17 Duisburger Fans und die Bruins aus Bos-Tonn

Die Handys leuchteten in der Dunkelheit. „Es steht noch 3:3“, verkündet Björn. Gut, dass das Internet erreichbar ist. Schließlich wollen alle wissen, wie ihr Verein gespielt hat. Dann eine SMS: „Brad Burym hat in der Verlängerung getroffen.“ Das Daumendrücken aus der Ferne hat also geholfen. Denn 17 Duisburger Fans (und zwei weitere im Flugzeug) waren diesmal nicht mit ihrem EVD in Richtung Bad Nauheim unterwegs. Mit Sack und Pack ging es elf Stunden Richtung Tschechien. Ein kleiner 19er-Bus machte sich kurz nach Mitternacht am frühestmöglichen Samstagmorgen auf den Weg. Nach Prag. Zur NHL.
Die Planungen hatten schon lange vorher begonnen. Chris kümmerte sich um die Tickets, Thorsten um Bus und Hotel. In leicht variierender Form waren die Füchse-Anhänger schon in London und Stockholm – eben dort, wo die nordamerikanische National Hockey League nun schon traditionell ihre Saison mit echten Punktspielen in Europa eröffnet. Über elf Stunden Busfahrt lagen vor den Duisburgern. Gut gerüstet mit Filmen wie „Mystery Alaska“, „Slapshot“ (natürlich Teil 1, gibt es einen anderen?) und noch einigen anderen Eishockey-DVDs samt Don Cherrys Saisonzusammenfassungen.
Kaum war das Hotel – ein auf der Moldau vor Anker liegendes Schiff – geentert, ging es in die Stadt. Und die war an diesem Wochenende voll mit Sportfans. Schotten in entsprechender Tracht waren da zu finden, die sich allerdings eher für das Fußballspiel ihrer Nationalmannschaft am Vortag gegen Tschechien interessierten. Einige verirrten sich dann aber doch in die ehemalige Sazka Arena, die nun den Namen eines Telefonanbieters trägt. 15.299 Zuschauer waren es schließlich, die Samstagabend das erste von zwei Spielen der Boston Bruins gegen die Phoenix Coyotes sahen. Eines war wieder deutlich zu sehen und zu hören: Die größte „Fan-Nation“ im Stadion nach den Einheimischen waren wie schon bei vielen anderen „NHL-Premiere-Games“ die Deutschen. Ob es nun Duisburger, Düsseldorfer, Mannheimer, Crimmitschauer, Weidener oder Geretsrieder waren. Kommt die NHL – abgesehen von den Freundschaftsspielen in Berlin und Mannheim – nicht nach Deutschland, kommen die deutschen Fans eben zur NHL.
Aber nicht nur zur NHL. Während der Großteil der Duisburger Fangruppe die wunderschöne tschechische Hauptstadt erkundete, waren mit Chris, Timm, Kathi und Calli auch vier „Icehopper“ (also Eishockey-Groundhopper, die durch ihre Besuche „Länderpunkte“ und „Stadionpunkte“ sammeln) dabei, die der Schönheit Prags trotzten und sich zwei Nachwuchsspiele von Sparta Prag angesehen haben. „Das war schon toll. Es ist beeindruckend zu sehen, was selbst die Kleinen hier in Tschechien schon drauf haben“, berichtet Chris. Erst spielte Spartas „5./6. Trida“, also ein noch recht junges Team, gegen den HC Pribram, ehe danach Spartas Mannschaft in der Junioren-Extraliga in der Trainingshalle auf den HC Ocelari Trinec traf. „Das war recht witzig. Eine richtige Tribüne gab es dort nicht“, berichtet Chris. „Von den 100 Zuschauern waren etwa 30 Deutsche.“ Der Rest: Eltern, Freunde – und NHL-Scouts. „Wir haben dort mindestens vier Beobachter aus Atlanta, Montreal, Chicago und Phoenix gesehen.“ Zwischendurch gab es noch Torwarttraining. „Da wird Zentimeter für Zentimeter die Haltung korrigiert, damit der Puck im richtigen Winkel abspringt“, war Chris beeindruckt. Dummerweise begann das zweite Spiel später. Aber mit Dirk aus Bayreuth war noch ein weiterer Icehopper dabei – und der hat seine Duisburger Kollegen zur Arena von Slavia Prag gebracht. So ging’s schneller.
Die übrigen Duisburger Fans freundeten sich derweil mit einigen anderen Eishockey-Verrückten an. Beispielsweise mit einem Kanadier, der mit seiner Freundin erst vor kurzem nach Prag gezogen ist. „Ich bin halber Tscheche“, erklärte er und war als Fan der Vancouver Canucks – dort lebte er bis zu seinem Umzug – begeistert zu hören, dass sein Lieblingsverteidiger Christian Ehrhoff früher auch in Duisburg gespielt hat.
Im Stadion waren übrigens die Fans der Boston Bruins in der Mehrheit. So war nicht nur die Reisegruppe aus Neuengland größer als die aus Arizona, auch die meisten Tschechen hatten ihr Herz für die Bruins entdeckt, obwohl ja auch bei den Coyotes mit Radim Vrbata ein Tscheche spielt, der zudem noch der Star des Spiels wurde. Aber dennoch: Immer wieder hallte es durch die Arena: „Boston! Boston!“
Um genau zu sein: Was da halltee, klang wie „Bos-Tonn! Bos-Tonn!“ Den Bruins wird der kleine Akzent egal gewesen sein. Denn beinahe wäre ihre Aufholjagd mit der Unterstützung des Publikums noch von Erfolg gekrönt gewesen. Und als wäre es ein Tribut an die vielen Deutschen in der Slavia-Arena gewesen: Im letzten Drittel war während einer Spielunterbrechung auch Nenas 99 Luftballons zu hören. Einmal abgesehen von einer Eingangskontrolle, die jeden Flughafenmitarbeiter neidisch gemacht hätte, war das ein gelungenes Wochenende.
Tags darauf ging es dann wieder zurück nach Duisburg. Mit DVDs bewaffnet, einer Handy-Verbindung nach Bad Nauheim – und der Freude über den Sieg der Füchse, die diesmal ohne 17 ihrer Fans auskommen mussten. Aber nur diesmal. (the)
So spielten die NHL-Teams in Europa:
Vorbereitungsspiele:
Adler Mannheim – San Jose Sharks 2:3 n.P.
Belfast Giants – Boton Bruins 1:5
SKA St. Petersburg – Carolina Hurricanes 5:3
Ilves Tampere – Minnesota Wild 1:5
HC Liberec – Boston Bruins 1:7
Malmö Redhawks – Columbus Blue Jackets 1:4
Dinamo Riga – Phoenix Coyotes 1:3
Ligaspiele:
Minnesota Wild – Carolina Hurricanes 3:4 (in Helsinki; 12.355 Zuschauer)
Carolina Hurricanes – Minnesota Wild 2:1 n.P. (in Helsinki; 13.465 Zuschauer)
Columbus Blue Jackets – San Jose Sharks 2:3 (in Stockholm; 11.324 Zuschauer)
San Jose Sharks – Columbus Blue Jackets 2:3 n.V. (in Stockholm; 9.537 Zuschauer)
Boston Bruins – Phoenix Coyotes 2:5 (in Prag; 15.299 Zuschauer)
Phoenix Coyotes – Boston Bruins 0:3 (in Prag; 12.990 Zuschauer)