Die Schande von Bietigheim-BissingenKommentar
(Foto: Daniel Fischer - www.stock4press.de)Beim Blick auf die Weltrangliste war klar, Deutschland war vor dem Qualifikationsturnier im eigenen Land haushoher Favorit. Zur Erinnerung: Deutschland Weltranglistenplatz 10, Österreich 15, Italien 16 und Niederlande 24.
Gegen die Niederländer war das Ergebnis mit 5:1 klar, allerdings war es auch ohne Glanz. So erkannte auch Coach Pat Cortina: „Unsere Leistung war nicht so gut.“ Mit vielen zu komplizierten Spielzügen verzettelte man sich zu oft. Ein ähnliches Bild sah man gegen die Italiener. Die vor dem Turnier hochgelobte deutsche Offensivabteilung traf gerade einmal und konnte das spielerische Übergewicht nicht in einen Erfolg ummünzen. In der Verlängerung setzte der Italiener di Casmirro den entscheidenden Schuss und das Zittern begann. Aufgrund der Siege der Österreicher musste die Cortina-Truppe unbedingt nach 60 Minuten gegen Österreich gewinnen. Und wieder war es nichts. Die Alpenländer ließen Deutschland kommen, verteidigten clever und setzten brandgefährliche Konter. Bezeichnenderweise fielen alle drei deutschen Tore in Überzahl. Am Ende reichte das Unentschieden nach 60 Minuten nur den Österreichern um nach Sotschi zu fahren.
Was bleibt sind viele starke Worte, wie zum Beispiel von Kapitän Michael Wolf, der meinte: „Von Anfang an Vollgas“. Oder Constantin Braun, der auf die Frage, warum man gegen Österreich gewinnen werde, sagte „Weil es Österreich ist. Wir sind Deutschland, die sind Österreich.“ Doch bleiben werden auch die Schlagzeilen der Medien. Hockeyweb.de schreibt: „Sofa statt Sotschi“, Sport1.de: „Kufen-Gau! Olympia ohne Deutschland“, Welt.de: „Historische Pleite – Deutschland verpasst Olympia“, n-tv.de schreibt gar: „Horrorszenario für deutsches Eishockey - DEB-Team verspielt mehr als Olympia“. Und schon nach dem Italienspiel hieß es auf faz.net: „Deutsches Eishockey-Team blamiert sich gegen Italien“. In Erinnerung werden auch die langen und enttäuschten Gesichter der DEB-Auswahl zur Nationalhymne bleiben. In diesen konnte man die ratlose Schockstarre förmlich ablesen. Verteidiger Felix Petermann sagte zu dieser Situation: „Die Nationalhymne hören zu müssen, wenn das Olympia-Ticket vergeigt ist, ist das Schlimmste, was ich je erlebt habe.“
Doch viel schlimmer als hämische Schlagzeilen, ist die verpasste Chance, mit Eishockey wieder mehr in den öffentlich rechtlichen Medien präsent zu werden. Denn aufgrund der Zeitverschiebung wären die Eishockeyspiele aller Voraussicht nach in die Prime-Time von ARD und ZDF geraten. Auch für den Eishockeynachwuchs hat das verpasste Olympische Turnier Auswirkungen, denn der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) wird nun die ein oder andere Zahlung streichen, da diese von olympische Erfolgen und Qualifikationen abhängen. Franz Reindl, Sportdirektor beim Deutschen Eishockey Bund (DEB), wollte oder konnte gegenüber Sport1 in der Drittelpause keine genauen Zahlen nennen. Doch egal, welche Summe im Raum steht, zumindest auf den Prüfstand wird sie kommen.
Das Turnier hinterlässt auch wieder einige Fragen in Richtung DEB. Eine davon wird sein, ob es klug war, Pat Cortina gleich mit einem Drei-Jahres-Vertrag auszustatten – ab Sommer sieht der Vertrag gar die Doppelfunktion als Coach und Sportdirektor vor. Oder ob es sinnvoller gewesen wäre, erst das nun verlorene Qualifikationsturnier abzuwarten. Auch muss Cortina sich die Frage stellen ob er mit Rob Zepp den richtigen Torwart im entscheidenden Spiel im Tor stehen hatte, oder warum er so lange zögerte, Zepp gegen einen sechsten Feldspieler zu ersetzten. Das ZDF stellte in der Sport-Reportage am Sonntagabend bereits leise die Bundestrainerfrage.
Freude hingegen herrscht allenthalben bei den österreichischen Medien. Hockeyfans.at schreibt: „Die Helden von Bietigheim lösen Ticket nach Sotschi“, Heute.at: „Österreich biegt Deutsche: Wir fahren nach Sotschi!“, Sport10.at „Geschafft: Österreich fährt zu Olympia!“ Oder das Zentralorgan der internationales Eishockeywelt iihf.com schreibt: „Österreichische Adler fliegen nach Sotschi“-
Das einzige, das uns nun bleibt, ist zu sagen: „Herzlichen Glückwunsch Österreich.“