„Ich weiß, was ich kann – und wo ich mich verbessern muss“Leon Draisaitl im Hockeyweb-Interview

Leon, erstmal herzlichen Glückwunsch zum Scoring-Rekord, den Sie dem aktuellen Bundestrainer Marco Sturm entrissen haben. Ganz einfache Frage: Wie fühlt es sich an, diesen Meilenstein nun erreicht zu haben?
Es fühlt sich ganz gut an, aber für mich selbst ist das, ehrlich gesagt, keine so große Sache. Mir ist es wichtiger, dass ich mit meiner Leistung dabei helfen kann, dass wir Spiele gewinnen. Es ist natürlich eine ganz lustige Geschichte, dass ich damit jetzt den aktuellen Bundestrainer überholt habe, aber ich habe schon im Vorfeld gesagt, dass so viele deutsche Spieler vor mir schon so viel erreicht haben in der NHL. Davor habe ich sehr großen Respekt und möchte mich daher nicht über sie stellen. Aber es ist schon eine schöne Sache, weil es ja auch für mich ein Punkte-Rekord ist.
Neben Ihrem persönlichen Rekord spielen Sie auch mit den Oilers eine grandiose Saison, die Ihrem Team nach elf Jahren Abstinenz ziemlich sicher einen Play-off-Platz bescheren wird. Wie reagieren die Leute in der Stadt, wie reagieren die Fans auf diese Aussicht?
Das spürt man schon ganz deutlich. Die Halle ist noch voller als sonst, die Fans sind noch lauter und machen richtig Stimmung. Man merkt einfach die große Freude darüber, dass wir eine sehr gute Chance haben, wieder in die Play-offs zu kommen. Das ist für uns auch nochmal eine zusätzliche Motivation, jetzt noch so viele Spiele wie möglich zu gewinnen und dann in den Play-offs eine möglichst gute Rolle zu spielen.
Als gebürtiger Kölner kennen Sie das vielleicht, dass die Erwartungen gleich in den Himmel wachsen. Können Sie das im Moment auch feststellen oder sind Ihre Fans etwas realistischer?
Ich glaube nicht, dass die Fans überzogene Erwartungen haben. Sie wissen, dass in den Play-offs alles möglich ist und freuen sich einfach darauf. Wir wissen auch, dass alles passieren kann und wollen, wenn wir dann in der Endrunde stehen, alles geben, um gut abzuschneiden.
Ein weiterer Erfolg sind die positiven Ergebnisse gegen die großen „Lokal-Rivalen“ aus Calgary und Vancouver. Wie ist es eigentlich, ein Spiel als Derby zu betrachten, wenn die andere Mannschaft – wie eben die Canucks – aus einer Stadt kommt, die zwölf Autostunden entfernt liegt?
Daran habe ich mich eigentlich gewöhnt, die Entfernungen in Nordamerika sind einfach größer. Diese Spiele sind für uns und auch für die Fans etwas Besonderes. Und es ist gut, dass wir gegen unsere größten Rivalen so gut abgeschnitten haben.
Derzeit liegt Ihr Team auf Platz fünf im Westen, mit den direkten Konkurrenten aus Calgary und Anaheim in engem Abstand. Schauen Sie schon mit Blick in Richtung Play-offs auf mögliche Gegner?
Natürlich schauen wir auf die Tabelle, aber wir lassen uns dadurch nicht verrückt machen. Wichtig ist, dass wir jetzt noch so viele Spiele wie möglich gewinnen, um die Play-off-Qualifikation klar zu machen, und dann eine möglichst gute Ausgangsposition zu haben.
Ihr Torwart Cam Talbot hat in dieser Saison weit über 60 Spiele von Beginn bestritten. Befürchten Sie ein Formtief in den Play-offs nach so vielen Spielen oder ist er einfach ein Vielspieler, der diese hohe Frequenz braucht?
Der Torwart ist natürlich immer wichtig, besonders in den Play-offs, aber Cam ist schon die ganze Saison sehr gut drauf und wir hoffen natürlich, dass das auch in den Play-offs so bleibt.
Mit Tobias Rieder haben wir vor einiger Zeit darüber gesprochen, wie es ist, jeden Tag gegen die Besten der Welt zu spielen. Tom Kühnhackl hat davon berichtet, wie es ist, mit einer Legende wie Sidney Crosby zu spielen. Wie aber fühlt es sich an, ein Spieler zu sein, über den sicher gesagt wird: „Wie ist es denn, mit Spielern wie McDavid oder Draisaitl zusammenzuspielen?“
Damit komme ich eigentlich ganz gut zurecht. Es freut mich, dass meine Leistung so anerkannt wird, und dass es vielleicht jüngere Spieler gibt, die so sein wollen wie man selbst. Aber ich denke, dass ich mich da ganz gut einschätzen kann. Ich weiß, was ich kann, aber ich weiß auch, wo und wie ich mich verbessern kann. Natürlich läuft es derzeit sehr gut für mich, aber es gibt immer etwas, an dem man arbeiten kann. Zusammen mit den Trainern hier und im Sommer mit meinem Athletik-Trainer, der mich wieder überragend auf die Saison vorbereitet hat, arbeite ich eigentlich ständig an mir.
Eine Frage, die viele Eishockey-Fans in Deutschland beschäftigt: Wie sieht es mit der Heim-WM im Mai? Abgesehen davon, dass das vom Abschneiden Ihrer Mannschaft in den Play-offs abhängt.
Natürlich ist für mich erstmal am wichtigsten, mit den Oilers so weit wie möglich zu kommen. Sollte unsere Saison aber vorbei sein und es zeitlich noch gehen, möchte ich die WM auf jeden Fall spielen.
Leon, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Im Laufe dieser Woche hat Leon Draisaitl sowohl gegen die LA Kings als auch die Anaheim Ducks doppelt gepunktet. Damit stehen bei ihm aus den letzten fünf Spielen bei ihm satte elf Punkte zu Buche. Insgesamt liegt Draisaitl bei 67 Zählern aus 73 Spielen und kratzt als Elfter der Rangliste an den Top 10 der besten Scorer der NHL.