Das abgebrochene Länderspiel und eine Europa-Profiliga, die es nie gab Die London Lions und ihr Spiel gegen die Nationalmannschaft

Martin Hinterstocker (rechts mit den erhobenen Armen, hier beim Olympia-Spiel 1976 gegen Polen) hatte zweimal in Oberstdorf für das DEB-Team gegen die London Lions getroffen. (dpa / Foto: dpa/picture alliance/Associated Press)Martin Hinterstocker (rechts mit den erhobenen Armen, hier beim Olympia-Spiel 1976 gegen Polen) hatte zweimal in Oberstdorf für das DEB-Team gegen die London Lions getroffen. (dpa / Foto: dpa/picture alliance/Associated Press)
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Da diese Partien meist nicht in irgendwelchen Übersichten auftauchen, geraten sie in Vergessenheit. Wie jenes Spiel gegen die Universitätsmannschaft Wisconsin Badgers am 17. Dezember 1983 im Rahmen einer Nordamerika-Reise. Wer jedoch am 1. März 1974 dabei war, als die DEB-Auswahl in Oberstdorf gegen die London Lions spielte, wird diese Partie wohl noch gut in Erinnerung haben.

Zugegeben. Das ist nun schon 51 Jahre und ein paar Tage her, wer jedoch gerade erst davon hört und dann noch liest, was dahintersteckt, der ist leicht fassungslos. Oder hat jemand davon gehört, dass es in den 70ern eine professionelle European Ice Hockey League geben sollte, deren Meister gegen den Stanley-Cup-Sieger in einem „Welt-Finale“ antreten sollte? Dass es schon mögliche Spielorte deutscher Teams gab. Wie zunächst Düsseldorf, dann Krefeld, aber auch Berlin und München?

Besitzer der Detroit Red Wings gründete das Team

Ein Team dieser zu gründenden Liga gab es bereits: die London Lions. Bruce Norris, der damalige Besitzer der Detroit Red Wings hatte die Idee zur Liga und rief zudem die Mannschaft in der britischen Hauptstadt ins Leben, angelehnt an ein Team gleichen Namens, dass in den 20ern und 30ern des 20. Jahrhunderts existiert hatte. Dass der Löwe im Original als auch im Logo des Teams der Siebziger Flügel hatte, passte ganz gut zu den Red Wings.

Tatsächlich bestritt diese Mannschaft in der Saison 1973/74 mindestens 73 dokumentierte Freundschaftsspiele und bestand aus kanadischen, US-amerikanischen und schwedischen Spielern, von denen zumindest einige ursprünglich für Detroits Farmteam in der American Hockey League, die Virginia Wings, vorgesehen waren.

So lief das „vergessene“ Spiel der Nationalmannschaft

Am 1. März 1974 kam es schließlich in Oberstdorf zum Testspiel der (bundes-)deutschen Nationalmannschaft gegen die London Lions – doch diese Partie endete in einem Skandal. Denn in der 36. Minute brachen die Schiedsrichter Franz Baader aus Füssen und Martin Erhard aus Hohenfurch das Spiel beim Stand von 6:1 (1:1, 5:0) für Deutschland ab. Eine Meldung des Sportinformationsdienstes zitierte den aus Landshut stammenden deutschen Nationalspieler Alois Schloder mit den Worten: „Wir lassen uns doch vor der Weltmeisterschaft nicht kaputtschlagen.“ Tatsächlich eilte der letztlich nordamerikanischen Mannschaft aus London der Ruf voraus, extrem rüpelhaft zu spielen. So sollen die Lions im Spiel gegen die DEB-Auswahl mehrere Massenschlägereien angezettelt haben. Als dann noch der „Coach“, damit könnte Cheftrainer Doug Barkley oder Co-Trainer Al Coates gemeint sein, laut sid die Schiedsrichter immer wieder wild beschimpfte, hatten die Unparteiischen die Nase voll und brachen das Spiel ab.

Der Schwede Tord Lundström hatte die London Lions zunächst in Führung gebracht (5.), ehe Alois Schloder zwei Minuten später der Ausgleich gelang. Im zweiten Drittel nutzte die deutsche Mannschaft die zahlreichen Strafminuten aus, um bis zum Abbruchzeitpunkt nach Treffern von Martin Hinterstocker (2), Erich Kühnhackl, Klaus Auhuber und Rolf Knihs auf 6:1 davonzuziehen. Die ebenfalls dazu gehörige Bilanz dieses Spiels: Nach einem Stockschlag von Lions-Kapitän Rick McCann hatte sich Lorenz Funk am Auge verletzt. Alois Schloder und Udo Kießling trugen Oberschenkelverletzungen davon. Der sid berichtete von 45 Strafminuten gegen die London Lions, zu denen sich eine Matchstrafe gesellte. „Ich sehnte das Ende dieses Spiel förmlich herbei“, sagte Bundestrainer Gerhard Kießling. „Es bestand die akute Gefahr ernsthafter Verletzungen.“

Die EIHL und wo sie hätte spielen sollen

Die Idee der European Ice Hockey League verlief schließlich im Sande. Sie keimte offenbar durch die Gründung der NHL-Konkurrenzliga, der World Hockey Association, im Jahr 1972 auf, der Red-Wings-Chef Bruce Norris offenbar eine echte „Weltliga“ entgegensetzen wollte. Das Eishockey-Magazin berichtete im Dezember 1973 davon, dass der FC Bayern München erwäge, (erneut) eine Eishockey-Abteilung zu gründen und mit einem Profiteam an der europäischen Liga teilzunehmen. Die Idee des damaligen Bayern-Managers Robert Schwan: Neben zahlreichen kanadischen Importspielern sollten Spieler wie der Russe Alexander Ragulin und der deutsche Nationalspieler Alois Schloder zu den Bayern gelotst werden. Eine zweite deutsche Mannschaft sollte in Krefeld oder Berlin spielen. Für eine mögliche Krefelder Profimannschaft in der „EIHL“ geisterte der Name „Alemannia Krefeld“ durch den Raum, als man noch davon ausging, dass die Liga sogar schon im Jahr 1973 an den Start gehen könnte. Laut Eishockey-Magazin sollte sie mit dem Bundesadler auf der Brust spielen. US-Zeitungen hätten seinerzeit vermeldet, dass Otto Schneitberger als Kapitän der Alemannia vorgesehen gewesen wäre, so das Eishockey-Magazin im Dezember 1973.

Weitere denkbare Standorte dieser Profiliga: Hier wurden viele denkbare Orte genannt, darunter Paris, Stockholm, Helsinki, Mailand, Tilburg – die Trappers, die heute in der deutschen Oberliga spielen, haben ebenfalls ein Freundschaftsspiel gegen die Lions absolviert – und Barcelona. Doch daraus wurde nichts, auch 1974 nicht. Im Sommer sprach Norris sogar noch davon, dass es doch auch eine asiatische Division mit Mannschaften in Singapur, Japan und Australien geben könnte. Letztlich platzten all diese Träume.

Nur 13 Niederlagen – eine gegen das DEB-Team

Von den 73 dokumentierten Spielen der London Lions gab es nur eines, jenes in Oberstdorf, gegen eine deutsche Mannschaft. In der Zeit vom 27. bis zum 30. November waren drei Spiele in London gegen die Düsseldorfer EG geplant, die aber aufgrund von Terminschwierigkeiten nicht zustande kamen. Die Lions haben 53 Spiele gewonnen, 13 Mal verloren und siebenmal unentschieden gespielt. Das Spiel gegen die deutsche Nationalmannschaft war nicht der einzige Spielabbruch. Beim 3:0-Sieg der Lions auswärts gegen ZKL Brünn in der Tschechoslowakei wurde das Spiel fünf Minuten vor dem Ende ebenfalls nach einer Massenschlägerei vorzeitig beendet.

Drei Spieler der Lions wurden später in Deutschland bekannt: Nelson Pyatt spielte von 1980 bis 1982 in der 2. Bundesliga für den VER Selb und erzielte alleine 1981/82 in 46 Spielen satte 80 Tore und 30 Vorlagen. Der Schwede Ulf Sterner coachte 1986/87 den SV Bayreuth und 1988/89 den EV Füssen. Brian McCutcheon war in der Saison 2014/15 Co-Trainer der Kölner Haie, ehe er in der Saison darauf die Füchse Duisburg in der Oberliga übernahm.

Wer mehr über die London Lions erfahren will, kann sich auf einer Homepage über das Team in die Materie vertiefen.

Anmerkung: Neben unseren eigenen Recherchen hat uns bei der Erstellung dieses Artikels erneut Rolf Hang-Stockenschneider aus Duisburg mit seinem bemerkenswerten Eishockey-Archiv geholfen. Vielen Dank dafür!


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