Die NHL-Spieler in der Alpenrepublik - Heute: Reinhard Divis
Aufgrund
der Unstimmigkeiten zwischen NHL-Klubbesitzern und der NHLPA ergriffen im Herbst
2004 zahlreiche Klubs in Europa die Chance ihr Team mit NHL-erfahrenen Spielern
aufzuwerten. Jene Teams die die Veränderungen am Spielermarkt rechtzeitig
erkannten und sich Profis aus der National Hockey League leisteten, zogen mit
dem Engagement, in den meisten Fällen, ein gutes Los. Ein Traumlos wird
allerdings nur dann gezogen, wenn man mit dem NHL-Akteur nicht einmal einen Ausländerplatz
besetzen muss.
In
unserer Serie „Die NHL-Spieler in der Alpenrepublik“ möchten wir
Ihnen heute den Heimkehrer Reinhard Divis und sein Engagement in Villach ein
wenig näher bringen.
Ein Tormann hat es überall schwer
Reinhard Divis – Der St. Louis Blues Keeper in seiner Heimat
Es war der Abend des 25. Jänner 1998 als ganz Eishockey-Europa nach Österreich
schaute. Im Finalspiel der European Hockey League standen sich die VEU Feldkirch
und das Team von Dynamo Moskau gegenüber. Mit einem 5:3 Sieg schrieb die
damalige Erfolgstruppe von Ralph Krüger, vor eigenem Publikum,
Eishockeygeschichte im Alpenland. Neben erfahrenen Stars wie Bengt-Ake
Gustavsson und Thomas Rundqvist glänzte ein 22jähriger Torhüter mit Saves der
Extraklasse. Für Reinhard Divis war dieser historische Tag auch Startschuss für
eine internationale Karriere. Der mittlerweile 29jährige schaffte den Sprung über
den großen Teich, steht nun bei den St. Louis Blues unter Vertrag und hütet
das Tor der österreichischen Nationalmannschaft.
Begonnen hat aber alles ganz anders. Im Kindesalter versuchte sich der gebürtige
Wiener erstmal beim Judo. Als ihn seine älteren Brüder zum Eishockey mitnahmen
war seine Karriere als Judoka jäh beendet und Reinhard hütet seither den
Kasten im Eisrink. Mit 16 Jahren wechselte er dann nach Feldkirch. Von 1994 weg
sicherte Divis der VEU Feldkirch fünf Meisterschaften en suite und errang 1998,
mit dem Gewinn der Euroliga, seinen bisher größten sportlichen Erfolg. Divis
wechselte daraufhin für zwei Jahre in die Schwedische Elitserien zu Leksands IF.
Im Jahr 2000 wurde er in der achten Runde, als overall pic Nummer 261, von den
St. Louis Blues gedrafted.
Sein Debüt in der NHL feierte Reinhard Divis am siebenten April des Jahres 2002
im Match der Blues gegen die Colorado Avalanche, als er Ende des zweiten
Drittels Fred Braithwaite ersetzte und kein Tor zuließ. Im Darauf folgenden
Jahr warf ihn eine langwierige Verletzung aus der Stammformation der Blues und
er absolvierte über das ganze Jahr insgesamt nur elf Matches (davon neun beim
Farmteam Worcester Icecats). Doch in der letzten Saison kämpfte sich der Österreicher
über das Farmteam wieder zurück in den NHL-Kader und als am 12.01.2004 Brent
Johnson von den St. Louis Blues auf die Waiver-Liste gesetzt wurde, war der Weg
für Divis frei; er unterzeichnete seinen ersten one-way-contract (400 000
Dollar).
Auf den Unterschied zwischen europäischem Eishockey und der NHL angesprochen führt
Divis als ersten Punkt die körperliche Fitness an. „In Österreich finden die
Trainings meist am Abend statt und manche Spieler gehen regelmäßigen Jobs
nach. Da in Österreich nicht jeder als Eishockey Profi arbeitet können auch
Spieler in physisch schlechterer Verfassung mitmachen. In der NHL wird jeden Tag
am Vormittag trainiert und in den Matches viel mehr gecheckt. Da muss jeder
Spieler körperlich voll auf der Höhe sein, sonst wird das nix.“
Die Position des Torhüters
beschreibt er folgend: „Als Goalie hast du es überall schwer. Für mich ist
jedes Match etwas Besonderes. Du musst immer bereit sein und immer hoch
motiviert. In Nordamerika hab ich mich auf ein schnelleres und aggressiveres
Spiel einstellen müssen. In Europa haben die Stürmer, auf Grund der größeren
Eisfläche, viel mehr Platz und somit auch mehr Zeit zu schießen, das macht die
Sache für einen Goalie nicht einfacher“. Gut zu diesem Vergleich passt auch
die von Divis zitierte Aussage des langjährigen slowakischen Nationaltrainers
Jan Filc: „Wäre Dominik Hasek in der Slowakei, wäre er nicht so
dominierend.“
Doch in der NHL zählt der „Dominator“ weiterhin zu den besten seines Fachs.
Dies spürte auch Divis’ neuer Teamkollege Patrick Lalime, der auf Grund der
Verpflichtung von Hasek für eine „conditional fourth-round selection“ für
den enrty draft 2005, von den Ottawa Senators zu den St. Louis Blues getradet
wurde.
Seinem neuen Kontrahenten streut
Divis Blumen. „Patrick Lalime kenn ich persönlich noch nicht, aber er ist ein
sehr guter Goalie.“ Fachmeinungen zufolge ist Lalime (2,9 Millionen Dollar
Vertrag) ein typischer Butterfly-Goalie mit starker, schneller Fanghand. Seine
großen Schwächen liegen in Stickhandling und mangelnder Konsequenz. Reinhard
Divis’ Spielstil unterscheidet sich von dem des Kanadiers grundlegend. Der 185
cm große und 85 Kilogramm schwere Divis gilt als einer der besten Eisläufer
der Liga und fällt unter das klassische Bild des Stand-Up-Tormanns. Ihm wird,
auf Grund seiner Erfahrung in entscheidenden Matches, nachgesagt, dass er sich
unter enormen Druck immer noch steigern kann. Wer schlussendlich die Nummer eins
im St. Louis Blues Tor sein wird bleibt abzuwarten. Schwer wird es auf jeden
Fall für beide, da die Torhüterposition bei den Blues in den letzten Jahren
immer wieder im Kreuzfeuer der Kritik stand. Die letzte Nummer eins, Chris
Osgood, erhielt, trotz ansprechender Leistungen und der Erfahrung von zwei
Stanley Cups, keinen Vertrag mehr bei den Blues.
Aufgrund der Streitigkeiten zwischen Klubbesitzern und Spielergewerkschaft weilt
Reinhard Divis seit dem Sommer 2004 wieder in Österreich. „Ich hätte gerne
in der AHL gespielt, doch der Klub müsste dort meinen vollen Gehalt zahlen und
außerdem wäre ich dadurch auf die Waiver-Liste gekommen und somit für jeden
anderen Klub frei zu haben“. Das Management der St. Louis Blues wollte dies
nicht riskieren und somit hielt sich Divis, im Sommer, bei seinem Ex-Klub
Feldkirch in der zweiten österreichischen Liga fit. Im frühen Herbst gab es
zahlreiche Angebote aus dem Ausland, doch der Torhüter wollte erstmal die
Entwicklung in Nordamerika abwarten und nicht in Russland oder anderswo in
Europa spielen.
Dann der 24. Oktober. Der Villacher SV verliert sein Heimspiel gegen den
Aufsteiger aus Salzburg mit 8:11. Am selben Abend wird Reinhard Divis vom
Vizemeister engagiert und trägt seither das Blau-Weiße Trikot. „Es ist alles
ganz schnell gegangen. Der Manager des VSV, Giuseppe Mion, hat mich angerufen
und einen Tag später stand ich in Villach schon auf dem Eis.“ Im Kasten der
Villacher Adler, glänzte der Nationalteamtorhüter durch tolle Reflexe und
brachte wieder Sicherheit ins marode Verteidigungsspiel des angeschlagenen
Vizemeisters. Die Marschrichtung zum angepeilten Saisonziel „Play Offs“
stimmte in Villach wieder und auch die Fans in der Draustadt schlossen den
Wahl-Vorarlberger ins Herz.
Als, Mitte Jänner, die Spielzeit in der NHL in immer weitere Ferne rückte war
jedem Villacher Eishockeyfan klar: Reinhard Divis wird für den Rest der Saison
ein Blau-Weißer bleiben und mit einem Schlussmann dieses Kalibers ist der VSV
auch im Kampf um den Titel ein heißer Kandidat. Nur wenige Tage später, noch
vor der offiziellen Absage der NHL-Spielzeit am 16. Februar, die Hiobsbotschaft
für den VSV: Reinhard Divis fällt wahrscheinlich für den Rest der Saison aus.
Diagnose von ÖEHV-Teamarzt Dr. Günther Bachler: Schulterverletzung. Divis muss
operiert werden, die Rehabilitation wird einige Monate in Anspruch nehmen und
der gebürtige Wiener kann erst
wieder in der nächsten Saison im Tor stehen.
Begonnen hatte alles schon einen Monat vorher, als sich der Torhüter im Spiel
gegen Salzburg an der Schulter verletzte. Divis wollte allerdings immer wieder
spielen, doch seit der 27. Minute im Spiel gegen die Vienna Capitals, am
03.02.2005, ist der NHL-Torhüter nun endgültig zum Zuschauen verurteilt.
Bitter für den 29jährigen der mit den Blau-Weißen in dieser Saison noch
einiges vorhatte. Bitter auch für den VSV, denn Divis kassierte in 25 Matches
59 Gegentore und rangiert zurzeit mit einer Fangquote von 92,44%, hinter den KAC
Goalies Cloutier (94,07%) und Verner (93,61%) an dritter Stelle der Torhüterstatistik
der Erste Bank Eishockey Liga. Im Vergleich dazu seine Backups Prohaska (17
Spiele, 48 Gegentore, 89,91% Fangquote) und Kerschbaumer (8 Spiele, 23
Gegentore, 85,25% Fangquote).
Und bitter auch für das Nationalteam, denn Divis musste fürs das
Olympiaqualifikationsturnier in Klagenfurt (Österreich verpasste die
Teilnahme) absagen und fällt wahrscheinlich auch für die Ende April startende
Weltmeisterschaft im eigenen Land aus. Ein kleines Fünkchen Hoffnung lässt Österreichs
Eishockeyfans noch hoffen. Reinhard Divis wurde noch nicht operiert und
unterzieht sich zurzeit einer Physiotherapie. Wenn tatsächlich ein kleines
Wunder geschieht, könnte Österreichs erster NHL-Spieler vielleicht schon im
Semifinale (falls sich der VSV qualifiziert) wieder im VSV-Kasten stehen und wäre
dann ein sicherer Fixstarter für die Heim-WM in Wien und Innsbruck.
Unabhängig von den Entwicklungen in dieser Spielzeit, wird der Name Reinhard
Divis den Österreichischen Eishockeyfans in den nächsten Jahren noch viel
Freude bereiten; denn ans Aufhören denkt der 29jährige noch lange nicht.
„Ich will spielen solange es geht und solange es mir Spaß macht.“ Sein großes
sportliches Ziel für die kommenden Jahre ist natürlich der Stanley Cup. Doch
macht er den Gewinn der begehrten NHL-Trophäe nicht nur von persönlichen
Leistungsfaktoren abhängig. „Mit dem Titel in der NHL ist das so eine Sache.
Für den Stanley Cup brauchst du sehr viel Glück. Wichtig ist, dass du zur
richtigen Zeit am richtigen Ort bist.“
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