Deutschland-Schweiz im Vergleich - Teil 1 - 3

Schweiz: Die 14 Award-GewinnerSchweiz: Die 14 Award-Gewinner
Lesedauer: ca. 8 Minuten

Als langjähriger NHL-Scout, der sämtliche Juniorenauswahlmannschaften und auch

die Nationalteams bei zahlreichen internationalen Turnieren begleitetn fühle ich

mich befähigt, einen Vergleich dieser zwei Nationen anzustellen:

Die

Grundlagen

Die

beiden Eishockeynationen Schweiz und Deutschland verbindet eine jahrzehntelange,

gesunde Rivalität. Die Rivalität wird konstruktiv ausgelebt, d.h. die beiden

Verbände arbeiten gut zusammen. Viele Testspiele und gegenseitige Einladungen

zu Turnieren auf allen Stufen ist das erfreuliche Resultat. Dieser attraktive

Konkurrenzkampf gründet nicht nur auf der Nachbarschaft und der jeweiligen

Derbystimmung sondern auch auf der Tatsache der Ausgeglichenheit im Stärkenverhältnis.

Während Deutschland in den 70er bis 90er Jahren die besseren Resultate

aufweisen konnte hat die Schweiz in den letzten Jahren aufgeholt. Heute

beurteile ich die Situation als ausgeglichen. Trotzdem, wo liegen die

Unterschiede?


Die

Nationalmannschaft

Die

Deutsche Nationalmannschaft die an Olympia gegen die Schweiz antreten wird ist

aus meiner Sicht im direkten Duell zu favorisieren denn bei den Deutschen werden

alle NHL-Spieler zur Verfügung stehen. Dies ist auch ein Teil der Begründung

der Favoritenrolle: Deutschland hat deutlich mehr NHL-Spieler und davon mit Kölzig,

Hecht und Sturm drei bestandene, mit durchschnittlichem NHL-Niveau. Hinzu kommen

Seidenberg (etwas fragil aber auch mit dem Potenzial zum durchschnittlichen

NHL-Verteidiger), Ehrhoff (ebenfalls Stammspieler aber noch in einer

untergeordneten Rolle) – genau so wie Marcel Goc. Den Ottawa-Verteidiger

Schubert bezeichne ich als „halben“ NHL-Verteidiger. Er hat sich noch nicht

durchgesetzt. Ebenfalls auf die Stufe von Goc und Ehrhoff stelle ich den

Tschechien-Söldner Jan Benda. Nicht weit davon entfernt sind 

Mirko Lüdemann, Daniel Kreutzer und Eduard Levandovsky. Zudem versteht

es Deutschland immer wieder,  Löcher

mit Einbürgerungen zu stopfen. Auf der anderen Seite die Schweiz. Sie stellt

mit dem Goalie Martin Gerber nur einen Spieler von der Klasse der Top3

Deutschlands. Der zweite Goalie, David Aebischer, spielt zwar auf ähnlichem

Niveau, auf der Goalieposition darf aber nur einer eingesetzt werden. Der

Montreal-Verteidiger Mark Streit ist erst ein „halber“ NHL-Spieler. Er

befindet sich in einer ähnlichen Position wie Christoph Schubert bei Ottawa.

Der langen Worte kurzer Sinn: Deutschland hat die besseren „High-End“

Spieler, d.h. die besten Spieler Deutschlands sind besser als die besten Spieler

der Schweiz. Die Schweiz hat hingegen Vorteile in der Tiefe. Ich beurteile das

durchschnittliche Niveau der Schweizer Spieler im dritten und vierten Block

besser als dasjenige Deutschlands. Alles in allem: Leichte Vorteile für

Deutschland, weil sie in engen Situationen die besten Spieler forcieren können

und somit individuell überlegen sind. Die Vorteile sind allerdings nicht sehr

gross denn Hecht, Sturm, Kölzig und Benda sind keine Superstars vom Format

eines Jaromir Jagr, Dany Heatley, Roberto Luongo oder Joe Thornton aber doch

eine Spur besser als die besten Schweizer wie Martin Plüss oder Mark Streit.

Eigenartig, wie es die Schweiz im Gegensatz zu Deutschland kaum versteht, langjährige

Söldner für die Schweizer Nationalmannschaft zu motivieren. Der frühere

Mannheimer Jan Alston sowie der New York Rangers-Draftpick Christian Dubé könnten

heute theoretisch für die Schweiz spielen wenn sie nur wollten… Wie gesagt,

die Schweiz hat gewisse Vorteile in der Tiefe des Kaders. Die im

Leistungsranking zwischen den Rängen 6 und 30 klassierten Spieler sind in der

Schweiz im Durchschnitt besser. Unter dem Strich haben die Deutschen in

Vollbesetzung – wie an Olympia – leichte Vorteile. An Weltmeisterschaften

ist die Ausgangslage hingegen jeweils ausgeglichen weil die Deutschen mehr von

Absagen betroffen sind als die Schweizer.




Der Nachwuchs

Die

bessere Tiefe im Kader der Schweizer ist das 

Resultat eines guten Nachwuchsförderungsprogramms. Dies führte dazu,

dass die Schweizer gegenüber den Deutschen bei den Jahrgängen 83-90 Vorteile

haben. In diesen Alterskategorien sind die Deutschen nur beim Jahrgang 87 leicht

im Vorteil. Ansonsten stelle ich Ausgeglichenheit oder Vorteile für die Schweiz

fest. Vor drei bis vier Jahren waren die Schweizer Juniorenauswahlteams den

Deutschen spürbar überlegen. In jüngster Zeit konnten die Deutschen die Lücke

wieder etwas schließen, ohne die Schweizer aber überholt zu haben.

 


Die Ausstrahlung

Stilistisch

gibt es keine grossen Unterschiede zwischen den beiden Nachbarn. Die Deutschen

sind im Durchschnitt eine Spur grösser, kräftiger, athletischer und kampfstärker

währenddem die Schweizer bei den läuferischen Fähigkeiten und in der

mannschaftlichen Geschlossenheit, der taktischen Disziplin etwas besser sind.

Beide Nationen zeichnen sich kaum je mit Filigrantechnikern aus. In der

Scheibenkontrolle und den individuellen Skills haben die Spieler beider Nationen

grössere Defizite.  Im

Weltklassevergleich haben Deutschland wie die Schweiz 

in sämtlichen Belangen Aufholbedarf: Körpergrösse, Muskelkraft (vor

allem in den Rumpf-und Beinpartien) Schlittschuh laufen, Stocktechnik. Im

Gegensatz zu Kanada, Russland, Tschechien, Slovakei, Schweden und Finnland haben

weder Deutschland noch die Schweiz Spieler mit einem Skill-Level der sie zum

Ausnahmekönner stempelt. Die Gründe hierfür liegen wahrscheinlich auch in der

mangelhaften Grundausbildung im Kindesalter. Ein langer, steiniger Weg – diese

Defizite auszumerzen.


Die sportliche Zukunft

Die

Schweiz gibt sich meist damit zufrieden, gegen die Deutschen mithalten oder sie

besiegen zu können. Deutschland ist der Massstab. Umgekehrt stelle ich dies

mindestens auf Juniorenebene ebenfalls fest. Ein grosser Fehler aus meiner

Sicht! Ich bin kein Phantast und fordere keine Weltmeistertitel – dafür kenne

ich Kanada und Russland nur zu gut. Es gibt aber kaum Gründe die dafür

sprechen, warum wir (Deutschland und die Schweiz), uns nicht das Ziel setzen können,

zur Slovakei aufzuschliessen. Beide Nationen müssen in absehbarer Zeit einen

Schritt nach vorne tun. Falls nein bedeutet dies nicht nur Treten an Ort sondern

Rückschritt. Allzu gerne vergessen wir, dass Nationen wie Lettland,

Weissrussland, Dänemark, Oesterreich und andere aufholen und nur darauf warten,

uns im Nationenranking auf den Plätzen 8 und 9 ablösen zu können. Lassen wir

uns von einzelnen positiven oder negativen Zufallsergebnissen nicht blenden wie

z.B. eine Halbfinalqualifikation oder wie jüngst der Deutsche Abstieg in die

B-Gruppe. Die Schweiz und Deutschland sind für mich aktuell die Nummern 8 und 9

im internationalen Leistungsvergleich. Der Vorsprung auf die Nationen auf den Plätzen

10-15 ist aber kleiner als der Rückstand auf die Nummer 7. Dies dürfen wir

nicht akzeptieren. Wir wollen und müssen besser werden! Ich postuliere eine

systematische Grundausbildung im Kindereishockey mit deutlich mehr lauf- und

stocktechnischen Drill-Elementen. Diese Drills müssen von hochqualifizierten

Technikern überwacht, in hoher Präzision und Intensität ausgeführt und in

endloser Wiederholung gefordert werden. Nichts für Sensibelchen und keine

Spielwiese für lustfördernde Ausbildungsmethoden sondern beinharte Arbeit mit

viel Schweiss und Entbehrungen. Diese unzimperliche Gangart schlage ich nur für

die allerbesten Talente vor, diejenigen mit echten Aussichten zum Profisport auf

höchstem Niveau. Für alle anderen liege ich voll auf der Linie der modernen Pädagogen,

sprich „die Freude am Sport durch spielerische Elemente fördern“. Zusätzlich

bin ich überzeugt, dass in beiden Ländern mindestens ein Leistungszentrum mit

einer schmalen Eisfläche (NHL-Dimensionen) als ergänzendes Praixselement

gebaut werden sollte. Ja ich weiss, - all dies 

kostet Geld, viel Geld, wobei wir bereits beim Thema Wirtschaftskraft

angelangt wären.

 

Die

wirtschaftlichen Aussichten

In

der Schweiz bezahlen die Clubs noch immer die höheren Saläre als in

Deutschland. Dieses Ungleichgewicht gerät aber ins Wanken denn viele Schweizer

Teams leben über ihren Verhältnissen, d.h. finanzielle Löcher werden von Mäzenen

gestopft. Das eigentliche Eishockey-Business in der Schweiz lässt auch für die

Spitzenspieler kein Direktorengehälter zu und dies liegt zum Teil an den völlig

veralteten, schrottreifen Stadien die alles andere als ein Ertragsfundament

bilden. Aktuell gibt es zwar Projekte für Sanierungen und Neubauten. Diese

Projekte muten aber im Vergleich zu den bereits erstellten Arenen in Deutschland

zweit- und drittklassig an. Mittelfristig bedeutet dies für die Teams in Köln,

Berlin, Mannheim, Hamburg etc. ein besseres wirtschaftliches Fundament für die

Zukunft als bei den Schweizer Teams. Voraussetzung ist aber, dass im Bereich

Marketing, Merchandising, Catering und Sponsoring professionell gearbeitet wird,

ansonsten eine moderne Arena wegen den nicht unerheblichen Unterhaltskosten zum

Bumerang werden kann. Trotzdem: Die deutlich besseren Stadien in Deutschland -

wie übrigens auch in Finnland, Schweden, Tschechien und Russland - als in der

Schweiz verheissen im internationalen Wirtschaftskraftwettbewerb nichts Gutes für

die Schweizer Clubs. In der Schweizer Liga werden mittelfristig wohl kleinere Brötchen

gebacken. Die Ausländer werden nicht mehr zweitklassig sondern nur noch

drittklassig sein. Die besten Schweizer Spieler werden vermehrt in ausländischen

Ligen anheuern. All dies wird sich aber nicht negativ auf die Nationalmannschaft

auswirken; ja – das Gegenteil könnte sogar der Fall sein. Die Schweizer

Top-Liga hingegen – die noch vor nicht allzu langer Zeit die am besten

bezahlende Liga neben der NHL war und dies mit einem hohen Unterhaltungswert -

wird im europäischen Vergleich an Bedeutung verlieren. Aehnlich wie die

Schweizer Super-League im Fussball. Die DEL hingegen könnte in Europa neben

Russland das Mass aller Dinge werden: Eine Liga mit guten Söldnern, mit

modernen und bequemen Arenen, mit neuen Zuschauerschichten und mit potenten

Sponsoren. All dies wird aber nicht automatisch zu einem Ungleichgewicht auf

Nationalmannschaftsebene führen. Die Schweizer Spieler werden vermehrt zu Söldnern

und dies wird sich wie im Fussball eher leistungsfördernd als leistungshemmend

auswirkend und die Schweizer Liga kann sich auf der Suche nach einem neuen

Selbstverständnis vielleicht als Ausbildungsliga profilieren. Gute

Zukunftsaussichten für Deutschland und die Schweiz wie ich meine – aber mit

umgekehrten Vorzeichen. Zudem: Deutschland ist für allfällig wieder

aufflackernde Pläne einer Europäischen Super-League – das theoretische europäische

Pendant zur NHL – mit seinen Stadien sehr gut gerüstet. Die eine oder andere

Deutsche Metropole dürfte in diesen Plänen ganz bestimmt eine Rolle spielen.

Thomas

Roost /

Januar

2006

 


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