Als Peter Draisaitls Penalty auf der Linie liegenbliebHeute vor 25 Jahren: Das Olympia-Drama von Méribel

Peter Draisaitl im Trikot der deutschen Nationalmannschaft. Er nahm an drei Olympischen Spielen teil und absolvierte insgesamt 146 A-Länderspiele. (Foto: dpa)Peter Draisaitl im Trikot der deutschen Nationalmannschaft. Er nahm an drei Olympischen Spielen teil und absolvierte insgesamt 146 A-Länderspiele. (Foto: dpa)
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Ich weiß es noch wie heute, wie ich damals vor dem Fernseher saß. Ich kroch beinahe in ihn hinein. Als Eishockey-Fan ist man leidgeprüft, wenn es um die Spiele der Nationalmannschaft geht. Ohne Frage, 2010 hat uns das DEB-Team mit einer bemerkenswerten Heim-WM verwöhnt, aber Anfang der 90er war man schon für Kleinigkeiten dankbar. Doch das Viertelfinale bei den Olympischen Spielen von Albertville zu erreichen, das war keine Kleinigkeit. Der Gegner, Kanada mit dem damals 19-jährigen Eric Lindros, schien übermächtig. Was die deutsche Mannschaft damals aber im Eisstadion von Méribel spielte, war unfassbar. Nach dem 0:1-Rückstand gingen die Deutschen durch Jürgen Rumrich und Didi Hegen gar in Führung. Doch in der 54. Minute lag Kanada wieder vorne. Vorbei? Nein, denn zweieinhalb Minuten vor dem Ende glich Ernst Köpf aus. Die Verlängerung blieb torlos. Im Penaltyschießen führte Kanada mit 3:2 – und Peter Draisaitl lief zum letzten Penalty an. Dieser bemerkenswerte Eishockeyspieler, der 146 Mal für Deutschland spielte und an drei Olympischen Spielen teilnahm, schoss. Kanadas Torhüter Sean Burke kippte zur Seite weg – doch Draisaitl hatte den Goalie der Ahornblätter getunnelt. Der Puck kam hinter Burke wieder heraus, er trudelte auf der Kante stehend etwas nach links – von der Kameraposition betrachtet. Er trudelte. Und trudelte. Und er fiel um und blieb exakt auf der Torlinie liegen.

Zehn Millionen Menschen sahen damals das Spiel im Fernsehen – das war ein Marktanteil von 28 Prozent. Sogar die Tagesschau musste vor diesem Eishockeyspiel kapitulieren. Der legendäre Eddie Körper sagte damals im Radio: „Das Elend der Welt klebte an seinem Schläger.“

Ich hatte das Gefühl mit den Augen auf dem TV-Bildschirm zu kleben. Das konnte doch nicht wahr sein! Das muss ein schlechter Scherz sein. Das Spiel ist aus? Die Kanadier jubeln? Sie jubelten. Sie standen im Halbfinale. Und das deutsche Team, das sonst nie von Spielen unter den letzten Vier bei Olympia auch nur träumen durfte, musste in die Platzierungsrunde.

Heute ärgere ich mich aus einem anderen Grund. Damals hatte ich das Spiel – aus einer leisen Vorahnung offenbar – auf VHS aufgenommen. Nach diesem bitteren Aus jedoch ging meine jugendliche Wut mit mir durch. Ich habe die Aufnahme noch am selben Tag mit etwas anderem überspielt. Womit? Das war mir völlig egal. Heute könnte ich mich für meine damalige Dummheit ohrfeigen. Aber so hat jeder, der das Spiel damals erlebte, seine Geschichte darüber, wo er oder sie das Spiel sah, was er oder sie dabei fühlte.

Peter Draisaitl konnte die Geschichte irgendwann nicht mehr hören, ärgerte sich auch, immer darauf angesprochen zu werden. Denn jemand, der eine derart gute Karriere aufs Eis gelegt hat, hat es nicht verdient, mit so viel Pech in Verbindung gebracht zu werden. Und jeder, der schon einmal Sport betrieben hat, kann das nachvollziehen. Da geht einem wirklich der Humor aus. Letztlich ist es aber Zeit, Frieden mit diesem Spiel zu machen. Peter Draisaitl und die übrigen Spieler dieser Mannschaft haben olympische Geschichte geschrieben. Ja, dieser verschossene Penalty, wird immer mit dem Namen von Peter Draisaitl verbunden bleiben. Aber Helden werden nicht immer durch Siege geboren. Sondern oft auch in Niederlagen. Solche Geschichten sind es, die einem Sport, einer Mannschaft, einem Spieler Seele geben – solche Geschichten sind es, die dafür sorgen, dass sich die Fans noch mehr in ihre Sportart verlieben. Erfolge werden nicht nur an Titeln gemessen, sondern manchmal auch an ganz besonderen Spielen – die sich in das Gedächtnis der Fans einbrennen. Und das Spiel von Méribel, das heute vor exakt 25 Jahren stattfand, war genau solch ein Spiel.

Das ist das Team, das 1992 für Deutschland an den Olympischen Winterspielen teilnahm:

Torhüter: Karl Friesen, Helmut de Raaf, Joseph Heiß.

Verteidiger: Mike Heidt, Udo Kießling, Rick Amann, Uli Hiemer, Mike Schmidt.

Stürmer: Jörg Mayr, Andreas Niederberger, Ron Fischer, Michael Rumrich, Georg Holzmann, Jürgen Rumrich, Bernd Truntschka, Gerd Truntschka, Dieter Hegen, Ernst Köpf, Peter Draisaitl, Andreas Brockmann, Raimund Hilger, Thomas Brandl, Axel Kammerer.

Trainer: Ludek Bukac und Franz Reindl.

Hier geht es zu einem Video, in dem der legendäre Penalty zu sehen ist: https://www.youtube.com/watch?v=MUPaRL1tolY


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