Bis auf weiteres gesperrt: Sean Averys tiefer Griff in die Gossensprache
NHL-Playoffs: Tampa Bay und Calgary spielen um den Stanley CupDie National
Hockey League (NHL) hat hart durchgegriffen: Sean Avery, 28-jähriger Stürmer
der Dallas Stars, wurde gestern noch vor dem Auswärtsspiel der Stars bei den
Calgary Flames wegen „abschätziger Bemerkungen“ für unbestimmte Zeit gesperrt.
Vorangegangen war ein Kommentar Averys nach dem Morgentraining der Stars vor
laufenden TV-Kameras in Calgary. Dabei hatte sich der extrem selbstbewußte
Kanadier zunächst zu seiner Liebe zu seinem Heimatland bekannt, dann aber mit
fast gelangweilter Miene darüber gelästert, dass es mittlerweile in Mode sei,
dass NHL-Kollegen mit seinen Ex-Freundinnen anbändelten. Gemeint war hier die
Beziehung zwischen Flames-Verteidiger Dion Phaneuf und Schauspielerin Elisha
Cuthbert.
Eigentlich zunächst kein Grund zur Aufregung, doch der Begriff „sloppy seconds“, den Avery für seine ehemalige
Gespielin benutzte, bedeutet nicht nur „liederliche zweite Wahl“, sondern
steht im Slang für das Eindringen eines Penis in eine Körperöffnung, in der sich bereits
der Samen eines anderen Mannes befindet. Diese Deutung ist in Nordamerika
allgemein bekannt, und der Liga blieb gar keine andere Wahl, als den ewigen
Agent Provocateur Avery aus dem Verkehr zu ziehen.
Überhaupt wirkte die Äußerung gekonnt inszeniert: Erst nachdem er sich erkundigt hatte,
ob die Kameras tatsächlich liefen, haute Avery seinen Spruch raus. Doch diesmal
ist er zu weit gegangen. Die Sperre ist ein deutliches Signal, dass es auch für
den wohl meistgehassten Spieler der NHL Grenzen gibt. Gary Bettman
höchstpersönlich wird über den „Fall Avery“ befinden; zunächst soll es jedoch
zu einem Treffen des NHL-Commissioners mit Avery kommen. Der Termin steht noch
nicht fest, und bis dahin bleibt Avery suspendiert. Stars-Teambesitzer Tom
Hicks stellte sich hinter die Entscheidung der Liga und betonte, dass der
texanische Klub selbst Avery teamintern gesperrt hätte, hätte die NHL nicht
sofort reagiert. Averys Teamkollegen rangen sich unterdessen gequälte Statements
ab, bei denen deutlich zu merken war, wie sehr ihnen selbst der Neuzugang von
den New York Rangers bereits nach nur zwei Saisonmonaten mit seinen
Selbstdarstellungen auf die Nerven geht.
Dabei waren
die Stars gewarnt: Erst in den vergangenen Play-offs hatte die Liga mit einer
„Sean-Avery-Regel“ auf die Faxen reagiert, die der gerade mal 1,77 m große
Außenstürmer während der Serie der Rangers gegen die New Jersey Devils vor
Devils-Goalie Martin Brodeur abgezogen hatte. Beim Powerplay der New
Yorker hatte sich Avery unmittelbar vor Brodeur postiert und wild mit Schläger
und Armen rudernd versucht, dem Torhüter jegliche Sicht zu nehmen. Nach dem
letzten Spiel der Serie verweigerte Brodeur Avery übrigens den sonst üblichen
Händedruck. Dazu kannte auch Stars-Kapitän Brenden Morrow Avery aus dessen Zeit
bei den Los Angeles Kings ziemlich gut; beinahe in jeder Partie zwischen ihren
Klubs lieferten sich die zwei Spieler harte Faustkämpfe. Gerüchte besagen, dass
Averys Verpflichtung nur aufgrund dessen langjähriger Freundschaft mit
Stars-Manager Brett Hull erfolgte.
Die
Teamverantwortlichen der Stars hatten alles getan, um ihr Enfant Terrible aus
der Schusslinie zu nehmen. Nur fünfzehn Minuten vor Averys Schlag unter die
Gürtellinie hatte noch Dave Tippett, der Trainer des Tabellenletzten der
Western Conference, seinen Schützling während einer Pressekonferenz vehement gegen
die Journalisten verteidigt. Nun darf sich nicht nur Tippett fragen, wo Trash
Talk seine Grenzen hat. Auch die Liga muss hart bleiben, will sie sich nicht
auf das Niveau von Wrestling herab lassen, obgleich vielleicht auf dem Level besonders
in den USA höhere TV-Quoten zu erreichen wären. Averys Team gewann die Auswärtspartie in Calgary ohne ihn übrigens mit 3:1. (Oliver Stein)