Brian Burke & die Toronto Maple Leafs: eine gefährliche Liebschaft
Darryl Boyce und Christian Hanson bei den Adlern
Durch einen Rücktritt ist eigentlich noch niemand Heiliger Vater geworden. Doch Brian Burke, seit Samstag neuer Präsident und General Manager der Toronto Maple Leafs, hat in seiner Antrittsrede seine neue Arbeitsstelle tatsächlich mit der des Oberhauptes der katholischen Kirche verglichen. Größenwahn? Nur bedingt, denn Toronto hat bekanntermaßen den Anspruch, sich als Hockeymekka zu bezeichnen; schließlich beherbergt die Metropole in der kanadischen Provinz Ontario auch die "Hockey Hall of Fame". Folglich fühlt sich Burke als neuer Eishockeypapst.
Sechs Jahre soll die Ehe zwischen ihm und der laut Sports Illustrated aus dem Jahr 2002 meistgehassten nordamerikanischen Sports Franchise mindestens dauern, und satte drei Millionen Jahressalär machten es Burke einfach, seinen Job als Manager der Anaheim Ducks Mitte November hinzuschmeißen. Aber leicht wird es der erste gebürtige US-Amerikaner auf dem Schleudersitz bei den Leafs nicht haben. Seine Erfolge als GM der Vancouver Canucks und besonders in Anaheim mit dem Stanley Cup-Sieg 2007 haben die Latte für den 53-Jährigen extrem hoch gelegt, dazu gieren Fans und Medien in Toronto bereits seit über vier Jahrzehnten nach einem erneuten Titelgewinn. Ganz anders als in Südkalifornien, wo Burke nach Belieben schalten und walten konnte, wird nun jede seiner Aktionen aufmerksam beobachtet und kritisch beurteilt werden.
Und in punkto Trennungsmanöver agiert kein NHL-Verein rascher als die Maple Leafs: Der Traditionsklub hat seit dem Ausscheiden von Supermarktsmagnat Steve Stavro als Eigentümer im Jahr 2003 wieder Unmengen an hoffnungsvollem Personal verschlissen und dabei Erinnerungen an die unselige Ära unter Geizhals Harold Ballard geweckt. John Ferguson jr., Paul Maurice und Pat Quinn sowie talentierte Spieler wie Jeff O’Neill oder Andrew Raycroft zählen zu den Opfern des Hockeymolochs. Präsident Burke hat vielleicht auch daher gleich Klartext gesprochen und Ex-Kapitän Mats Sundin, seit Saisonende 2007/08 ohne Vertrag und mittlerweile ob seines Zögerns schon als Hamlet-Darsteller im Gespräch, unmissverständlich signalisiert, dass die Dienste des schwedischen Mittelstürmers bei den Leafs nicht mehr gefragt sind. Interessant auch hier ein weiterer Spruch aus Burkes Mund: Sundin habe durch seine lange Karriere nur „ungefähr zwei Dollar weniger als Gott selbst“ auf seinem Bankkonto. Hofft Burke bei all den religionsbezogenen Vergleichen etwa auf göttlichen Segen bei seinem Himmelfahrtskommando?
Auf alle Fälle wird der Anteil des nordamerikanischen Spielerpersonals bei den Leafs wieder steigen, denn entgegen all seiner Bekundungen ist der frühere oberste Regelwächter der NHL nicht gerade als Fan europäischer Importspieler bekannt; dazu fungiert Burke nebenbei auch als Sportlicher Leiter von Team USA für die Olympischen Winterspiele 2010 in Vancouver. Einen Interessenskonflikt sehen die Verantwortlichen der Maple Leaf Sports & Entertainment Ltd. darin bislang noch nicht. Doch Burke steht in der Pflicht, und seine direkte Art macht ihm den Job nicht eben einfacher. Coach Ron Wilson hat der neue Heilsbringer schon sein absolutes Vertrauen ausgesprochen und sich damit bereits einer Ausrede beraubt, falls diese Saison wieder in die Hose gehen sollte. Obendrein hat Burke in Anaheim nur zwei Jahre für den Gipfelsturm gebraucht – in Toronto wird man ihm selbst diese Zeitspanne kaum einräumen. Allerdings ist davon auszugehen, dass Burke sich da keinerlei Illusionen macht. Und falls er wirklich scheitern sollte, sind insgesamt 18 Millionen Dollar ein schönes Trostpflaster.
(Oliver Stein)