Dopingjäger Hajo Seppelt über Doping beim EishockeyHinterfragt

Hajo SeppeltHajo Seppelt
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ARMIN HOLL-WAGNER: In Russland wurden vor wenigen Tagen die russischen Stürmer Danis Saripow und Andrej Konew sowie der Kanadier Derek Smith des Dopings überführt und gesperrt. Im Fall Saripow wollen gleich zwei KHL-Clubs die Sperre vor dem Internationalen Sportgerichtshof (CAS) anfechten. Wie sehen sie die Chancen für den Einspruch?

HAJO SEPPELT: Das kann ich nicht einschätzen, da ich den Fall im Einzelnen nicht kenne. Was ich sagen kann, ist, dass natürlich auch das staatliche Doping in Russland mutmaßlich vor einer so kraft- und ausdauerbetonten Sportart wie Eishockey nicht halt gemacht haben wird. Es gab auch immer wieder Hinweise, die darauf deuten, dass die russische Profiliga davon nicht ausgeschlossen ist. Es handelt sich im Kern um etwas, was in Teilen zumindest ähnlich ist mit dem, was in der NHL passiert. Es ist ein offenes Geheimnis, das in den Vereinigten Staaten mit diesem Problem nach dem Laissez-fair-Prinzip umgegangen wird. Es liegt natürlich auf der Hand zu glauben, dass es in Russland auch nicht anders ist.

ARMIN HOLL-WAGNER: Man kann also davon ausgehen, dass das russische Eishockey in den allgemein bekannten Dopingskandal eingebunden ist? Ende Juli 2016 waren im McLaren-Report immerhin auch 14 nicht namentlich genannte russische Eishockeyspieler aufgeführt.

HAJO SEPPELT: Es ist so, dass das Eishockey im staatlichen Doping eine Rolle gespielt hat. Und wenn im McLaren-Report 14 Eishockeyspieler auftauchen, heißt das ja nicht, dass das alle waren.

ARMIN HOLL-WAGNER: Sie würden demnach zustimmen, dass diese Sperren womöglich nur die Spitze des Eisbergs sind?

HAJO SEPPELT: Das ist eine sehr angebrachte Vermutung.

ARMIN HOLL-WAGNER: Allen dreien wird die Einnahme verbotener Substanzen vorgeworfen. Allerdings fallen die Sperren unterschiedlich aus. Saripow wird bis 22. Mai 2019 gesperrt, Smith bis zum 2. September 2018 und Konew nur bis zum 19. November 2017. Wie können die Sperren so unterschiedlich ausfallen?

HAJO SEPPELT: Auch das kann man so pauschal nicht beantworten, da ich die einzelnen Verteidigungsstrategien nicht kenne. Es kann sein, dass der eine eine plausible Erklärung hat und der andere nicht. Die Entschuldigungen bei Dopingvergehen sind vielfältig. Kürzlich hat eine Tennisspielerin behauptet, dass das Medikament ihrer ehemals krebskranken Mutter in die Tortellini gefallen ist. Es gibt immer fantasiereiche Erklärungen, über die man schmunzeln kann.

Allgemein gesprochen und ohne Aussage auf die drei Fälle: Es kann auch sein, dass unterschiedliche Richter unterschiedliche Abhängigkeiten zu den Vereinen haben. Das ist ja das Problem im Sport, dass es häufig leider keine unabhängigen Instanzen gibt. Das ist ein generelles Problem: Der Sport kontrolliert sich selbst. Das ist in Profiligen unter Umständen noch viel schlimmer als im olympischen Sport, weil dort die Abhängigkeiten und kommerziellen Interessen noch viel größer sind.

Grundsätzlich gilt, dass es im russischen Sportsystem über Jahrzehnte keine Gewaltentrennung gegeben hat. Deswegen darf man sich nicht wundern, dass so ein staatliches Dopingsystem entstehen konnte. In Bezug auf Eishockey stellt sich die Frage, warum soll man da nicht dopen, wenn man überall anders gedopt hat.

ARMIN HOLL-WAGNER: Laut ihren aktuellen Recherchen sind momentan vor allem russische und afrikanische Sportler betroffen. Vor Jahren war es der Radsport oder auch Gewichtheber. 2015 erschien ein Gutachten mit dem Namen: ’Systematischen Manipulationen im Radsport und Fußball.“ Dieses Gutachten bezieht sich auf Ermittlungsakten gegen den Freiburger Sportmediziner Armin Klümper aus dem Jahr 1984. Darin wird zum Beispiel vor Lieferungen von ’dopingrelevanten Stoffen“ an den VfB Stuttgart geschrieben. Gibt es ihrer Meinung noch Sportarten, in denen nicht gedopt wird?

HAJO SEPPELT: Ich sage es mal so: Ich glaube, dass die Versuchung zu manipulieren in fast allen Sportarten sehr stark ausgeprägt ist. Das ist einfach die Natur des Menschen. Es gibt Sportarten, in denen es mehr und in denen es weniger Sinn macht. Eishockey gehört sicher zu den Sportarten, in denen es eher mehr Sinn macht. Es gehört jetzt nicht zu den Topsportarten, wo ich sage, da ist es zwangläufig so, aber es gehört zu denen, wo der Sinn einfach deutlich klarer ist. Genau wie im Fußball. Auch Fußball ist eine Sportart, bei der man jahrelang behauptet hat, dass Doping keine Rolle spielt. Das ist völliger Unsinn. Das ist durch McLaren belegt und das gilt auch für Eishockey.

ARMIN HOLL-WAGNER: Jede Nation hat ihre Anti-Doping-Agentur. In Deutschland die Nationale Anti-Doping Agentur (NADA), in den USA die U.S. Anti-Doping Agency (USADA), in Russland die Russische Anti-Doping-Agentur (Rusada) und über allem gibt es die World Anti-Doping Agency (WADA). Sind die Tests in den unterschiedlichen Organisationen international vergleichbar?

HAJO SEPPELT: Dass die Russen zumindest bisher nicht gleich geprüft haben, sieht man ja am russischen Dopingskandal. Der WADA-Code gilt aber für alle, die Frage ist nur wie er umgesetzt wird. Deswegen stehen wir jetzt vor Pyeongchang (Anm. d. Autor: XXIII. Olympische Winterspiele 2018) vor der Situation des Worst-Case-Szenarios des Dopings. Es sieht ja jetzt danach aus, dass die Russen sich freikaufen können. Ein Dirty-Deal, der einfach zeigt, dass ethische Standards offensichtlich dann keine Rolle mehr spielen, wenn das Portmonee geöffnet wird.

ARMIN HOLL-WAGNER: Eigentlich wäre Eishockey für Doping ja prädestiniert. Viele Spieler sind Modellathleten und wahre Kraftpakete. Zudem wird Eishockey immer noch dynamischer und athletischer. Trotzdem sind im Eishockey nicht sonderlich viele Dopingfälle bekannt. Es sind ’nur“ etwa 60 Fälle, wobei etwa ein Drittel Regelverstöße wie zum Beispiel Verstöße gegen die Meldeauflagen sind. Sind Eishockeyspieler cleverer, die Kontrollen lascher oder der Sport tatsächlich weitestgehend sauber?

HAJO SEPPELT: Ich glaube, dass die Kontrolldichte in Profiligen mit stark kommerzialisierten Spielbetrieben einfach nicht so ausgeprägt ist. Ich bin sicher, dass diese 60 Fälle nicht die Realität der Manipulation im Eishockey widerspiegelt. Das würden wir genauso wenig im Fußball wie auch in anderen Sportarten sagen. Dopingkontrollen können sowieso nicht die Realität im Sport abbilden. Bedenken Sie, dass in Daegu 2011 (Anm. d. Autors: 13. Leichtathletik-Weltmeisterschaft) 29 Prozent der Athleten zugaben, vorher gedopt zu haben. Und wenn sie die Zahl der positiven Tests sehen, steht das in einem krassen Missverhältnis. (Anm. d. Autor: 1945 Athleten, 14 Dopingfälle). Dopingkontrollen haben eine abschreckende Funktion, aber sie zeigen nicht, ob ein Sport sauber oder nicht sauber ist. Und wenn eine Urinprobe abgegeben wird, sagt das ja noch nichts darüber aus, nach welchen Substanzen gesucht wird.

ARMIN HOLL-WAGNER: Vielen Dank für das Gespräch.

Zahlen

In Deutschland ist die NADA für die Durchführung der Kontrollen zuständig. Laut des Jahresberichtes 2016 wurden im Eishockey in diesem Jahr insgesamt 535 Kontrollen durchgeführt. 334 Urinkontrollen im Training, 69 Blutkontrollen im Training, 132 Urinkontrollen im Wettkampf und 0 Blutkontrollen im Wettkampf. Dabei wurden vier mögliche Verstöße in der DEL festgestellt. Drei davon bei ausländischen Sportlern.

Auf Nachfrage erklärt die NADA, dass sich die Statistik auf Nationalspieler, die DEL und die DEL2 bezieht. Dabei entscheiden die Kontrollplaner der NADA welcher Sportler wann, wo und wie kontrolliert wird. Nach was gesucht wird, gibt die WADA vor. Außerdem wurden 49 Proben auch auf Erythropoese-stimulierende Substanzen, also EPO-Doping, und 106 Proben auf Wachstumshormone überprüft.

Mit anderen Worten, nicht mal jeder Spieler der Nationalmannschaft, der DEL und der DEL2 hatte eine Kontrolle.


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