Blick nach vorne!Dennis Seidenberg im Interview
Möchte mit den Bruins in den Play-offs anreifen: Dennis Seidenberg. Foto: M. RichterUnd vielleicht reicht es ja am Ende noch zum Divisionssieg? Zwei Spiele stehen in der regulären Saison noch an. An der Spitze im Nordosten: die Bruins mit 61 Zählern, punktgleich mit Montreal. Erst am Donnerstag bezwang der Stanley-Cup-Sieger von 2011 Tampa Bay 2:0. Siegtorschütze: Dennis Seidenberg. Hockeyweb sprach vor dem Heimsieg gegen Lightning mit dem deutschen NHL-Star und Nationalspieler.
Herr Seidenberg, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch zum Play-off-Einzug der Bruins. Das Heimrecht steht, der Viertelfinalgegner noch nicht. Wer darf es am Ende sein? Und wer lieber nicht?
Das ist schwer zu sagen. Denn im Endeffekt müssen wir eh gegen jeden gewinnen, wenn wir weiterkommen wollen. Daher sagen wir nicht, wir wollen gegen dieses oder jenes Team spielen, sondern versuchen einfach, unser bestes Eishockey zu zeigen. Danach sehen wir dann, auf welchem Platz wir landen. Wir werden es aber nicht darauf anlegen, ein Spiel zu gewinnen oder zu verlieren, nur um auf eine Mannschaft treffen, die uns liegt.
Das Ende der regulären Spielzeit naht. Nach dem Showdown am Wochenende warten die Play-offs! Es war eine kurze „Regular Season“ – „dank“ Lockout. 48 Spiele in 99 Tagen! Wie würden Sie die letzten Monate rückblickend zusammenfassen?
Nunja, angefangen haben wir ganz gut. Wir hatten 15 Siege und nur drei Niederlagen in den ersten 18 Spielen. Danach haben wir allerdings ein bisschen zurückgeschaltet und nicht mehr so gut gespielt. Was die Gründe dafür sind, ist schwer zu sagen. Wir müssen jetzt einfach schauen, dass wir bis zu den Play-offs wieder zu uns finden und dann wieder anfangen, richtig zu spielen…
… um den kommenden Gegnern die Stirn zu bieten. Während Favoriten wie New Jersey und die Flyers es nicht in die Play-offs geschafft haben, sind die Bruins zum sechsten Mal in Folge mit dabei. Was macht aktuell Bostons Stärken aus? Und welche Rolle spielt dabei Eishockey-Legende und Bruins-„Neuling“ Jaromir Jagr?
Jaromir spielt dabei eine sehr große Rolle! Er weiß genau, was auf dem Eis passiert, will die Scheibe immer am Schläger haben und jedes Spiel für sich entscheiden. Das macht ihn super stark. Es ist eine tolle Erfahrung, mit ihm zusammenspielen zu können. Was das gesamte Team betrifft, ist unser Kader, wie jedes Jahr, sehr ausgeglichen. Wir haben vier starke Reihen sowie eine solide Verteidigung, spielen unser System und führen das sehr gut aus. Für die meisten Mannschaften ist es auch schwer, gegen uns zu spielen, da wir ein recht physisches Team und ziemlich kräftig aufgestellt sind.
Gegen welche Teams der Eastern Conference müsste Boston seine Stärken denn besonders ausspielen? Und wie sieht es mit den Favoriten im „wilden“ Westen aus?
Also, sehr stark ist natürlich Pittsburgh. Gegen die Penguins haben wir uns in der regulären Spielzeit richtig schwer getan. Gegen Montreal haben wir schon seit Jahren Probleme. Die würden ebenfalls sehr schwer zu schlagen sein. Im Westen ist es ohne Frage Chicago, das bislang nur sechs Niederlagen hinnehmen musste. Doch Anaheim ist ebenfalls stark. An sich müssen wir nur auf die Tabelle schauen. Die Top-Mannschaften dort gelten auch als Favoriten in den Play-offs, würde ich sagen.
Knapp zwei Wochen ist her, dass der furchtbare Bombenanschlag während des Boston-Marathons die Stadt und den Rest der Welt erschütterte. Wie haben Sie den furchtbaren 15. April erlebt? Das geplante Match gegen Ottawa wurde ja abgesagt.
Ja, wir hätten am Abend ein Spiel gehabt. Das war alles ziemlich schockierend. Ich hatte den Marathon im Fernsehen laufen. Als die Bombe hochging, war ich zunächst verwirrt. Erst hieß es, es könnte ein elektrisches Problem sein, doch dann hatte sich herausgestellt, was wirklich passiert war. Ich wohne ja nur zwei Kilometer von dort weg und meine Kinder gehen in der Nähe zur Schule. Da hat man natürlich Angst um seine Familie. Doch Gott sei Dank ist ihr nichts passiert. Es ist traurig, so etwas in einer Stadt wie Boston erfahren zu müssen – noch dazu bei einem Ereignis wie dem Marathon.
Daher wurde zwei Tage später beim Bruins-Heimspiel gegen Buffalo die Partie auch eher zur Nebensache. Das Match glich einer Trauerfeier, Sie waren den Tränen nahe. Das anstehende Spiel gegen Pittsburgh wurde aus Sicherheitsgründen um einen Tag verschoben. Wie sehr wirkt diese Woche nach?
In den Nachrichten ist der Anschlag immer noch das Hauptthema. Und die gegnerischen Mannschaften zeigen mit Aktionen vor den Spielen ihre Anteilnahme. Es ist schon sehr emotional, wenn man auf dem Eis steht und das alles miterlebt. Zum einen ist es ja eine schöne Geste, doch es wird Zeit, dass alles wieder normal wird.
Von Boston nach Helsinki: Während Sie mit den Bruins die erste Play-off-Runde spielen, geht es für die Kollegen der deutschen Nationalmannschaft – und wahrscheinlich für Bruder Yannic – zur WM. Wie schätzen Sie die Chancen des Teams von Coach Pat Cortina nach der verpatzten Olympia-Qualifikation und nur einem Sieg in der Vorbereitung ein?
Das ist schwer zu sagen, da ich eine gewisse Zeit nicht dabei war. Aber vor zwei, drei Jahren hatten sie ja großen Erfolg bei der WM. Das ist noch nicht so lange her und die Spieler haben sich ja nicht verändert. Deshalb sollte man jetzt auch nicht immer wieder auf die Olympia-Qualifikation zurückblicken und alles schlecht reden. Wäre es anders gelaufen und die Mannschaft hätte es mit etwas Glück geschafft, würde keiner so negativ über das deutsche Eishockey reden. Die Talente sind da und der wohl richtige Trainer auch. Wichtig ist, dass die Kommunikation auf dem Eis stimmt. Ich hoffe einfach, dass die Jungs das hinbekommen und bei der WM erfolgreich sind.
Auf jeden Fall erfolgreich: die Eisbären Berlin, die sich im DEL-Finale gegen Köln ihren dritten Titel in Folge und insgesamt die siebte Meisterschaft holten. Haben Sie die Play-offs mitverfolgt?
Ja, natürlich. Es ist schon eine super Leistung der Eisbären und zeigt, wie in Berlin konstant gute Arbeit geleistet wird. Es ist nicht gerade einfach, so oft hintereinander Erfolg zu haben. Da habe ich Respekt vor.
Nicht gereicht hat es für die Adler, für die Sie während des Lockouts auf dem Eis standen. Mit 2:4 musste sich Mannheim in der Viertelfinalserie Überrraschungsteam Wolfsburg geschlagen geben.
Ja, das ist nicht ganz so toll. Da hat sich wohl jeder mehr erwartet. Doch die Verantwortlichen wissen, dass was geändert werden muss. Und daher denke ich, dass Mannheim nächstes Jahr wieder angreifen und oben mit dabei sein wird.