NHL: Der neue Gesamtarbeitsvertrag aus deutscher und europäischer Sicht
NHL-Playoffs: Tampa Bay und Calgary spielen um den Stanley CupIn seiner September-Kolumne beschäftigt sich der Schweizer NHL-Scout
Thomas Roost mit den Auswirkungen des neuen Gesamtarbeitsvertrags in der NHL
auf junge deutsche und europäische Spieler:
Mit Phillip
Gogulla wurde nur ein einziger Deutscher Spieler im vergangenen Juni für den
NHL-Draft berücksichtigt. Die Buffalo Sabres haben sich die Rechte an Gogulla
bereits in der zweiten Runde gesichert. Eine Runde früher als ich es erwartet
habe. Herzliche Gratulation an Phillip Gogulla! Dies ist eine Belohnung für
eine sehr gute Saison. Wieso aber blieb Phillip Gogulla der einzige Deutsche
NHL-Draft 2005?
- Seit
diesem Jahr werden pro Draft mehr als 20% weniger Spieler ausgewählt als
bisher.
- Der
Draft eines europäischen Spielers kostet die NHL neu deutlich mehr Geld,
Ausbildungskosten wird dies genannt und macht auch Sinn. Dies führt dazu,
dass im Zweifelsfall eher Nordamerikaner gedraftet werden als Europäer.
- Der
wohl wichtigste Grund ist die Tatsache, dass gemäß den neuen Bestimmungen
die Rechte an europäischen Spielern nach dem Draft nur noch zwei Jahre
aufrecht erhalten bleiben, sofern der betroffene Spieler nicht unter Vertrag
genommen wird. Dies ist eine Angleichung an die Bestimmungen mit Kanadischen
Spielern. Ausgenommen von dieser Regelung sind nur noch die College-Spieler
aus den USA.
- Christoph
Gawlik war ein weiterer Draftkandidat. Das Risiko, ihn zu draften war aber
hoch, weil Gawlik über weite Strecken in der Draftsaison verletzt war. Eine
ausgewogene Überprüfung seines Leistungspotenzials war deswegen nur
bedingt möglich.
Diese neuen Regelungen haben Auswirkungen auf das Draftverhalten der
NHL-Verantwortlichen. Europäer werden künftig eher weniger gedraftet, weil
man ohne Vertragsofferte die Rechte an ihnen verliert bevor man in vielen Fällen
abschätzen kann, ob sich der Spieler hin zum NHL-Niveau entwickelt oder
eben nicht. Im Zweifelsfall werden diese Spieler nicht gedraftet und in den
kommenden Saisons weiter beobachtet. Für 17-jährige Deutsche wird es somit künftig
schwieriger, von einem NHL-Club berücksichtigt zu werden. Für so genannte
„Overager“, Spieler die das Draftjahr bereits hinter sich haben und nicht
berücksichtigt wurden, wird es hingegen eher einfacher. Für die Betroffenen
bedeutet dies vermehrt: Ein Nicht-Draft für die NHL verschließt noch längst
nicht alle Türen in die beste Eishockey-Liga der Welt. Dran bleiben, hart an
sich arbeiten, mehr tun als andere – dies sind nach wie vor die Zauberworte
für junge deutsche Talente.
Eine noch markantere Änderung erwarte ich im Draftverhalten mit russischen
Spielern. Bereits im Juni 2005 wurden russische Spieler so spät wie noch nie
berücksichtigt. Dies liegt nur teilweise am verhältnismäßig beschränkten
Talent des russischen Jahrganges 87. Viel wichtiger ist die Tatsache, dass die
russische Liga mittlerweile gehaltsmäßig mindestens in Einzelfällen mit der
NHL mithalten kann. Zudem hat der russische Verband als einziger das
Transferabkommen zwischen den europäischen Ländern und der NHL nicht
unterzeichnet. Bis jetzt lag das Risiko beim Draft von russischen Spielern
einzig im technischen Aspekt. Entwickelt sich dieser Spieler so, wie wir das
erhoffen? Neu kommen zwei zusätzliche Risiken hinzu: Ist der russische
Jungstar interessiert, in der NHL zu spielen wenn er doch in der heimischen
Liga ähnliche Dollarmengen verdienen kann? Kommt ein Spielerwechsel nach
Nordamerika zu Stande wenn sich die russischen Clubs quer stellen und
Phantasiebeträge als Ablösesummen fordern? Fragen über Fragen. Zu viele
Fragen. Nur noch russische Ausnahmetalente werden ohne ungutes Gefühl für
die NHL gedraftet oder dann aber gute Talente in einer späten Runde. In späten
Runden hat man eh nicht mehr viel zu verlieren. Alles in allem erachte ich den
neuen Gesamtarbeitsvertrag als sehr gut. Sehr gut für die wirtschaftliche
Entwicklung der NHL und auch nicht so schlecht für die Spieler wie dies auf
den ersten Blick scheinen mag.
Zurück zu Deutschland: Junge deutsche Supertalente werden unter den neuen
Bedingungen tendenziell eher in der DEL reifen, um dann mit 20, 21 oder 22
Jahren den Sprung nach Nordamerika zu schaffen. Teenager, die als 18-Jährige
den Sprung in die NHL via AHL wagen, wird es künftig weniger geben. Dies ist
auch zum Wohle der DEL, so wie ich meine. Zürich / Thomas Roost