Hockey Club Davos: Physisch bereit für die «längste Saison aller Zeiten»

Noch sechs Tage bis zum ersten Bully beim 76. Spengler-Cup im schweizerischen Davos. Nach Sparta Prag und TPS Turku gibt es heute einige Informationen über den Gastgeber, den HC Davos.
Trainingsspiele, die 44 Runden umfassende Liga-Qualifikation,
Spengler Cup Davos, Nationalmannschaftsturniere, Continental-Cup-Finalturnier,
Playoffs und Weltmeisterschaften. Die Spieler des HC Davos werden in dieser
Saison wohl im Bereich der Anzahl absolvierter Partien einen für Schweizer
Verhältnisse historischen Rekord aufstellen. Ohne professionelle und
wissenschaftliche Betreuung wäre ein solches Pensum undenkbar. Deshalb ist
Mannschaftsarzt Dr. Beat Villiger beim HCD ein wichtiger Mann.
Die Coaches und Konditionstrainer in der NHL schwören auf
die Aussage, dass eine Vielzahl von Spielen und ein hoher Rhythmus über eine
gesamte Saison genau das Richtige sei, um in den Playoffs das Leistungsmaximum
zu erreichen. Spiele seien besser als jede Trainingseinheit. Trainings dienen
lediglich für die Schulung der Automatismen. Das Sommertraining, bei welchem
jeder Spieler für sich selber verantwortlich ist und die Pflicht hat, in
Topform zum ersten Training zu erscheinen, muss die Grundlage für die Kondition
und physische Vorbereitung im Kraftbereich bieten. Eigenverantwortung wird in
der NHL großgeschrieben.
Physische und psychische Regeneration
In Europa vertritt man eine etwas andere Ansicht. Der
HCD-Mannschaftsarzt und anerkannte Sportmediziner Dr. Beat Villiger kann der
Meinung der NHL-Trainer nur bruchstückweise etwas abgewinnen: «Ihre
Einstellung ist Understatement, denn mit ihrer Meinung stützen sie lediglich
das auf vielen Spielen beruhende System der NHL.» In Europa sei man der
Ansicht, dass viele Partien für die Physis und Kondition nur kurzfristig etwas
bringen. Über eine gesamte Saison hinweg gesehen, sei man sich bei der
medizinischen Kommission des Internationalen Verbandes einig: «Eine zu große
Belastung durch eine hohe Kadenz an Spieleinsätzen schadet dem Körper.»
Die europäischen Sportärzte und auch viele aus Nordamerika
vertreten klar die Meinung, dass Pausen die physische wie auch psychische
Regeneration fördern und eine saubere Genesung der Blessuren erlauben. Ein Team
mit einem breiten Kader – wie zum Beispiel der HCD – kann es sich sehr wohl
erlauben, den einen oder anderen Leistungsträger regenerieren zu lassen. Beat
Villiger: «Ein System mit Freitag-/Sonntag-Spielen und einer Partie unter der
Woche wäre aus der Sicht der Mannschaftsärzte ideal. So könnte man eine
saubere Regeneration garantieren, und es gäbe weniger Ermüdungsverletzungen.»
Richtige Ernährung ist wichtig
Untersuchungen in Österreich und Kanada haben ergeben, dass
nach dem fünften Drittel innerhalb von 48 Stunden die Verletzungsgefahr markant
ansteigt. «Es kann passieren, dass man in der Endphase der zweiten Partie einer
starken Reduktion des Glycogengehalts in der Muskulatur unterworfen wird. Die
sogenannte Glycogenschuld ist ein Indiz dafür, dass der Körper anfälliger auf
Verletzungen wird», erklärt Beat Villiger. Oftmals merke der betroffene
Spieler gar nicht, dass ihm dies widerfahre. Aber die Kombination der
organischen und neurologischen Erschöpfung bewirke eine Multiplikation von
Fehlverhalten sowie eine Verminderung der Reflexe. Dadurch steige die
Anfälligkeit auf Verletzungen.
Im Wissen um diese Gefahr hat im Profi-Eishockey die
medizinische Betreuung einen hohen Stellenwert. Dazu gehört auch die
Ernährung, denn es gilt, den «Kohlenhydrat-Speicher» aufrechtzuerhalten. Am
aufnahmefähigsten ist der Körper in den 60 Minuten nach einer grossen
Anstrengung. So erhalten die HCD-Spieler jeweils immer gleich nach dem Match
eine konzentrierte Kohlenhydratlösung, ebenso vor und nach jedem Training.
Zusätzlich wird nach dem Spiel eine kohlenhydrathaltige Mahlzeit eingenommen.
«Unser Ernährungsplan ist ausgeklügelt», sagt Beat Villiger. «Der beim
Bundesamt für Sport tätige Ernährungswissenschaftler Christoph Mannhart
stellt uns vor jeder Saison einen auf die zu erwartenden Belastungen
abgestimmten Ernährungsplan zusammen, den wir dann noch individuell anpassen.»
Das physisch stärkste HCD-Team aller Zeiten
Beat Villiger besitzt von HCD-Trainer Arno Del Curto eine
«Carte Blanche» im Bereich der Einschätzung, welcher Spieler physisch an
seinem Leistungslimit angelangt ist und ob einem der HCD-Cracks auf Grund der
grossen Belastung eine Verletzung droht. Die enge Zusammenarbeit zwischen
Trainer und Mannschaftsarzt ist gerade in «der längsten Saison aller Zeiten»
besonders wichtig. Beat Villiger attestiert dem HCD-Trainer in diesem Bereich
sehr viel Feinfühligkeit: «Arno Del Curto spürt sofort, wenn er einem Spieler
eine Pause gönnen muss. Denn nicht nur die physische, sondern auch die
psychische Regeneration ist sehr wichtig.» Das Gespür des Trainers komme ihm
als Mannschaftsarzt entgegen, denn so könne er vorbeugend einwirken. Dies
wiederum zahle sich für den Trainer aus, der über ein von weniger Verletzungen
betroffenes Team verfügen könne.
Wie ist aber die Einschätzung des Mannschaftsarztes
bezüglich der Verfassung der HCD-Spieler für «die längste Saison aller
Zeiten»? Werden sie auch noch in den Playoffs an ihr Limit gehen können? Beat
Villiger gibt sich zuversichtlich: «Unser Team ist körperlich in einer so
guten Verfassung, dass man sie durchaus im obersten internationalen Bereich
ansiedeln kann. Ich behaupte sogar, dass wir das physisch am besten vorbereitete
HCD-Team haben, dass es je gab.» Bei dieser Einschätzung verlässt sich der
Mannschaftsarzt nicht nur auf sein Gefühl, sondern kann seine Annahme auch
belegen: «Untersuchungen beweisen, dass der HCD 2002 athletisch in einer
besseren Verfassung ist, als es die besten osteuropäischen Teams in den
90er-Jahren waren. Diese Vergleiche zeigen uns, dass wir auf dem richtigen Weg
sind.» Wie gut der HCD physisch im direkten Vergleich mit aktuellen
europäischen Topteams drauf ist, wird er spätestens am Spengler Cup zeigen
können.
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