Zentimeter an der Katastrophe vorbei

„Gert Heubach geht es soweit gut, er ist schon wieder auf dem Weg zurück ins Stadion.“ Das war die wichtigste Erkenntnis eines unvergesslichen Eishockeyabends im Höchstadter Eisstadion. Der Verteidiger der Black Hawks Passau war in der 34. Minute bei einem Zweikampf auf die messerscharfe Schlittschuhkufe eines Gegenspielers gefallen und zog sich dabei eine stark blutende Verletzung einer Halsvene im Kehlkopfbereich zu. Bange Minuten mussten alle Beobachter überstehen, bis klar wurde: „Keine Arterie verletzt, es sieht wohl schlimmer aus als es ist.“ Rund 45 Minuten war das Spiel unterbrochen. Der 3:1 (1:0; 0:0; 2:1)-Erfolg der Hawks beim Höchstadter EC und der damit verbundene Einzug ins Play-off-Halbfinale der Bayernliga rückte in den Hintergrund, dennoch herrschte nach der Schlusssirene bei den meisten Fans und Spielern ausgelassene Stimmung. Nur Christian Setz stand traurig daneben, die Schmerzen waren ihm anzusehen. Kurz vor Schluss verdrehte er sich das Knie, Verdacht auf Innenbandriss lautete die erste Diagnose.
Mit kleinen Sticheleien empfingen die gastfreundlichen Mittelfranken die EHF Passau Black Hawks, so konnten die rund 800 Zuschauer im Höchstadter Eisstadion auf der Leinwand lesen: „Die Black Hawks – Ein Vogelzuchtverein auf Abwegen“ Klar für die Hawks: Der Weg sollte direkt ins Halbfinale führen. Entsprechend konzentriert und kämpferisch hatte Hawks Coach Otto Keresztes sein Team aufs Eis geschickt. Bereits nach gut zwei Minuten der erste Aufreger, Gert Heubach lag mit blutverschmiertem Gesicht auf dem Eis. Doch statt eine Strafe gegen Höchstadt auszusprechen, schickten die beiden hoffnungslos überforderten Schiedsrichter den Gefoulten für zehn Minuten auf die Strafbank. Die folgenden Minuten gehörten dann den Gastgebern. Die Hawks, zweimal in Unterzahl, hatten alle Hände voll zu tun, die hochmotivierten Alligators vom eigenen Tor fern zu halten. Zeit zum Luft holen blieb kaum, dennoch stand die Defensive vor einem erneut überragenden Keeper Daniel Huber sicher. Zum Glück nutzten die Passauer Angreifer ihre erste sich bietende Gelegenheit. In Überzahl brachte Jaro Majer die Scheibe ins Angriffsdrittel, ließ eine Verteidiger aussteigen und zeigte vor dem Tor all seine Routine. Mit unglaublicher Coolness verlud der Slowake Torwart Martti Hirvonen und brachte die Hawks in Führung (11.). Davon nur kurz beeindruckt setzten die Mittelfranken ihren Sturmlauf fort, ohne dabei aber ihr Manko Chancenverwertung abzulegen: „Wir haben einfach nicht geknippst und wenn Du die Glocken nicht machst, verlierst Du“, meinte Alligators Coach Jürgen Turnwald lapidar. Doch auch bei den Hawks lief nicht alles nach Wunsch. Eine zweiminütiges 5:3-Powerplay verstrich ungenutzt, zu unkonzentriert das Passspiel. Statt dessen Glück, Zbynek Kukacka ließ eine gute Konterchance aus. Dasselbe Bild nach dem ersten Wechsel. Die Alligators druckvoll aber ohne Fortune, die Hawks mit meist sicherer Defensive und einem sehr guten Torwart. Binnen Sekunden zeichnete sich Daniel Huber gegen Lukas Mayer und Michal Hlozek aus und zog den Alligators die Zähne (27.). Beinahe hätte Jaro Majer den Rest besorgen können, von Christian Setz auf die Reise geschickt, wurde er im letzten Moment entscheidend gestört (29.). Danach begannen sich die Ereignisse zu überschlagen: Der Höchstadter Johannes Oeser wurde nach einem Bandencheck von den Schiedsrichtern mit einer Spieldauerdisziplinarstrafe zum Duschen geschickt, ein mögliches langes Powerplay verhinderten die Hawks durch eigene Strafzeiten selbst. Trotzdem die große Chance für Daniel Zollo. Ganz alleine steuerte der Verteidiger auf Keeper Martti Hirvonen zu, der Finne blieb aber Sieger (32.). Dann die Szene, die jeden in der Höchstadter Eishalle schockte. Gert Heubach war nach einem an sich harmlosen Zweikampf zu Boden gegangen, fiel dabei aber äußerst unglücklich mit dem Hals auf den Schlittschuh eines Gegenspielers, den keine Schuld trifft. Dabei schlitzte ihm die messerscharfe Kufe eine Vene im Kehlkopfbereich auf, die Wunde begann sofort stark zu bluten. Unter Schock wollte der Hawks Routinier das Eis noch verlassen, sackte aber dann zusammen. Zum Glück konnte ein Notarzt die Blutung sofort mindern, dennoch blieb lange unklar, wie schwer die Verletzung sein würde und wie es Heubach ginge. Über 15 Minuten verstrichen, ehe der Sanka zu Stelle war, zwischenzeitlich wurde sogar der Busparkplatz für eine mögliche Landung eines Rettungshubschraubers geräumt. Entsprechend groß war dann das Aufatmen, als nach und nach bekannt wurde, die Verletzung habe schlimmer ausgesehen als sie ist und bei Gert Heubach sei keine Arterie verletzt. Und überglücklich waren die Gesichter, als „Flip“ bereits im Schlussdrittel vom Krankenhaus wieder zurück in die Eishalle kam und sofort den Weg zu seinen Mannschaftskameraden suchte.
Nach rund 45 Minuten Unterbrechung wurde das Spiel fortgesetzt, Trainer Otto Keresztes hatte seine Mannschaft aber wieder gut eingestellt: „Das haben die Jungs hervorragend gemacht, sie waren bereit für die Aufgabe“, lobte er. Dazu kam das nötige Glück. Daniel Sikorski traf nur den Pfosten (35. min) und Goalie Daniel Huber schien plötzlich 1000 Hände zu haben (38.).
Auch im Schlussabschnitt hatten die Gastgeber zwar ein Chancenplus, das Tor machten aber die Hawks. Im Powerplay behielt Jaro Majer den Überblick, seinen präzisen Pass bugsierte Helmut Kößl zum erlösenden 2:0 über die Linie (44.). Danach hatten die Hawks gleich mehrere gute Möglichkeiten nachzulegen, Alligators Schlussmann Martti Hirvonen war aber nicht zu bezwingen. So mussten die Hawks weiter zittern, knapp zwei Minuten vor Schluss kamen die Alligators zum Anschlusstreffer. Im Gewühl stocherte Florian Strobel die Scheibe über die Linie. Gleichzeitig kassierten die Gastgeber aber Strafzeiten, so dass die Hawks die letzten Sekunden gleich mit zwei Mann mehr auf dem Eis waren. Diese Chance nutzte erneut der überragende Jaro Majer, der per Schlagschuss für das 3:1 sorgte (60.).
Nach diesem Nervenkrimi wollte Trainer Otto Keresztes nur wenig sagen: „In diesem Spiel war alles drin, es war hart, wir hatten schlimme Szenen aber ich hab zu den Jungs gesagt, ‚pay the price’. Das haben wir uns zu Herzen genommen, zusammen gehalten und den Lohn dafür bekommen.“ Auch Vorstand Christian Eder hatte gut lachen und musste zugeben, „ich hatte mit einem dritten Spiel gerechnet, wir hatten Riesenrespekt vor den Alligators. Gut für meine Nerven, wir sind weiter, der Schatzmeister hätte aber wohl noch gerne eine Heimspiel gehabt.“
Dieses gibt es kommenden Freitag. Die Hawks bekommen es im Halbfinale erneut mit einem Team aus Nordbayern zu tun, Gegner sind die Schweinfurt Mighty Dogs. Damit ist die nächste rassige Runde garantiert, die Unterfranken gelten als heimstarke Truppe, die ein fanatisches Publikum hinter sich weiß. Dem Anschein nach werden die Hawks vorerst auf Top-Torjäger Christian Setz verzichten müssen, tief deprimiert meinte er mit Blick auf sein lädiertes Knie: „Ich hab ein schlechtes Gefühl, unser Physio hat wohl schon Recht. Das Innenband ist ab.“ Eine genaue Diagnose steht aber noch aus.
Tore: 0:1 (10:52) Majer, 0:2 (43:11) Kößl (Majer, Gomow), 1:2 (58:03) Strobel (Linke), 1:3 Majer (Popp, Tischler). Strafen: Höchstadt 24 + 10 (Cerny). + 5 + Spieldauer (Oeser), Passau 24 + 10 (Heubach) + 10 (Setz). Zuschauer: 753.