Mamma Mia: Die olympische Reise geht jetzt erst richtig los!Claus Vetter kommentiert die deutsche Eishockey-Sensation

Der Jubel des DEB-Teams war riesengroß. (picture alliance/Michael Kappeler/dpa)Der Jubel des DEB-Teams war riesengroß. (picture alliance/Michael Kappeler/dpa)
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Es gibt ja so Momente im Sport, die können auch ein langes Reporterleben erschüttern. Sie können einem auch eine Träne in die Augen treiben, in die Augen mit den nach vielen Tagen Pyeongchang langen Olympiaringen darunter. Das Siegtor von Patrick Reimer in der Verlängerung gegen Schweden war vielleicht bislang aus deutscher Sicht der Höhepunkt der Spiele überhaupt. Ja, ganz frech und hochtrabend behauptet, trotz aller Medaillen in Nordischer Kombination oder im Biathlon. Denn die kennen wir schon, da ist die Konkurrenz klar abgesteckt – aber ein Viertelfinale als deutsche Eishockeynationalmannschaft bei Olympischen Spielen zu gewinnen – meine Herren. Das gab es noch nie und das wird es hoffentlich am Mittwoch nicht zum letzten Mal gegeben haben.

„Mamma Mia“ – wie hat mich der Song genervt, als er im Mai vergangenen Jahres bei der WM in Deutschland bei jedem Tor der Schweden gespielt wurde. Deutschland verlor 2:8. Und ich gebe es zu: Das Stück von Abba war die erste Single, die ich mir jemals gekauft habe. Seit Mai 2017 habe ich sie nicht mehr gehört. Spätestens Morgen lege ich sie wieder auf und denke nicht an ein 2:8, sondern an ein 4:3

Das deutsche Eishockey hat jetzt schon in jedem Fall viel gewonnen, nämlich öffentliche Wahrnehmung, die es zuvor über Jahrzehnte verloren hatte. Seitdem Peter Draisaitls Penaltyschuss 1992 in Frankreich auf der Linie kleben blieb, ist ja auch nicht mehr viel passiert, im optimalen Fall wurde tragisch gescheitert und in den Jahren nach Hans Zach brach dann das Chaos aus. Uwe Krupp konnte den Flurschaden beheben, schaffte 2010 sensationell bei der Heim-WM den Halbfinaleinzug – doch da hieß der Gegner nicht Schweden, sondern Schweiz und bei Olympischen Spielen hat Krupp 2006 und 2010 nicht ein Spiel mit der Mannschaft gewonnen. Die Bilanz von Sturm ist schon jetzt sehr stark, zwei Mal Viertelfinale bei der WM, Halbfinale bei Olympia.

Sicher lässt sich so ein Erfolg relativieren, weil die NHL-Spieler fehlen, weil das ganze Turnier daher ohnehin Schieflage hat. Aber: Die Deutschen haben nicht gegen eine schwedische Hobbymannschaft gewonnen, die haben gegen ein Team mit aktuellen Weltmeistern und gestandenen ehemaligen NHL-Profis und mit einem 17 Jahre alten Megatalent gewonnen. 1976, beim Bronzemedaillengewinn von Innsbruck, war die NHL auch nicht am Start. Nicht mal die Schweden spielten mit.

Nein, dieser Erfolg von Gangneung lässt sich nicht kleinreden, er wird auch die Schweden nicht gerade begeistern. Deutschland hat in diesem Olympischen Turnier nicht nur ein Halbfinale, Deutschland hat auch Respekt gewonnen. Das ist aller Ehren Wert und das Turnier ist noch nicht vorbei, ganz ehrlich: Kanada ist jetzt sogar der traumhafte Gegner im Halbfinale, denn gegen so eine kanadische Mannschaft tun sich die Deutschen immer leichter als gegen die strukturiert auftretenden Finnen oder Schweden – äh, Moment mal. Das war einmal. Und das ist richtig gut so. Mit dem Sieg gegen die große Eishockeynation ist eine deutsche Eishockeynationalmannschaft nun auch keine Lachnummer mehr.

Aber das sind alles Nebenschauplätze. Freuen wir uns jetzt erst mal bis Freitag und dann sehen wir weiter. Die olympische Reise ist ja noch nicht zu Ende, sie geht ja jetzt erst richtig los.

Claus Vetter ist stellvertretender Ressortleiter der Sportredaktion beim Berliner Tagesspiegel. Er weilt derzeit für das Hauptstadt-Leitmedium bei den Winterspielen in Pyeongchang und schreibt für seine Zeitung unter anderem einen Olympiablog. Der renommierte Journalist kommentiert in losen Abständen auch bei Sportecho die Ereignisse in Südkorea.


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