Felix Schütz und die Weltreise nach ErdingAus Wladiwostok zum Deutschland-Cup
Felix Schütz noch im Trikot des ERC Ingolstadt - Foto: Carsten Schürenberg - www.stock4press.deFür viele unerwartet kehrte der Stürmer den Kölner Haien im vergangenen Sommer trotz eines laufenden Vertrags den Rücken, um in der russischen Kontinental Hockey League (KHL) beim Liganeuling Admiral Wladiwostok anzuheuern. Damit ist Schütz der erste in Deutschland geborene Spieler, der es in die starke russische Liga geschafft hat. Lediglich Ex-Nationalspieler Jan Benda, Dimitrij Kotschnew (Hamburg Freezers) und Dimitri Pätzold (Schwenninger Wild Wings) waren neben dem ebenfalls noch in Russland tätigen Eduard Lewandowski in der KHL aktiv. „Diese Chance musste ich einfach wahrnehmen. Solch eine Gelegenheit bekommt man nicht oft“, sagt Schütz. Verständlich, hat doch die KHL den Anspruch, auf Augenhöhe mit der nordamerikanischen NHL zu sein.
Was auch für die Entlohnung gilt. In Russland wird bekanntlich gutes Geld bezahlt, nicht vergleichbar mit einem Salär wie in der DEL oder anderen europäischen Ligen. Für Schütz steht die sportliche Herausforderung an erster Stelle. Den höheren Verdienst nimmt er dazu natürlich gerne mit.
Für den gerade 26 Jahre alt gewordenen Stürmer begann damit allerdings auch ein Weg ins Ungewisse. Rund 8.500 Kilometer von der deutschen Heimat am Japanischen Meer, ganz im Osten Russlands und nur rund 100 Kilometer von der chinesischen Grenze entfernt, befindet sich die knapp 600.000 Einwohner zählende Hafenstadt Wladiwostok. Ein Ort, der allein wegen der Entfernung von Westeuropäern eher weniger frequentiert wird. Viele Menschen in der Region leben von der Fischerei. Schütz: „Du kannst da sensationell gut Sushi essen. Es gibt in der Innenstadt einige tolle Restaurants.“
Dass er sich in Wladiwostok mittlerweile recht wohl fühlt, ist dabei nicht selbstverständlich. Stichwort Kulturschock. Zu Beginn war es nicht einfach. Doch Schütz hat den Dreh bekommen. Der Center, der auch auf Außen spielen kann, hat bereits Erfahrung im Ausland gesammelt. Vier Spielzeiten hat Schütz in Nordamerika verbracht. Was freilich nicht zu vergleichen ist. „Aber dennoch hilft es, wenn man schon mal in einer ähnlichen Situation war und in ein fremdes Land kommt“, erklärt Schütz.
Den Start bei seinem neuen Team wird er so schnell nicht vergessen. „Da bei meiner neuen Mannschaft noch nicht alles vorbereitet war, haben wir die ersten beiden Wochen in Moskau im Trainingslager verbracht und sind erst danach nach Wladiwostok geflogen. Erst dann habe ich meine Wohnung beziehen können.“ Besonders mit den vier schwedischen Mitspielern und den beiden Nordamerikanern im Team unternimmt er viel. „Es ist schon gut, wenn man Leute hat, mit denen man sich gut versteht und die als Importspieler in einer ähnlichen Situation sind wie man selbst.“ Einer seiner Ansprechpartner ist auch ein guter, alter Bekannter: Alexander Selivanov, über viele Jahre in der DEL für Frankfurt, Krefeld und Duisburg aktiv, ist sein Co-Trainer.
Schütz´ Leistungen auf dem Eis sprechen für sich. In 23 Spielen gelangen dem Angreifer drei Tore und elf Vorlagen. Schütz spielt viel, gehört in einem eher jungen Team zu den Aktivposten und steht rund 20 Minuten pro Partie auf dem Eis. Die Verantwortung gefällt ihm. Er gehört zu den Teamleadern. „Sportlich passt es auf jeden Fall. Das gibt einem ein gutes Gefühl und man hat Spaß an der Arbeit. Wir spielen auch insgesamt ganz gut und haben schon den einen oder anderen Favoriten geärgert.“
Hört sich zunächst alles nach Wohlfühlprogramm für Schütz an - ist es aber nicht. Vor allem die langen Flugreisen durch die riesige russische Nation sind eine Belastung und gehen an die Substanz. In die Hauptstadt Moskau sind sieben (!) Zeitzonen zu durchfliegen. 28 Teams sind in zwei Gruppen und dann in jeweils zwei Divisionen eingeteilt. Wladiwostok ist nicht nur der jüngste, sondern zugleich auch der am weiten entfernteste Standort in der gesamten KHL.
Es kommt also vor, dass Schütz und seine Teamkameraden mittags um 12 Uhr losfliegen – und nach sechs Stunden Flugzeit zur gleichen Zeit irgendwo anders ankommen: Gift für den menschlichen Biorhythmus. „Vor allen Dingen dann, wenn wir tagelang auf Auswärtstour sind“, sagt Schütz und ergänzt: „Aufgrund der Zeitverschiebung ist vor allen Dingen die Regeneration wichtig.“ Bedeutet: Viel trinken, gut essen und noch mehr schlafen. Bei dieser außerordentlichen Belastung freut man sich schon fast auf die Spiele bei Amur Khabarowsk. Schütz flachst: „Das ist sozusagen unser Derby. Wir sind nur eine gute Flugstunde und 700 km unterwegs.“
Zum Deutschland Cup reiste Schütz aus Minsk an, wo er mit Wladiwostok das letzte Auswärtsspiel bestritt. Bereits seit vergangenem Samstag weilt der Ex-Hai in seiner Heimatstadt Erding. „Ein paar Tage bei der Familie tun richtig gut. Und ich genieße es, die Jungs hier bei der Nationalmannschaft wieder zu treffen. Es ist schon ein bisschen her, dass ich in der Kabine nur deutsch gesprochen habe.“ Nach dem Vier-Länder-Turnier in München geht es in der kommenden Woche wieder zurück ans Japanische Meer. Von München über Moskau direkt nach Wladiwostok. Knapp zwölf Stunden sind das. Schütz muss sich dran gewöhnen, denn: „Die wirklich langen Auswärtsreisen kommen in den nächsten Wochen.“
Umso mehr ist Schütz seine Zeit in Deutschland während der Länderspielpause zu gönnen. Denn auf die Heimat, kurze Wege und die deutsche Sprache muss er mindestens bis Mai verzichten. (del.org)