Aus der Traum von Olympia 2022Reaktionen auf den Bürgerentscheid
Der Deutscher Eishockey-Bund hatte seinen Deutschland-Cup genutzt, um mit einer Auftaktzeremonie und seinen extra angefertigten Warmlauftrikots sowie weiterer Informationen im Umfeld (siehe Hockeyweb-Bericht) noch einmal final für das Weltsportereignis im heimischen Umfeld zu werben – vergebens.
Gut und hoffnungsvoll gestartet, den Sieg fest im Blick - so wie das deutsche Team beim Deutschland-Cup dem Turniererfolg gegen die USA am Sonntag bis zum 4:3-Zwischenstand entgegen strebte, so gingen auch die vier Bürgerentscheide zur Bewerbung um die Olympischen und Paralympischen Winterspiele 2022 ihrem Ende entgegen. Und so wie Bundestrainer Pat Cortinas Mannen Tor um Tor ins Hintertreffen gerieten, ließen auch die ersten Auszählungsergebnisse aus den vier designierten Austragungsorten die Siegeszuversicht mehr und mehr schwinden. Als dann nach der Schlusssirene statt des Turniergewinns nur noch Platz drei für den Gastgeber zu Buche stand, ließ auch die erste Abstimmungsniederlage nicht mehr lange auf sich warten: in der Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen stimmten 51,56 Prozent der Wähler gegen Olympia - das Aus der Bewerbung, das Aus der Direkt-Qualifikation für das Eishockeyturnier 2022.
Anders als noch vor zwei Jahren beim letzten Bürgerentscheid in der Olympiastadt von 1936, als 58 Prozent für das Großereignis stimmten, als mit einem schlechteren Konzept weit mehr Eingriffe in Stadt und Natur unter der Zugspitze notwendig gewesen wären, drehte diesmal das Meinungsbild. In der Heimat des SC Riessersee, der Alpinski-Asse Maria Höfl-Riesch und Felix Neureuther oder auch Biathlon-Legende Magdalena Neuner nahm man das Thema besonders ernst: davon zeugen knapp 56 Prozent Wahlbeteiligung. Das ist nicht nur der höchste Wert der vier Entscheide, die Ablehnung fiel letztlich auch am knappsten aus. Am Sport-Manager des EHC Red Bull München, Christian Winkler, der dort nach wie vor sein zuhause hat, lag es nicht: am frühen Morgen hatte er seine Ja-Stimme in die Urne geworfen. „Dieses Ergebnis ist für mich nicht erklärbar, zumal wir beim letzten Mal so deutlich für die Spiele gestimmt haben. In der Bevölkerung war es ruhig, nichts deutete darauf hin“, konnte er die Ablehnung nicht fassen. „Leider hat der Sport wohl nicht den Stellenwert in unserer Region, den er haben sollte“, versuchte er sich an einer ersten Deutung. Und Christian Neureuther, Vater von Felix und selbst dreimaliger Olympia-Teilnehmer, ließ deutlich Kritik an der wohl schwachen Kampagne der Bewerbungsmacher erkennen: es sei den Olympia-Gegnern gelungen, „die Bürger besser mitzunehmen und von ihrer ablehnenden Meinung zu überzeugen.“
Alsbald darauf kamen die anderen Endergebnisse: Im Landkreis Traunstein, wo in Ruhpolding Biathlon- und Langlaufwettbewerbe ausgetragen werden sollten, stimmten fast 40 Prozent der Berechtigten ab und entschieden sich mit 59,67 Prozent am deutlichsten gegen Olympische Spiele – erstaunlich, schließlich war dort die Empörung groß, dass man im letzten Bewerbungskonzept für Olympia 2018 nicht bedacht worden war. Im Berchtesgadener Land, der Heimat vom Hackl Schorsch, dem dreifachen Rodel-Olympiasieger, gingen 38,2 Prozent der Befragten zur Urne und stimmten nur zu 45,9 Prozent für die Rodel- und Bob-Wettbewerbe in ihrer Region. Und schließlich waren dann auch in allen 474 Wahlkreisen der Landeshauptstadt die Stimmzettel von 28,9% teilnehmenden Wahlberechtigten ausgezählt: Mit 47,9 Prozent Zustimmung kam man dort immerhin auf den „Silberrang“ im Abstimmungswettbewerb. - Klarer konnte das Votum gegen Olympia 2022 nicht ausfallen.
„Das ist eine Watsch'n gegen den Wintersport und eine ganz bittere Pille für den Sport in unserem Land“, zeigte sich DEB-Präsident Uwe Harnos von dem Ergebnis konsterniert. Zusammen mit seinem Generalsekretär Franz Reindl hatte er in den letzten Wochen selbst für die Spiele in diversen Veranstaltungen geworben. „Ich habe es insbesondere den Kindern und Jugendlichen in Bayern so sehr gewünscht, dass sie Olympia in ihrer Heimat hätten erleben können, wie ich als Bub hier in München 1972. Noch heute profitieren wir von den Segnungen der damaligen Spiele, wenn ich nur an die U-Bahn denke. Für mich ist das Ergebnis unverständlich, weil das Konzept erstmals die Abkehr vom zu recht kritisierten Gigantismus solcher Veranstaltungen umgesetzt hat“, ließ er einen Einblick in sein Innenleben im Moment der Niederlage zu. Ein Vergleich zur verpassten Olympia-Qualifikation des Herren-Teams zu Beginn des Jahres verböte sich. Heute hätte man schließlich keinen Einfluß auf das Gelingen gehabt. Was man hätte tun können, sei auch gemacht worden.
Deutschlands italo-kanadischer Bundestrainer konnte die Nachricht vom Scheitern der Bewerbung kaum glauben: „Zuviel Demokratie“, entfuhr es ihm noch sichtlich ungläubig. Auch er wollte keine Auswirkungen auf seine Arbeit sehen: Nun gelte es, eine schlagkräftige Mannschaft für die Heim-WM 2017 aufzubauen und damit auch die direkte Qualifikation für die übernächsten Olympischen Spiele 2018 zu schaffen. Wenn man die richtigen Lehren aus dem sportlichen Scheitern für 2014 zöge, sollten künftige Erfolge keine Frage sein – und überhaupt: „2022 ist noch viel zu weit in der Ferne.“
„Wir sind sehr enttäuscht über dieses Ergebnis“, sagte Michael Vesper, der Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbunds, der zusammen mit Münchens Oberbürgermeister Christian Ude und dem DSV- (Deutscher Skiverband-) und designierten DOSB-Präsidenten Alfons Hörmann in der Landeshauptstadt eigentlich ein positives Votum feiern wollte. Es sei „bitter, dass der deutsche Sport nicht die Chance bekommt, der Welt zu zeigen, wie nachhaltige Spiele veranstaltet werden können.“ Er wunderte sich vor allem über den Stimmungsumschwung in Garmisch-Partenkirchen: „Das zeigt, dass andere Dinge den Ausschlag gegeben haben.“
„Tja, das war's dann wohl“, brachte Ude das Ergebnis auf den Punkt: „Wir, die Befürworter, hätten viermal gewinnen müssen, haben aber viermal verloren.“ Dieses Stimmungsbild sei eindeutig. „Am Konzept hat es wohl nicht gelegen, es war ja gerade für Garmisch-Partenkirchen deutlich besser als vor vier Jahren, als die Bürger noch ja sagten. Das IOC (Internationales Olympisches Komitee) wird darüber nachdenken müssen, wie es künftig in demokratischen Gesellschaften auf größere Akzeptanz stößt“, gab er Vespers Aussage eine erste Deutung.
Hörmann richtete seinen ersten Blick nach innen und dankte im Namen der Wintersportverbände für die, bis auf den Deutschen Alpenverein, „einmütige Unterstützung des deutschen Sports“. Das heutige Ergebnis stimme ihn „traurig, insbesondere die Athletinnen und Athleten“, dachte er zunächst an die Sportler. „Es wird uns in der Basisarbeit tendenziell auch eher schwächen, aber wir wissen nun, dass es sich nicht lohnt, die Idee von einem olympischen Heimspiel weiter zu verfolgen.“