FASS Berlin: Eishockey-Legende Gerald „Gerry“ Hagen ist verstorben Persönliche Erinnerungen von unserem Berliner Kollegen Ronald Toplak

FASS Berlins Eishockey-Legende Gerald „Gerry“ Hagen.FASS Berlins Eishockey-Legende Gerald „Gerry“ Hagen.
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"Wenn du das nächste Mal zu Besuch kommst, bringe eine Pizza Funghi mit. Geschnitten, bitte!" Es waren die letzten Worte, die ich von Gerald Hagen hören sollte. Jetzt muss ich nicht mehr nach einem Italiener in der Budapester Straße suchen. "Gerry", so sein Spitzname, ist tot. Es ist erst eine Woche her, dass ich ihn im Franziskus-Krankenhaus besuchte. Es ging ihm nicht gut. Das sah man ihm an. Doch er versuchte den Schmerz zu verdrängen. Was nicht gelang. Obwohl er tapfer dagegen ankämpfte. "Das wird schon wieder", dachte ich. Wir plauderten. Scherzten. Lachten. Ablenkung. Trotz bedenklicher Diagnosen. "Kleingeld brauche ich auch. Für den Kaffeeautomaten." Kein Problem. Ich ging. Und ließ Gerry zurück. Für immer. Nein, damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Charité. Reha. Dann wird alles wieder gut. So war der Plan. Die Hoffnung. Die sich nicht erfüllte.

Nur ein paar Wochen zuvor wollten wir noch gemeinsam zu Hertha BSC gehen. Gerry hatte VIP-Karten bekommen. Von Klaus Brüggemann. Der Unternehmer ist nicht nur im Aufsichtsrat der alten Dame, sondern auch Förderer im Eishockey. Doch Gerry sagte ab. "Husten", erklärte er mir. Wie es wirklich um ihn stand, verschwieg er. Stattdessen wollte er meine Tipps aus der DEL-Journalistenrunde. Dabei mache auch ich dort nur wenig Punkte. "Aber ich gar keine", grinste Gerry. Hallo Spielleiter! Ich finde, wir sollten ihn zum Sieger erklären. Ehrenhalber. Das würde Gerry freuen.

Mal ernsthaft, was schreibe ich hier eigentlich? Ich bitte um Entschuldigung. Mir fällt es schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Der Schock sitzt tief. Gerry war ein Mensch, dessen Foto im Lexikon neben dem Wort "Empathie" stehen sollte. Freundlich. Hilfsbereit. Fürsorglich. Selbstlos. Nie eine Gegenleistung einfordernd. NIEMALS! So gab er mir Quartier in seinem Hotel, als ich einen Wasserschaden hatte. Er sorgte wie eine Mutter für mich. "Wat willste essen?" Wenn ich am Abend von der Arbeit "nach Hause" kam, stand eine dampfende Mahlzeit auf dem Tisch.

So war er. Kein Weg zu weit. Keine Aufgabe zu schwer. Keine Uhrzeit zu spät. Gerry stand immer zur Verfügung. Was zuallererst für FASS Berlin galt. Seiner großen Liebe. Kaum eine Position, die er bei den Akademikern nicht ausfüllte. Kompromissloser Verteidiger, Betreuer, Statistiker, Funktionär, Sprecher. Ich könnte endlos so weitermachen.

Seine Expertise war gefragt. Vor allem, wenn es um die unteren Ligen ging. Immer versuchte er, FASS ins Scheinwerferlicht zu rücken. Nicht einfach, in einer Stadt mit einem Sportangebot wie in Berlin. Er fand dennoch tolle Geschichten. Ich erinnere mich zum Beispiel gut an Susann Götz, einst Kapitänin der Frauen-Nationalmannschaft, die als einzige Feldspielerin parallel zu den Bundesliga-Damen vom OSC bei den Männern von FASS in der Regionalliga aktiv war. Trotzdem, es war nicht leicht, FASS meinen Vorgesetzten schmackhaft zu machen. Einfacher wurde es, als die Eisbären Kooperations-Partner wurden. Gerry platzte fast vor Stolz, wenn es einer "seiner" Spieler ins DEL-Team schaffte. Deutscher Meister wurde. Thomas Supis etwa, für Gerry fast ein Ziehsohn. Oder Jonas Müller. Inzwischen ein etablierter Leistungsträger beim EHC, der einst per Förderlizenz im Erika-Hess-Stadion auflief. "Ein Ausbildungsspieler von FASS im olympischen Finale“ - Gerry konnte es 2018 im wahrsten Sinne des Wortes nicht FASSen, als die deutschen Eis-Helden beim Wunder von Pyeongchang in Südkorea sensationell Silber gewannen. Mit Müller in herausragender Rolle.

Gerry wurde in West-Berlin sozialisiert. Also auch mit dem Berliner Schlittschuh-Club. Und den Preussen. Oder wie sie sonst noch hießen. Dort lernte ich ihn kennen. Schwarzer Hut. Schwarzer Lodenmantel. Er stach aus der Masse heraus. Der "Pate von Moabit" wurde er ehrfurchtsvoll genannt. Nicht ganz richtig. "Ich bin ein Kudamm-Kind", betonte er gebetsmühlenartig.

Nicht zu vergessen sein engagiertes Projekt "Radio Eiskalt". Immer wieder versuchte er mich ans Mikrofon zu bekommen. Vergeblich. Das schaffte nur Sven Felski in seiner Sendung beim Berliner Rundfunk. Allüren eines Star-Reporters? Scherz beiseite. Es passte einfach nie. Schade eigentlich.

Nach einigen privaten Schicksalsschlägen ging es zuletzt wieder aufwärts. Beruflich. Und privat. Auf seine alten Tage hatte er den Führerschein gemacht. Sein aufgemotzter Opel Corsa war seine neue Leidenschaft. Auf Instagram durfte jeder daran teilhaben. Er fand neue Freunde, blühte auf, hatte wieder Spaß am Leben. Das ihm nun abrupt genommen wurde.

Ich trauere um einen herzensguten Menschen. Der für alle da war, dabei aber vergaß, an sich selbst zu denken. Leider.

Ich gehe jetzt zu "unserem" Italiener. In der Flughafenstraße. Eine Pizza Funghi. Plus Espresso. In Memoriam. Das Kaffeegeld, Gerry, das ich für Dich gesammelt habe, spende ich an FASS. Ich denke, das ist in Deinem Sinne. Die Augenblicke im Leben sind kurz. Aber die Erinnerung hält sie immer fest. Du wirst mir fehlen, Gerry. Mach's gut, mein Freund.


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