WM Division I: Kämpfer im Norden - Eishockey in Israel
Continental-Cup-Finale in UngarnAm Montag beginnt für das DEB-Team im französichen Amiens die "Mission
Wiederaufstieg". Erster Gegner der Mannschaft von Bundestrainer Uwe
Krupp wird die hierzulande völlig unbekannte Auswahl Israels sein.
Hockeyweb-Reporterin Angelika von Bülow war in Israel auf den Spuren
der dortigen Puckjäger:
WM Division I: Staunen der Israelis
"Eishockey in Israel, nein, wir haben kein Eishockey!" Wohin wir kommen
in diesen wunderbaren vier Wochen im Gastland und die Frage nach dem
Nationalteam stellen, schütteln die Leute die Köpfe. Keiner hat etwas
gehört von einer israelischen Nationalmannschaft, die im April gegen
Deutschland bei der B-WM spielen wird.
Doch wir wissen es besser, es muss sie geben, die schnellen Jungs auf
Kufen. Und werden schließlich fündig, in Metula, ganz oben auf der
Landkarte and der libanesischen Grenze. Dort, wo Hisbollah-Terroristen
gerade wieder mal geschossen haben und die Bewohner sich in Bunker
retten mussten.
Metula hat den "good fence" neben sich, der "gute Zaun" beschreibt jene
Grenze über die immer mal wieder scharf geschossen wurde. Und genau aus
diesem Grunde sagt Boris Mindel, der russische Trainer des israelischen
Nachwuchses, habe man das Canada/Center hierher gestellt. Im Süden
hätten die Leute doch genug, da wollte man ihnen auch hier etwas
Schönes bauen.
Schön ist dieses Zentrum, das reiche kanadische Juden gestiftet haben.
Aber es hat den Nachteil, dass eigentlich kaum jemand zum Training
kommen kann. Wir mieten uns ein Auto und fahren von Haifa nach Metula,
mit dem Bus waren die etwa 150 Kilometer eine halbe Tagesreise und nach
dem Training käme man nicht mehr zurück. Es wird früh dunkel im
November und um 17 Uhr sagen sich hier oben die Füchse und die Hasen
gute Nacht. Außerdem soll um 22 Uhr ein Gate geschlossen werden.
Irgendwie wundert es jetzt nicht mehr, dass kaum ein Israeli Ahnung hat
von dieser Sportart.
Boris Mindel aber kreidet das der israelischen Presse an. Die
nordamerikanischen Medien würden mehr berichten über israelisches
Hockey, als die Israelis selber. Dabei habe sich gerade die
Jugendnationalmannschaft achtbar bei einem hochkarätigen Turnier in
Kanada geschlagen und die Senioren kamen mit der Goldmedaille aus der
dritten WM-Gruppe zurück, was sie berechtigte in dieselbe B-Gruppe wie
Deutschland, das aus A abgestiegen war, aufzurücken. Mike Horowitz, der
17-jährige Kapitän des Jugendteams, der hofft, bei der WM auch bei den
Senioren mitzuspielen und eines Tages ihr Kapitän zu werden, erklärt
warum die Israelis mithalten können. Viele von ihnen spielen in
Russland, in den USA oder in Europa. Sie kommen nur alle paar Monate
zum gemeinsamen Training nach Metula und werden außer von Mindel auch
von Jean Perron von den Montreal Canadians fit gemacht. Der kommt
immer, wenn größere Wettkämpfe anstehen.
Es gibt eine Amateurliga in Israel mit fünf Teams, aus Lod, Naharya,
Metula, Batzam und Malot. Die kämpfen um den Titel. Viele Russen haben
schon zu Hause gespielt und bringen beachtliches Talent mit. Im
Juniorenteam stehen auch drei Jungs, deren Eltern aus Amerika
eingewandert sind. Zwölf Jugendliche sind in diesem Team, davon haben
sechs anderswo gelernt, die anderen sechs stammen aus dem
Metula-Programm. Fünfhundert Spieler soll es in ganz Israel geben,
sagen Horowitz und Mindel, darunter auch solche, die schon im
sportlichen Ruhestand sind und nur noch zum Spaß spielen, außerdem 80
bis 100 Kids unter 18 Jahren. Ihnen werden alle möglichen Steine in den
Weg gelegt. Zum einen ist da die Entfernung von allen anderen Teilen
des Landes. Weiter entfernt hätte man nur noch in Eilat im Süden des
Landes bauen können. Außerdem gibt es viel zu wenig Eiszeit, sagt Boris
Mindel. Als wir beim Training vorbeischauen, hat er die schier
unlösbare Aufgabe, wirklich talentierte Spieler genauso auf der Fläche
zu trainieren wie jene, die noch über ihre eigenen Füße stolpern, "Das
ist praktisch unmöglich", sagt der russische Israeli und schaut für
einen Moment sehr traurig aus. Dann kommt noch hinzu, dass in Israel
gerade das Schulsystem geändert wird, das heißt, die Kids kommen
womöglich erst um 16 Uhr aus der Schule. Wie sollen sie da noch
trainieren?"
Mindel kam 1974 nach Israel. Er stammt aus Sibirien und hatte in der
russischen Armee Eishockey gespielt. Seit zehn Jahren trainiert er in
seinem neuen Heimatland und ist einer der Väter des israelischen
Eishockeys. Er hat schon viel erreicht unter den Umständen, wenngleich
ihm klar ist, dass ein Verbleib in der B-Gruppe schon ein Riesenerfolg
wäre. "Deutschland und wir, das sind zwei verschiedene Klassen", sagt
er.
Mike Horowitz mag Hockey, seit sein Vater ihn auf den Geschmack
gebracht hat. Der Amerikaner spielte zu Hause und brachte die Liebe mit
nach Israel. Mike, der in Israel geboren wurde, war im Feldhockey schon
topfit und wechselte erst im September zum Eishockey über. Es ist
unglaublich, wenn man den jungen Mann im Training sieht, wie gut er
bereits spielt. Er gilt schon jetzt als Kandidat für das
Senioren-Nationalteam. Vorbilder sieht er in Owen Eisenmann, Max
Bierbrauer, Daniel Spivac oder Itzik Levy, alles Israelis, die es
anderswo geschafft haben.
Wenn man bei der B-WM, die im April in Frankreich stattfindet, einige
beachtliche Spiele zeigt, dann hoffen Spieler und Trainer auch auf mehr
Resonanz im eigenen Lande. Und dann, sagt Mindel und lächelt, könnte
die Zukunft schon besser aussehen. Denn er kennt 1000
Feldhockeyspieler, die dann nichts lieber täten als überzuwechseln.
Außerdem würde dann vielleicht endlich mal die Regierung Notiz von den
Kämpfern im Norden nehmen und auch die Presse könnte nicht mehr
schweigen.
Und dann, träumt er weiter, würde man vielleicht endlich mal das
Stadion in Tel Aviv bauen, das so lange angedacht sei. Dann, das sagt
er auch noch, Eishockey läge in der jüdischen Mentalität. Das sei Teil
der Kultur der russischen, amerikanischen und europäischen Einwanderer.
Mike hat auch Träume, er möchte Kapitän im Seniorenteam werden und er
möchte einmal Profi sein. Erstmal aber muss er zur Armee und da hofft
er ganz realistisch, dass er an einem Sportprogramm teilnehmen und dem
Eishockey erhalten bleiben kann. Und beide gemeinsam hoffen, dass es
irgendwann mal eine Zeit geben wird, in der die Israelis wenigstens
wissen, dass sie eine Eishockey-Nationalmannschaft haben.
(Angelika v. Bülow)