Die Chancen und Perspektiven der deutschen NHL-Spieler Von Leon Draisaitl bis Leon Gawanke
Leon Draisaitl startet mit seinen Edmonton Oilers als Favorit der "Kanada-Division" in die neue NHL-Saison. (Mary Altaffer)Topscorer, wichtigster Spieler der vergangenen Hauptrunde, Sportler des Jahres in Deutschland – die herausragenden Fähigkeiten von Leon Draisaitl sind unbestritten, seine Rolle als Taktgeber und Vollstrecker in der Oilers-Offensive und als Star der gesamten Liga klar. Wenn in seiner außergewöhnlichen Karriere noch etwas fehlt, dann ist es ein langer Playoff-Run und ein echter Angriff auf den Stanley Cup. Insofern könnte das Thema Leadership für den Assistenzkapitän der Oilers an Bedeutung gewinnen, um gemeinsam mit seinem kongenialen Partner und Freund Connor McDavid an die glorreichen Tage der Gretzky-Messier-Ära anzuknüpfen. Dabei kann er auf die Unterstützung von Dominik Kahun bauen. Der Neuzugang von den Buffalo Sabres wird sogar als Draisaitls Sturmpartner in der zweiten Angriffsreihe gehandelt. Das ergäbe insofern Sinn, als sich die beiden aus Juniorenzeiten in Mannheim gut kennen.
Am Anfang eines ähnlich erfolgreichen Weges wie der von Leon Draisaitl steht womöglich Tim Stützle. Die Ottawa Senators sehen ihren Nummer 3-Draft von 2020 als feste Größe in ihrem Team, das nach zuletzt mäßigem Abschneiden wieder an alte Erfolge, als man sogar bis ins Finale vorrückte, anknüpfen will. Erste Bewährungsprobe auf der kleineren nordamerikanischen Eisfläche war die Junioren-WM in Edmonton, bei der Stützle aber eindrucksvoll seine Führungsqualitäten bewies und – zumindest auf Junioren-Level – keine großen Probleme mit der Umstellung hatte. Er hat in Kanadas Hauptstadt einen Einstiegsvertrag über drei Jahre unterschrieben und gilt als Kandidat für die zweite Sturmreihe der Sens gemeinsam mit Derek Stepan und Connor Brown.
Völlig offen hingegen ist die Zukunft von Tom Kühnhackl: Nach vielen Verletzungen wird er derzeit als inaktiv geführt. Er wartet auf ein Vertragsangebot aus der besten Liga der Welt, das aber vermutlich mit dem Umweg AHL verbunden sein dürfte. Bereits letzte Saison absolvierte einige Partien für das Farmteam der Islanders in Bridgeport, Connecticut. Womöglich steht seine NHL-Karriere mit 232 Spielen aber auch vor dem Ende.
Philipp Grubauer, als Stanley Cup-Sieger mit den Washington Capitals für den Posten der Nummer Eins im Tor der Avalanche geholt, hat den gewünschten Status in Denver bislang noch nicht erreichen können. Verletzungen warfen ihn immer wieder zurück, zudem spielt sein "Co" Pavel Francouz ebenfalls auf hohem Niveau. Grubauer hat jedoch das Zeug, für seine Mannschaft Spiele zu gewinnen. Wenn ihm das konstant(er) gelingt, kann er ein wichtiger Mosaikstein sein, der dem Team dabei hilft, den hohen Erwartungen der Buchmacher gerecht zu werden: Die sehen den zweimaligen Stanley Cup-Sieger nämlich als einen der Favoriten auf den Titel 2021.
Kühnhackls ehemaliger Teamkollege Thomas Greiss steht vor einer schwierigen Saison, denn er ist zur Schießbude der Liga nach Detroit gewechselt: Jeweils schlechtes Team der Liga bei geschossenen und erhaltenen Toren, zudem schlossen sie die Saison als Schlusslicht der NHL-Tabelle ab, mit einem Rekordabstand zu den auf Rang 30 platzierten Ottawa Senators von 23 Punkten. Die Original Six-Franchise steckt mitten im Neuaufbau, Greiss muss zeigen, dass er im Gespann mit Jonathan Bernier seinen Teil zu einem erfolgreichen Rebuild beitragen kann. Dazu hat er nicht viel Zeit, denn wie die meisten seiner Mitspieler besitzt er nur einen Vertrag für die kommende Spielzeit.
Ebenfalls nur für die kommende Saison hat Tobias Rieder bei den Buffalo Sabres angeheuert. Nach einer ordentlichen Saison in Calgary, in der er mit seinen Unterzahltoren während der Playoffs sogar ein Ausrufezeichen setzte, konnte er sich mit den Flames nicht auf einen neuen Vertrag einigen. Nun also Buffalo – ein Team, das seit zehn Jahren auf eine Playoff-Teilnahme wartet. Und auch Rieder könnte zunächst in der Warteschliefe hängen: Die Saisonvorschau der NHL-Website sieht ihn nicht als einen der ersten zwölf Stürmer. Es wird also für ihn darauf ankommen, bereit zu sein und seine Chance, die sich im Laufe der kurzen Saison sicher bieten wird, zu nutzen.
Fest eingeplant hingegen ist Nico Sturm bei Minnesota Wild. Der gebürtige Augsburger hat bislang insgesamt zehn NHL-Spiele absolviert und in den Playoffs gegen die Vancouver Canucks seinen ersten Treffer in der besten Liga der Welt erzielt. Beobachter gehen davon aus, dass er in der vierten Reihe mit Ryan Hartman und Victor Rask auflaufen wird. Er wird damit wohl nicht „Linemate“ von Neuzugang Kirill Kaprizov, an den insbesondere Nicos Namensvetter Marco äußerst gemischte Erinnerungen haben dürfte: Mit seinem Treffer in der Verlängerung des Olympia-Finales 2018 verhinderte er, dass die damals von Sturm trainierte DEB-Auswahl den größten Erfolg in ihrer Geschichte auch noch vergoldete.
Sein Team, die Los Angeles Kings, die Marco Sturm als Assistenztrainer in der dritten Saison coacht, will wieder in die Playoffs. Sie haben mit dem an Nummer Zwei gedrafteten Quinton Byfield, Alex Turcotte (Nr. 5, 2019) sowie Calvin Petersen im Tor einige interessante Spieler in der Pipeline und sich unter anderem mit Olli Määtä aus Chicago smart verstärkt. Zusammen mit dem erfahrenen Top-Trio Jonathan Quick, Drew Doughty und Anze Kopitar besteht die Chance auf eine Endrundenteilnahme.
Ihre Chance nutzen wollen auch Marc Michaelis und Lean Bergmann, die den DEL-Saisonstart in Mannheim verbrachten, dann aber von ihren Teams aus Vancouver und San Jose nach Nordamerika beordert wurden. Michaelis wird wohl für die Utica Comets in der AHL auf das Eis gehen, Bergmann für die kleinen Raubfische, die San Jose Barracuda. Der Saisonstart in der zweiten Liga Nordamerikas ist indes noch offen. Er ist laut letzten Meldungen „nicht vor dem 5. Februar 2021“ zu erwarten. Wie in der NHL auch, wird es eine verkürzte Saison geben mit einer eigenen Division der kanadischen Teams. Einige Teams werden an dieser Saison gar nicht erst teilnehmen, andere wurden näher an die Standorte ihrer Kooperationspartner in der NHL „verpflanzt“.
Moritz Seider, der im vergangenen Jahr seine ersten Einsätze in der AHL für die Grand Rapids Griffins, das langjährige Farmteam der Detroit Red Wings, absolviert hat, wird bis zum dortigen Saisonende auf Leihbasis in Schweden bei Rögle BK bleiben. Dort hat der 19jährige in 24 SHL-Spielen bereits 17 Punkte erzielt – in der traditionell defensivstarken schwedischen Liga mehr als nur beachtlich. Nicht ganz so erfolgreich im Scoring war Dominik Bökk. Der gebürtige Schweinfurter, der zur Organisation der Carolina Hurricanes gehört, geht derzeit für Djurgardens IF auf das Eis und steht in der laufenden SHL-Saison bei vier Punkten aus 20 Spielen. Wichtig ist für ihn, dass er Spielpraxis sammelt, um sich für die Canes zu empfehlen. John-Jason Peterka, Lukas Reichel und auch der aus Winnipeg zurückgekehrte Leon Gawanke werden wohl erstmal bei ihren DEL-Teams in München (Peterka) und Berlin (Reichel, Gawanke), bleiben. Leon Gawanke soll zwar wieder nach Kanada zurückkehren, wenn es in der AHL wieder losgeht, aber das ist im Moment noch offen.