Sturm kann Abwehrfehler nicht kompensierenNeuwied unterliegt Neuss mit 8:10
Das gibt’s aber nicht nur draußen auf dem See, sondern mitunter auch in der Regionalliga West. Das Kräftemessen zwischen dem EHC „Die Bären“ 2016 Neuwied und dem Neusser EV entwickelte sich zu einer Achterbahnfahrt. Durchaus spektakulär für die Zuschauer, zum wahnsinnig werden für den Trainer. Erst recht, wenn der früher selbst Verteidiger war – wie EHC-Coach Jens Hergt zum Beispiel. „So ein Spiel habe ich noch nie erlebt“, kommentierte er die 8:10-Niederlage seines Teams vor gut 700 Zuschauern im Icehouse. Unter ihnen befanden sich mit Craig Streu, Max Wasser und Brian Gibbons auch Trainer und zwei Spieler aus der Vorjahresmannschaft, die die Deutschland-Cup-Pause nutzten, um ihre alte Wirkungsstätte wieder einmal zu besuchen.
Es gibt diese Abende, an denen ist vieles anders als normalerweise. Bislang konnten sich die Bären auf ihre starke Abwehr verlassen, dafür hatte es an der Chancenverwertung im Angriff gehapert. Diesmal genau umgekehrt. „Wir haben heute unsere gute Defensive nicht aufs Eis gebracht“, ärgerte sich Hergt besonders, weil er vor der Partie mehrfach betont hatte, dass Neuss jeden Fehler gnadenlos bestraft. Das schnelle Umschaltspiel und zielstrebige Ziehen zum Tor bereitete den Gastgebern große Probleme. Scheibenverluste im Spielaufbau sind bei diesen gegnerischen Qualitäten kein guter Ansatz, unterliefen dem EHC aber immer wieder. So führte Neuss bereits nach fünf Minuten durch Tore von Holger Schrills und Balasz-Szabolcs Peter mit 2:0. Erst jetzt kam Neuwied etwas besser ins Spiel, verkürzte durch Robin Schütz. „Das erste Drittel war spielerisch gut“, sagte Neuss‘ Co-Trainer Daniel Benske über die 2:1-Führung nach 20 Minuten. „Das zweite dann aber sehr kampfbetont.“
Nachdem Tim Dohmen für den NEV Treffer Nummer drei nachgelegt hatte, rückte das Unparteiischengespann um Hauptschiedsrichter Marcus Trottmann in den Mittelpunkt. Der schickte Gästespieler Francesco Lahmer für einen Check von hinten mit Verletzungsfolge gegen Sven Schlicht zum Duschen. Stephan Fröhlich verkürzte in Überzahl auf 2:3, aber das Fünf-Minuten-Powerplay büßten die Deichstädter schnell ein. Philipp Felföldy erhielt für einen Allerweltszweikampf, so die Neuwieder, fünf Minuten plus Spieldauerdisziplinarstrafe. Mehrfach flogen nun die Fäuste, aber hüben wie drüben auch den Torhütern der Puck um die Ohren. Alexander Richter, Maximilian Bleyer, Tim Dohmen, Holger Schrills und Alexander Wolf netzten allesamt noch im Mitteldrittel für den NEV ein. Felix Köbele, Rylee Orr und Stephan Fröhlich hielten die nicht locker lassenden Bären, bei denen Alexander Bill mit einer Handgelenksverletzung vorzeitig das Spiel beenden musste, jedoch im Spiel. Das war für Keeper Felix Köllejan nach 29 Minuten und sechs Gegentoren beendet. Jens Hergt schickte Neuzugang Michael Güßbacher zwischen die Pfosten. Eine Maßnahme, die ein Trainer auch anwendet, um die Abwehr wachzurütteln. Es brachte nicht viel. Ungewohnte defensive Nachlässigkeiten der Neuwieder spielten den Niederrheinern weiterhin in die Karten, auch wenn die erste Bären-Reihe mit Orr, Köbele und Fröhlich das Ergebnis immer wieder nachbesserte. Spätestens als Orr aus spitzem Winkel zum 8:9 vewandelte (58.), hofften die Bären wieder auf ein Happy-End, zumindest auf ein Remis nach 60 Minuten. Hergt nahm postwendend die Auszeit, um seinem Paradesturm noch einmal Zeit zum Durchschnaufen zu geben und die Taktik für die beiden Schlussminuten vorzugeben. Diese umfasste die Planung mit sechs Feldspielern, Michael Güßbacher sprintete nach dem Bully zur Bank. Der EHC drängte noch einmal, aber Holger Schrills ließ sich mit einer Befreiungsaktion das Tor zum 8:10-Endstand nicht entgehen.
„Wir freuen uns sehr über diese wertvollen Punkte. Wir waren in dieser Saison auswärts schon oft dicht dran, aber nicht immer vom Glück verfolgt. Heute hat es geklappt in einer Partie, die alles beinhaltete“, bilanzierte Gäste-Co-Trainer Benske. Bei Jens Hergt sprach hingegen die Enttäuschung aus dem Gesicht: „Das war heute nicht der EHC, sondern eine andere Mannschaft. Über- und Unterzahl sowie die Schiedsrichterleistung müssen wir so hinnehmen. Aber schuld an dieser Niederlage waren wir selbst.“