Nach Massaker: Emotionale Heimpremiere der Vegas Golden Knights NHL-Neuling schafft Historisches
Vegas-Kapitän Deryk Engelland sprach vor der Partie bewegende Worte. picture alliance /AP PhotoÜberall war die Botschaft zu lesen. In riesigen Lettern auf dem legendären Las Vegas Strip. Auf den Mützen der Menschen, auf Schildern, Werbetafeln und auf der Videoleinwand der T-Mobile-Arena, der Heimat der Vegas Golden Nights, des neuen Klubs aus der NHL: ’WHEN THINGS GET DARK, LAS VEGAS SHINES. #VegasStrong“.
Es sollte eine rauschende Nacht werden im Spielerparadies, wo Menschen in bunte Phantasiewelten eintauchen. Eine gigantische Show für das erste Heimspiel des ersten Profi-Klubs aus einer der nordamerikanischen Top-Ligen in der Wüstenstadt. Doch das Massaker vom 1. Oktober legte einen dunklen Schatten über die glitzernde Metropole. Der 64-jährige Stephen Paddock hatte mit einem Maschinengewehr aus seinem Hotelzimmer das Feuer auf die Besucher eines Country-Festivals eröffnet, 58 Personen erschossen und mehr als 500 verletzt. Der Schock des unfassbaren Blutbades legte sich wie ein zentnerschwerer Stein auf die Herzen, alle Leichtigkeit im Glücksspiel-Mekka war verschwunden. Wie sollte sich die Organisation der Knights trotz des großen Leids verhalten? Einfach zur Tagesordnung zurückkehren? Unmöglich! Die neue Franchise der NHL in Nevada wollten die Tragödie nicht ausnutzen. Sie wollte den Menschen wieder Grund zur Freude geben. Die Möglichkeit, sich zu umarmen. Miteinander zu jubeln. Zu vergessen. "Wir haben eine einzigartige Verantwortung und die Gelegenheit, 17000 Menschen alle Kraft und Güte zu geben, die uns möglich ist", sagte Jonny Greco, Unterhaltungschef der Knights.
Dies gelang. Für die Golden Knights wurde es ein hochemotionaler und erfolgreicher Abend, der mit einem 5:2-Sieg gegen die Arizona Coyotes (Nationalspieler Tobi Rieder traf zum zwischenzeitlichen 1:4) endete. Damit nicht genug. Es war der dritte Sieg in Folge. Eine historische Marke. Noch nie war dies einem Neuling in der Geschichte der NHL gelungen.
Las Vegas ist eine schillernde Stadt voller unterschiedlicher Nationalitäten. Die Knights ebenso. Von der Geschäftsseite bis zum Umkleideraum. Die meisten Stars sind erst ein paar Wochen da. Fremde Glücksritter in einem Kokon, einem von Sand umgebenen Vergnügungspark. Plötzlich aber hatte jeder eine gemeinsame, schreckliche Erfahrung. Dies schweißte zusammen. Stadt und Klub wurden zu einem Schmelztiegel des Schicksals. Gemeinsam! Sind! Wir! Stark! Schon nach dem Attentat hatten die Knights alle Promotion-Veranstaltungen abgesagt, stattdessen Opfer, ihre Familien, Ersthelfer besucht und Blut gespendet. Sie arbeiteten mit der gemeinnützigen Stiftung NHL zusammen, sammelten 300.000 US-Dollar.
Den Opfern wurde in verschiedenen Aktionen vor dem Spiel gedacht. Überlebende und Helfer durften bei der Mannschaftspräsentation neben den Eishockeyspielern einlaufen und die Nationalhymne auf dem Eis mitsingen. Der Erfolg zauberte für einen Abend das Lachen zurück in die Gesichter, die zuvor festgefroren waren. Fratzenhaft. Zu Masken erstarrt. Jeder Treffer wurde frenetisch gefeiert, mit ohrenbetäubenden Jubel. Für ein paar Stunden konnten man den Ballast der Tragödie abwerfen.
Auch die Stars zeigten sich hochemotional. Verteidiger Nate Schmidt zum Beispiel war dem Unglück knapp entkommen. ’Ich hatte darüber nachgedacht, zum Konzert zu gehen. Ich war zum Abendessen, kam dort aber nicht schnell genug weg.“ Oder Verteidiger Deryk Engelland. Der 35-jährige Routinier spielte zu Beginn seiner Karriere in der ECHL für die Las Vegas Wranglers und lebt seitdem mit seiner Familie in der Wüstenstadt. Er hatte Freunde, die beim Konzert um ihr Leben rannten. Freunde unter den Ersthelfern. Ergriffen nahm der Kapitän der Knights nach einer Schweigeminute, die im Gedenken an die Opfer 58 Sekunden dauerte, das Mikrofon und richtete sich mit bewegenden Worten an die Fans: ’So wie ihr alle bin ich stolz darauf, Las Vegas meine Heimat zu nennen. Ich habe meine Frau hier getroffen, meine Kinder sind hier geboren, ich weiß wie besonders diese Stadt ist. Wir werden alles tun, damit diese Stadt heilt." Noch im Sommer hatte der Star an einem Benefizspiel zugunsten der Feuerwehr von Las Vegas teilgenommen. Nach der Tragödie brachten seine Frau und er Lebensmittel in die Wachen. ’Man fühlt sich so hilflos“, sagte Engelland. ’Man kann einfach nur rausgehen und versuchen, alles zu geben was man kann.“
Sieht Marc-Andre Fleury genauso. Die Torwart-Legende ist für viele der Superstar des Teams. Natürlich ist auch er neu in der Stadt. Doch er hat sie schon tief in sein Herz aufgenommen. ’Heimat ist da, wo ich lebe. Hier steht mein Haus. Hier ist meine Familie. Natürlich sind mir die Menschen nahe. Denn das ist jetzt meine Stadt“, sagte der Olympiasieger, der von 2004 bis zur vergangenen Saison für die Pittsburgh Penguins im Kasten stand. ’Wir können nicht vergessen machen, was geschehen ist. Aber wir können versuchen, dass die Menschen in Vegas stolz auf ihr Team sind. Sie für ein paar Stunden ablenken, dafür sorgen, dass sie mit ihren Gedanken woanders sind. Es wäre schön, wenn uns das gelingt“, erklärte der 32-Jährige.
Scheint zu klappen. Engelland erzählte, dass er nach dem Spiel von seinen Kumpels aus der Feuerwache angerufen wurde. ’Sie sagten, dass unsere Erfolge ihnen enorm Kraft geben. Vor allem aber, dass sie nicht mehr über das Attentat reden, sondern über den Sport.“ Die Knights schafften nicht nur eine sportlich historische Leistung, sondern im dunklen Schatten des Todes ein kleines Licht zu entfachen, das reicht, um Hoffnung zu geben. Das noch heller erstrahlen wird, sollte der nächste Triumph gelingen. Am Freitag wollen die goldenen Ritter bei den Detroit Red Wings ihren goldenen Weg fortsetzen.
Freude und Hoffnung befreien Seelen und Herzen. Das ist schon jetzt der größte Sieg der Vegas Golden Knights. (Autor: RT)