei den Flyers sind Schlussmänner, denen
es vor allem an Konstanz mangelt. Genau die werden sie aber gegen die
gegnerischen Scharfschützen brauchen, denn an Feuerkraft stehen sich beide
Teams praktisch in nichts nach.
Die Vorrunde 2009
Pittsburgh
scheint zum rechten Zeitpunkt in Form zu kommen, und die Flyers könnten sich
über das am letzten Vorrundenspieltag leichtfertig verlorene Heimrecht noch
einmal sehr ärgern. Dazu haben die Pens die Serie in der Regular Season mit
4:2-Spielen für sich entschieden – die letzte Partie gewannen allerdings die
Flyers in Pittsburgh mit 3:1.
Die Historie
Ganz
Philadelphia sinnt auf Revanche für die Playoffs 2008, als die durch
Verletzungen gebeutelten Flyers den Pinguinen in fünf Spielen unterlagen. Erwähnenswert
noch 1997, als Philly Pittsburgh in der ersten Runde in fünf Partien rauswarf
und deren Kapitän Mario Lemieux danach erst mal seine Karriere beendete (drei
Jahre später erfolgte sein Rücktritt vom Rücktritt).
Die Chancen
Wenn Phillys
Kapitän Mike Richards Penguins-Spielführer Sidney Crosby aus dem Spiel nehmen
kann und dazu Vorrunden-Topskorer Evgeni Malkin einmal mehr seine Playoff-Krise
kriegt, haben die Flyers gute Aussichten. Natürlich müssen auch Simon Gagne,
Daniel Brière, Joffrey Lupul und Torjäger Jeff Carter produzieren. Die Pens
vertrauen vor allem auf Chris Kunitz und Bill Guerin.
Die Einschätzung
Die Schlacht kann beginnen, die Flyers werden
alles geben, aber die Penguins sind sehr schwer zu knacken. Pittsburgh muss über die volle Distanz und
gewinnt in sieben Spielen.
WESTERN CONFERENCE
Vancouver Canucks (3.) – St. Louis
Blues (6.)
Beide Teams
haben zum Ende der Vorrunde einen entscheidenden Schritt in der Tabelle gemacht:
Vancouver sicherte sich mit drei Siegen in Folge (darunter zweimal ein 1:0) die
Krone der Northwest Division und kam trotz weniger erzielten Punkten als die
Chicago Blackhawks auf Platz drei. Das Team aus St. Louis ist für uns die
Mannschaft des Jahres: Bereits früh in der Saison verletzten sich Erik Johnson
(im September 2008) und Eric Brewer (Dezember), zwei tragende Säulen der
Abwehr, auch Stürmer D.J. King musste bereits im Oktober einen Haken hinter die
Saison setzen. Seit Anfang November fehlt zudem Paul Kariya, der die Reise zum
ersten Spiel in Vancouver nicht mit angetreten hat und wohl auch in Spiel zwei
fehlen wird. Trotz dieser Misere schafften die Blues die Play-Offs und ihre
beste Saison seit 2002-03.
Die Vorrunde 2009
Es
deutet alles auf eine spannende Serie hin: In St. Louis gewannen die Canucks
(6:4), verloren aber Spiel zwei (2:4), die Blues siegten in Vancouver in Spiel
eins (6:4), verloren aber das Rückspiel mit 0:3. Vier Spiele, jedes Team gewann
zweimal.
Die Historie
Zum ersten
Mal trafen die Canucks in den Play-Offs 1994 auf die Blues und schalteten sie
in sieben Spielen aus. Zuletzt sahen sich beide Teams 2003, als erneut die
Canucks mit 4:3 knapp die Oberhand behielten.
Die Chancen
Mit
Spielern wie Mats Sundin, den Sedin-Brüdern Daniel und Henrik, Pavol Demitra
oder Alexander Edler und Mattias Öhlund sind die Canucks namhafter besetzt. Die
Blues sind ein junges Team mit viel Dynamik und Leidenschaft, das sich im
Verlaufe der Saison immer besser eingespielt hat. Die größte Hürde dürfte aber
Torwart Roberto Luongo sein: Mit neun Shutouts hat er einen neuen Klubrekord in
Vancouver aufgestellt, obwohl er in 24 Spielen verletzungsbedingt nicht dabei
war. Dazu verstehen die Canucks wirklich, hinten alles dicht zu machen: Nur
sechs Teams in der Liga haben weniger Tore kassiert als sie. Aber Vancouver ist
in Überzahl wie in Unterzahl nur Durchschnitt, die Blues sind hier stark (Platz
3 im PK, Platz 8 im PP). Und ihr Torhüter Chris Mason spielt seit Monaten auf
enorm hohem Niveau. Es mangelt den Blues allerdings an Play-Off-Erfahrung. Das
könnte letztlich der Knackpunkt sein: Für die Blues ist ein Ende in der ersten
Runde, wie es die Pittsburgh Penguins 2007 trotz Malkin und Crosby erlebten,
möglich.
Die Einschätzung
Es wird
spannend, Vancouver ist der Favorit, aber einen Durchmarsch wird es nicht
geben. Beide Teams gehören seit dem 1. Februar zu den erfolgreichsten in der
Liga – und treffen jetzt aufeinander. Das kann ja nur gut werden. Vancouver
setzt sich in sechs Spielen durch.