Das Frühlingserwachen der NHL - Lockout bald vorüber?
NHL-Playoffs: Tampa Bay und Calgary spielen um den Stanley CupThomas Roost, unser Schweizer Mitarbeiter, der unter anderem auch für das NHL Scouting Büro in Europa arbeitet und über jahrelangen Einblick hinter die Kulissen verfügt, glaubt eine Einigung im NHL-Tarifstreit steht bald bevor.
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Die
NHL und die Spielergewerkschaft stehen kurz vor dem finalen Durchbruch in den
Verhandlungen! Warum ich das weiß? Wissen tue ich es nicht, aber es gibt untrügliche
Zeichen dafür. Ich rechne fest damit, dass die NHL ihren normalen Betrieb
wieder aufnehmen wird. Die Verhandlungen werden bist spätestens Mitte Juli im
Grundsatz erfolgreich abgeschlossen sein. Friede, Freude Eierkuchen? Meine
Antwort ist ein Ja und ein Nein.
Zuerst
zum Nein:
Die
NHL kann nicht zur Tagesordnung zurückkehren. Zu viel Geschirr ist
zerschlagen. Das heißt eine Rückkehr zur Tagesordnung würde nur Verlierer
hinterlassen. Die NHL muss wachsen in Nordamerika. Neue Fans müssen gewonnen
werden und es ist schon schwierig genug, die alten zu „reaktivieren“. Die
NHL darf und wird sich nicht damit zufrieden geben, nach langen und
schwierigen Verhandlungen mit den TV-Anstalten, den Stadionbetreibern,
Sponsoren etc. den alten Status mehr oder weniger wieder zu erreichen
denn der alte Status war ungenügend: Eher rückläufige TV-Einschaltquoten,
unbefriedigende Resultate im Bemühen um neue Märkte, Degeneration des
Spielspektakels durch Perfektionierung der Defensivsysteme etc.
Nun
zum Ja:
Die Verantwortlichen haben dies erkannt
und im Schatten der vordringlichen Verhandlungen mit der Spielergewerkschaft
wird in der NHL leidenschaftlich und ernsthaft an der Verbesserung des
Produktes Eishockey gearbeitet. Ich wäre nicht erstaunt, wenn die NHL mit
einem deutlich „besseren“ Produkt zurückkehrt mit dem Ziel: Mehr
Spektakel, mehr Tore, mehr Einfluss auf dem Eis der wirklich talentierten
Spieler, größere Schwierigkeiten für Zerstörer des kreativen Elementes,
bessere TV-Übertragungen, besseres Marketing.
Einige Beispiele der konkreten Überlegungen:
Das
Volumen der Goalieausrüstungen soll reduziert werden und/oder die Tore werden
leicht vergrößert. Strafffreie Obstruktion wird nicht nur erschwert, sondern
durch eine entsprechende Regel verunmöglicht. Das offene Eis wird durch das
Verschieben der blauen Linien vergrößert, talentierte Spieler erhalten so
deutlich mehr Platz. Ideen von Theoretikern, von Schreibtischtätern, die
unser gutes altes Hockey in Frage stellen? Keineswegs. Einer der Protagonisten
dieser Ideen ist der NHL-Dinosaurier Harry Sinden von den Boston Bruins.
Er ist derart konservativ, dass sich selbst Don Cherry, der Max Merkel
der NHL, vor ihm verneigt. Zudem: Diese Ideen werden aktuell in Trainingscamps
in der Praxis getestet, professionell gefilmt und die Resultate entsprechend
ausgewertet. Weiter gilt es zu bedenken, dass 1943 die rote Linie eingeführt
wurde, schon damals gab es hin und wieder Revolutionen im Regelwerk. Nehmen
wir die NBA als Beispiel: Vor noch nicht allzu langer Zeit wurde die „Three-Point-Line“
implementiert, ebenfalls eine Revolution, die aber ohne Zweifel zu
gesteigerter Attraktivität geführt hat. High Definition TV (HDTV) wird
Einzug halten und unsere Sportart attraktiver machen, neue Fernsehzuschauer
generieren und auch uns Liebhabern das Eishockey vorteilhafter präsentieren.
Das HDTV-Fernsehbild erzeugt eine 8-fach höhere Auflösung, die 16:9-Kameras
werden eine bessere „Totale“ im Bild festhalten können, ohne dauernd
umschwenken und dadurch Bildverzerrungen produzieren zu müssen. Fernsehexperten sind sich einig: HDTV
wird speziell dem Eishockey sehr viel bringen und für die NHL auch wieder
potente Fernsehdeals ermöglichen. Am wichtigsten ist und bleibt aber das
Produkt auf dem Eis und dieses Produkt lebt von der Qualität der Spieler. Die
„neue“ NHL wird mit 3 „neuen“ Jungstars zurückkehren und diese werden
das Niveau der besten Liga der Welt noch weiter verbessern. Es sind dies die
Russen Alexander Ovechkin und Evgeni Malkin sowie das Kanadische
Jahrzehntetalent Sidney Crosby. Ich freue mich riesig auf diese Super-Trojka.
Sie werden neben den bereits bekannten Heatley, Thornton, Iginla, Lecavalier,
Hossa, Spezza, Lehtonen etc. die neuen Botschafter der NHL.
Erschrocken,
bei all diesen möglichen Quantensprüngen im Regelwerk der von uns allen so
geliebten Sportart?
Denken
wir daran, nicht wir, die Hockey-Fetischisten, sind in erster Linie gefragt,
das Hockey weiterzuentwickeln. Wir sind derart vom Hockeyvirus infiziert, dass
wir so oder so alles „reinziehen“ was nach Hockey ausschaut. Wir sind glücklich
mit dem Spiel wie es ist und werden es bleiben. Viel wichtiger ist: Wir müssen
diejenigen Beobachter ernst
nehmen, die Hockey mehr oder weniger interessant finden, aber… „Hockey im
TV ist nicht attraktiv, ich sehe den Puck kaum“. „In den Stadien ist es
rauchig und schmutzig, da gehe ich nicht gerne hin.“ “Es gibt zu wenig
Tore, es wird zu vorsichtig gespielt, die Dynamik ist verloren gegangen.“
„Ich wollte mal den einen oder anderen Superstar sehen, aber die sind mir
nicht aufgefallen, die sind ja gar nicht oder nur unwesentlich besser als die
anderen.“ Dies sind Statements
von potenziell interessierten Hockeyzuschauern und diese Statements muss die
NHL sehr ernst nehmen… und sie nimmt sie ernst!
Ich
nenne zum Schluss ein Augen öffnendes Beispiel: In der vergangenen Saison hat
Joe Thornton die Schweizer Liga fast nach Belieben dominiert. Er war in meinen
Augen alles überragend, ein Augenschmaus, phantastisch, genial! Nach einem
Spiel mit Thornton habe ich einen alten Hockeyfreund getroffen und wir haben
über ihn diskutiert. Schockiert habe ich zur Kenntnis genommen, dass Thornton
in seinen Augen nicht eben groß aufgefallen ist, er sei enttäuscht. Zuerst
habe ich mit Unverständnis reagiert, aber später bin ich zum Schluss
gelangt, dass exakt dies das Problem des heutigen Produktes Eishockey ist:
Selbst für mehr oder weniger geübte und regelmäßige
Eishockeykonsumenten fallen die echt guten Spieler kaum mehr auf, weil ihr
Talent durch ein feinmaschiges und diszipliniertes Defensivverhalten (zu)
wirksam eingeschränkt werden kann.
Die
NHL-Verantwortlichen haben die Probleme erkannt und dies stimmt mich
optimistisch. Die Geburt der „neuen“ NHL ist schmerzhaft und beschwerlich.
Während der Schwangerschaft wurde uns sogar monatelange Bettruhe verordnet.
Trotzdem dürfen wir auf ein gesundes, cleveres und attraktives Baby hoffen.
Eines mit einem richtigen „Puck-Head“. Ich freue mich!
Thomas Roost, Central Scouting Europe